Zwei Jahre Minsker Abkommen
Veranstaltungsdaten
- Datum
- 23. 2. 2017
- Veranstalter
- Österreichisch-Weißrussische Gesellschaft
- Ort
- VHS Urania
- Veranstaltungsart
- Vortrag, Podiumsdiskussion
- Teilnehmer
- Gabriele Matzner-Holzer, Botschafterin a. D.
- Alexander Shpakovski, Politologe, Direktor des Analytischen Zentrums „Zitadelle“ in Minsk
- Dr. Gerhard Mangott, Univ. Prof. für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck
- Dr. Peter Bachmaier, Präsident der Österreichisch-Weißrussischen Gesellschaft
Der Minsk Prozess habe laut der ehemaligen Botschafterin Gabriele Matzner-Holzer zum Ziel, eine friedliche Lösung für den Ukrainekonflikt zu finden. Die Auseinandersetzungen in der Ostukraine hätten bisher, laut UNO-Schätzungen, 10.000 Menschenleben gefordert und Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Die OSZE berichte beinahe täglich von Verstößen gegen das Abkommen von beiden Seiten.
Nach vielen internationalen Schlichtungsversuchen seit Beginn der Krise wurde das Minsker Abkommen im Jahr 2015 im Normandie-Format (Ukraine, Russland, Deutschland, Frankreich, ohne USA) begründet – den Vorsitz bei den Gesprächen führt der Österreicher Martin Sajdik. Nur wenige der dort genannten 13 Punkte seien bisher umgesetzt worden, was wohl auch daran liege, dass die beteiligten Mächte unterschiedliche Interessen verfolgen würden. Die eingeführten Sanktionen und Gegensanktionen hätten bisher ihr Ziel verfehlt und träfen vor allem Europas schwächelnde Wirtschaft.
Der Minsker Politologe Alexander Shpakovski beschreibt den wirtschaftlichen Schaden für sein Land, den der Ukrainekonflikt verursacht habe: Von sieben Milliarden Dollar sei der Außenhandel mit der Ukraine auf 1,3 Millarden geschrumpft. Durch den Steuerausfall habe Weißrussland beim IWF um einen Kredit ansuchen müssen. Die mediale wie reale Auseinandersetzung führe auch zu einer Spaltung der Gesellschaft Weißrusslands mit sicherheitspolitischen Konsequenzen. 135 Staatsbürger seien verurteilt worden, nachdem sie in der Ukraine mitgekämpft hätten. Der Grenzschutz habe verstärkt werden müssen, die grenznahen Atomkraftwerke in der Ukraine hätten einen weiteren Gefahrenherd gebildet. 150.000 Menschen seien aus der Ukraine nach Belarus geflohen.
Eine internationale Lösung mittels UNO-Mandat sei nur möglich, wenn die beteiligten Konfliktgegner die Absicht zum Frieden hätten. Die europäische Haltung gegenüber Russland sei keineswegs so eindeutig, wie die Sanktionsentscheidungen es zeigen mögen. Die größte moralische Unterstützung erhalte die Ukraine von den skandinavischen Ländern. In der Realität sei aber sehr wenig tatsächliche Hilfe an die Ukraine geflossen, sie sei vielmehr ein Opfer des Machtpokers des Westens (USA und EU) mit Russland geworden. Es sei ein Fehler gewesen, die Ukraine vor die Alternative „Russland oder Europa“ zu stellen, sie sollte weiterhin als Verbindungsglied zwischen den beiden Welten fungieren.
Sowohl Russland als auch die Europäische Union hätten im Vorfeld des Konfliktes eine unkluge Strategie verfolgt, so Politikwissenschaftler Gerhard Mangold. Beide hätten versucht, die Ukraine in ihre Einflusssphäre zu bringen. Die militärische Eskalation sei aber einzig und allein die Verantwortung Russlands – selbst wenn aus russischer Sicht verständlich. Russland sei gleichzeitig Mediator im Minsk Prozess und Aggressor in der Ostukraine. Dies sei einer der Gründe, warum Minsk II nicht funktionieren könne. Mangold verstehe, dass es 2014 in der Ostukraine großen Widerstand gegen die Regierung und ihre Gesetzesideen gegeben habe (z.B. die Abschaffung von Minderheitenrechten). Dennoch habe es weder in Luhansk noch in Donezk eine Mehrheit für den Anschluss an die Russische Föderation gegeben. Dies hätte sich erst nach der militärischen Eskalation geändert.
Aktuell sei keine am Konflikt beteiligte Seite daran interessiert, dass Minsk II funktioniert. Das Abkommen sei bereits so konstruiert worden, dass es nicht erfolgreich umgesetzt werden könne. Es habe viel zu wenige Timelines und auch keine klare Reihenfolge gegeben, welcher der 13 Punkte zuerst umgesetzt werden hätte sollen. Die jeweiligen Standpunkte seien zwar verständlich, aber vollkommen illusorisch – und keine Seite wolle und könne die Forderungen der anderen erfüllen, ohne politischen Selbstmord zu begehen.
Heute höre man in Kiew immer mehr Stimmen, die den Konflikt militärisch lösen wollten. Das ukrainische Militär sei dank westlicher Hilfe viel stärker als noch 2014, und ohne russische Unterstützung des Donbass wäre der Krieg wohl schnell gewonnen. Wenn sich diese Kriegspartei durchsetze, würde das der schlimmst mögliche Ausgang für die Ukrainer sein, da sich dann auch Russland viel stärker engagieren würde. Mangold geht davon aus, dass dieser Konflikt auch in Zukunft von allen Seiten am Köcheln gehalten würde – wie in Moldawien und Georgien. Minsk II würde daran leider nichts ändern.
In der anschließenden Publikumsdiskussion wurden zahlreiche interessante Fragen zum Thema gestellt und beantwortet:
Credits
Image | Title | Autor | License |
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Gerhard Mangott | Idealism Prevails | CC BY-SA 4.0 | |
Minsk_Teilnehmer-Video | Idealism Prevails | CC BY-SA 4.0 |