„Woran glauben“ – Rudolf Taschner stellt sein neues Buch vor

Question
Gesellschaft

Veranstaltungsdaten

Datum
24. 1. 2017
Veranstalter
Österreichische Kulturvereinigung
Ort
Saal der Kulturvereinigung
Veranstaltungsart
Vortrag
Teilnehmer
Rudolf Taschner, Mathematiker, Autor

Rudolf Taschner, Mathematiker und Autor, lädt zu einer Vorstellung seines neuesten Buches: „Woran glauben – 10 Angebote für aufgeklärte Menschen“.

Es gibt eine Halbwertszeit von Daten, aber nicht von Wissen; die Mathematiker heute haben immer noch altes Wissen, wir sind die Nachhaltigen. Mathematiker wissen etwas, und dann bleibt das auch so.

Die Wissensvermehrung habe gewisserweise zu einer Verflachung dessen geführt, was man als wirklich wichtig erachte. Taschner nennt hier das Beispiel der Nobelpreisträger: Früher war der Nobelpreis noch etwas Besonderes, jeder wusste, wer wann wofür einen Nobelpreis erhalten hatte, die Namen sind selbst heute noch bekannt. Doch heute wisse man schon nach einem Monat nicht mehr, wer einen Nobelpreis bekommen habe, und schon gar nicht wofür.

Was wissen wir wirklich?

6*7=42, das wissen wir alle, das ist einfach ganz sicher. Bei anderen mathematischen Tatsachen wie bei dem Satz: „Es gibt unendlich viele Primzahlen!“ muss man dann schon genauer schauen, denn man kann keine Decke lüften und sagen: „Schau! Das sind unendlich viele Primzahlen.“ Es existiert ja nicht einmal ein einfaches Gesetz, wie man die Primzahlen der Reihe nach aufzählen könnte. Was heißt das also: Es gibt unendlich viele Primzahlen? Es ist eine Wahrheit, die ewig gültig ist, aber was kann ich mit dieser Wahrheit, die ewig gültig ist, anstellen? Bringt mich die im Leben weiter? Taschners Antwort ist klar: „Nein, tut sie nicht.

Letztendlich kommt man zu dem Schluss, dass das, was mein Dasein berührt, mit dem Wissen gar nicht mehr so viel zu tun hat, sondern eher in den Bereich des Glaubens hineintritt.

Was ist der Unterschied zwischen Wissen und Glauben?

Oft wird Glaube eher so aufgefasst, als sei er der Vorhof zum Wissen – es ist nach Taschners Auffassung aber gerade umgekehrt. Der große deutsche Philosoph Karl Jaspers hat über den philosophischen Glauben einen Essay geschrieben, in dem er den Unterschied zwischen Glauben und Wissen anhand zweier berühmter Personen beschrieb: Giordano Bruno und Galileo Galilei.

Beide kamen vor das Inquisitionsgericht.

Bruno hat behauptet, das Weltall sei unendlich groß. Die Sterne, die man sehe, seien in Wirklichkeit Sonnen, so hell leuchtend wie unsere eigene, aber so weit weg, dass man sie deshalb nicht als Sonnen erkennen könne. Das ganze Weltall sei belebt, es gäbe keinen Anfang und kein Ende. Als Konsequenz dessen gäbe es auch gar kein Außen, daher habe ein Gott, der außerhalb sei, auch keinen Platz, sondern er sei vielmehr innen zu finden. Nachdem er das festgestellt hatte, kam er vor das Inquisitionsgericht.

Galilei hat behauptet, die Sonne sei keine vollkommene Kugel, sie habe Flecken, der Mond habe Berge, Jupiter habe eigene Monde und die Venus zeige Phasen wie der Mond. Er sagte, die Erde bewege sich um die Sonne herum, und zeigte sich damit als Anhänger von Kopernikus. Aber all das publizierte Galilei auf Italienisch – der Sprache des Volkes -, und so kam auch er vor das Inquisitionsgericht.

Vor dem Inquisitionsgericht nun widerrief Galilei seine Behauptungen, wie es von ihm gefordert wurde. Warum aber hat er widerrufen?

