Wo Welten aufeinander prallen: Alt-Delhi
Ein weiterer aufregender Tag liegt vor mir, voller neuer Dinge, die es zu sehen gibt, und ich bin schon gespannt, was ich heute entdecken werde!
Am frühen Morgen gehen wir zum Connaught Place, ein ausgedehntes Shoppingviertel in Delhi, um dort zu frühstücken. Auf dem Weg dorthin, nur ein paar Minuten nach dem Verlassen des Hotels, kommen wir an einer großen Straße vorbei und sehen etliche Menschen, die draußen auf dem Boden schlafen, direkt neben der Straße. Sie wohnen dort. Einige machen kleine Feuer zum Kochen, andere liegen einfach nur da.
Als wir den Connaught Place erreicht haben, ändert sich nicht viel. Obwohl es ein Shoppingviertel mit schicken Läden, Cafés und Restaurants ist, sieht man hier zahlreiche Bettler, von Kindern bis hin zu alten Männern. Einige betteln, andere schnüffeln Klebstoff aus Plastiksackerln, um ihren Hunger zu betäuben und einen Rausch zu bekommen. Wieder andere führen kleine Shows auf oder bieten alle Arten von Dienstleistungen an: Vom Schuheputzen über Ohrreinigung bis zur Taschenreparatur, einige haben sogar Waagen, mit denen man sein Gewicht überprüfen kann.
Überall schlafen Menschen auf dem schmutzigen Boden, und der Geruch von Urin ist allgegenwärtig. Es gibt auch viele Bettler mit Behinderungen, ohne Beine – wahrscheinlich leiden sie an Lepra. Weil sie sich keinen Rollstuhl leisten können, bewegen sie sich mit einer Art rollender Plattform fort. Alle zwei Minuten fragt jemand nach Geld oder bietet seine Dienstleistung an.
Wir nehmen uns ein Taxi, um vom Connaught Place nach Alt-Delhi zu fahren, ein vorwiegend muslimisches Viertel in Delhi. Wir besichtigen das Rote Fort, das für fast 200 Jahre, bis 1857, die Residenz und das politische Zentrum des Mogulreiches war. Das Mogulreich war ein Staat auf dem indischen Subkontinent, der von etwa 1555 bis 1857 von einer muslimischen Dynastie regiert wurde. Im Inneren des Roten Forts gibt es viele verschiedene Gebäude wie Paläste, Pavillons, Moscheen sowie Gärten mit einem Teich.
Später gehen wir die belebten Straßen des Bazars von Alt-Delhi entlang, wo man buchstäblich alles findet, was das Herz begehrt: Silberschmuck, selbstgemachtes Parfum, Schuhe, Saris und Kurtas (die traditionellen indischen Gewänder), getrocknete Früchte ebenso wie elektronische Geräte, um nur einiges zu nennen.
Als wir weiter nach Alt-Delhi hineingehen, ändern sich die Umgebung und die Menschen drastisch; viele Frauen tragen Burkas, und ich fühle mich eher wie in Nordafrika als in Indien. Wir gehen zum Essen in ein sehr berühmtes Restaurant, das Karim’s. Es ist ein historisches Restaurant, das 1913 von Haji Karimuddin gegründet wurde und als „die berühmteste kulinarische Adresse der Stadt“ galt. Seine Idee war, Ruhm und Glück zu erreichen, indem er der normalen Bevölkerung königliches Essen servierte, und genau das tat er auch. Man sagt, er sei einer der Köche des Königs gewesen.
Ich muss