Galilei wusste, dass das, was er beobachtet hatte, stimmte. Das Wissen war ja da, er hatte Beweise! In seinen Augen also waren seine Behauptungen Wissen: Der Mond hat wirklich Berge, die Venus zeigt wirklich Phasen wie der Mond, die Sonne hat wirklich Flecken, der Jupiter hat wirklich Monde etc. Dadurch, dass er widerrief, wurde ja das Wissen nicht geschädigt; Wissen ist tot, daher konnte Galilei dies tun.

Bruno aber hat nicht widerrufen. Denn er glaubte. Er konnte nicht beweisen, dass es keinen Gott gibt, dass das Weltall belebt ist etc. Daraufhin wurde er auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Er starb für diesen Glauben. Hätte er widerrufen, wäre sein Glaube gleichsam ermordet worden.

Der Glaube ist viel stärker als das Wissen.

Im Folgenden stellt Taschner zehn unterschiedliche Glaubensansätze vor:

Der Aberglaube

Jene, die behaupten, sie seien ungläubig, sind mitunter sehr abergläubisch. Aberglaube ist sehr verbreitet, auch wenn man es nicht zugibt: Beim Lottospielen z.B. bevorzugt jeder gewisse Zahlen.

Die Herkunft der Zahl 13 als Unglückszahl ist nicht ganz gesichert. Tatsache ist aber, dass die 13 die erste zusammengesetzte Zahl (3+10) ist. In Italien ist es die Zahl 17, denn 17 ist in römischen Zahlen = XVII, was umgeformt werden kann zu dem Begriff VIXI, der so viel heißt wie: „Ich habe gelebt, mein Leben ist vorbei“.

In China wird die Zahl 8 als Zahl des Geldes verehrt, während die Zahl 4 die Todeszahl ist. Selbst die Kirche ist enorm abergläubisch.

Der Glaube an die Natur

Taschner nennt hier die Auffassung der Natur als Mutter: Mutter Natur – Mutter Erde. Wir sind tief beeindruckt von der Natur, personifizieren sie fast schon. Dabei sagt einem die Natur nicht, was gut ist. Sie beantwortet auch unsere Fragen nicht, wie z.B.: „Wann beginnt das Leben eines Menschen?“ Sie sagt nicht einmal, was ein Mensch ist.

Taschner hält den Glauben an die Natur daher für einen gefährlichen Glauben, denn man könne daraus keine Ethik herauslesen.

Und was ist mit jenen, von denen man sagt: „Das Leben war nicht gut zu ihnen„? Wenn man von der Natur ausgeht, bedeutet das nichts anderes als „Survival of the fittest“ – Darwins Gesetze. Und das kann sehr gefährlich werden.

Der Glaube an die Geschichte

Das Beispiel für diesen Glauben schlechthin sind für Taschner die Präsidenten, deren Gesichter im Mount Rushmore in den Fels gemeißelt sind (George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln). Sie sind für die Ewigkeit eingemeißelt, sie zeugen von dem Versuch, in der Geschichte irgendwie Fußspuren zu hinterlassen.

Der Glaube an den Genuss

Taschner nennt das Beispiel des Spielsüchtigen, der nicht das Spiel genießt, sondern nur die kurzen Momente, in denen er sagt: „Jetzt habe ich Glück!“ Das Pech wird übersehen. Er nennt den Asketen, der den Genuss verschiebt und den mitunter sogar das Verschieben beglückt.

Stilvoll zu genießen ist uns ja total verloren gegangen, das kann ja niemand mehr. Die Leute schlürfen, aber sie können nicht mehr nippen, die Leute schlingen, aber sie können nicht mehr kosten, die Leute kopulieren, aber sie können nicht mehr flirten, das ist alles verloren gegangen, dieses wirklich Genießen-Können.

Der Glaube an die Zukunft

Der Glaube an die Zukunft ist ein sehr wichtiger Glaube. Taschner stellt hier die These auf, dass Weihnachten kein wirklich christliches Fest sei, es sei vielmehr das Fest der Zukunft, denn wir feiern das Kind – und mit ihm die Zukunft.

Zum bedingungslosen Grundeinkommen, das ja in Zukunft kommen könnte, äußert Taschner sich kritisch:

Wenn der Mensch keine Arbeit mehr hätte, wie würde er sich da vorkommen? Völlig unnötig! Und das ist das Allerschrecklichste für einen Menschen. Die Vertreter des bedingungslosen Grundeinkommens wissen nicht, wie gestaltungswütig der Mensch sein kann.

Außerdem merkt er an, dass das ganze System nicht ausreichend durchdacht sei, denn was geschehe mit den Menschen, die das Geld einfach verspielten und trotzdem noch durchkommen müssten? Oder werde das Grundeinkommen, das ja Freiheit schenken soll, dann zweckgebunden ausbezahlt, also mit Restriktionen, wofür es verwendet werden dürfe?

Diese Zukunft empfiehlt Taschner nicht, sondern vielmehr die Gestaltungszukunft.

Der Glaube an die Kirche

Auf dieses Kapitel geht Taschner nicht näher ein, er merkt nur an:

Wenn es sie nicht gäbe, wäre ich traurig, aber ein wenig anreiben will ich mich auch, ich bin da ein bisschen hin und her gerissen.

Der Glaube an die Kunst

Der Glaube an die Kunst geht ins Transzendete über, ein wahres Kunstwerk ist unauslotbar. Es gibt die schwachen Kunstwerke, die man als Bilder bezeichnen kann. Und es gibt eben große Kunstwerke.

Manchmal wollte man auch nur ein Bild haben und kein Kunstwerk, wie z.B. die Mönche in Santa Maria delle Grazie. Sie waren auf der Suche nach einem Maler und Anstreicher, der ihnen das Bild des Abendmahles malen könnte. Sie gerieten an Leonardo da Vinci, der ein Kunstwerk erschuf und dafür bedeutend mehr Zeit brauchte als von den Mönchen für diese Arbeit vorgesehen war.

Die Parallelen eines Bildes treffen sich im Fluchtpunkt, der an sich im Unendlichen liegt. Bemerkenswert an da Vincis Gemälde ist, dass sich der Fluchtpunkt in der Schläfe des Heilands befindet.

Der Glaube an Gott

Taschner nennt hier Gottesnähe und Gottesferne, also die geglaubte Anwesenheit Gottes in guten Geschehnissen und die Frage nach seiner Abwesenheit im Angesicht von Katastrophen. Hierbei sei Atheismus – die Überzeugung, dass es Gott nicht gibt – leichter zu ertragen als die Gottesferne.

Der Glaube an das Ich

Es ist ein fundamentaler Glaube, an sich selbst zu glauben. Descartes sagte: „Wenn alles bezweifelbar ist, so kann ich eines doch nicht bezweifeln, und das ist, dass ich zweifle, das besteht sicher.“ Außerdem sagte er: „Bevor ich an Gott glaube, glaube ich an mich!

Den Glauben an sich selbst dem Glauben an Gott vorzuziehen, ist hier ausschlaggebend. Es ist der Glaube daran, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können, ohne jemanden oder etwas anderes dafür verantwortlich zu machen.

Schon der heilige Augustinus sagte: „Dubito, ergo existo!“ (Ich zweifle, also bin ich!)

Der Glaube an dich

Der Glaube an das Du ist enorm wichtig, denn wenn das Ich alleine ist, ist es ziemlich einsam, und einsam zu sein, ist doch viel schrecklicher, als sterben zu müssen.

Das Dialogische Prinzip von Martin Buber kommt eigentlich aus der Bibel, denn Gott stellte am Mittwoch fest, dass nicht alles gut ist – und das ist die Stelle, an der Gott feststellte, dass der Mensch allein und einsam ist.

Abschließende Überlegungen mit dem Publikum

Gibt es einen Übergang zwischen Glauben und Wissen und damit eine Möglichkeit, dass sich diese beiden treffen – und wenn ja, wo?

Es gibt so etwas wie eine Überzeugung, die ich habe. Ich habe gute Gründe, davon überzeugt zu sein, es gibt aber keinen endgültigen Beweis. Diese Überzeugungen sind aber sehr subjektiv, sie sind mit dem Wissen, das ich habe, kompatibel und ich kann sie auch mitteilen. Es ist aber meine Überzeugung, meine Welt.

Credits

Image Title Autor License
Question Question Ryan Milani CC BY 2.0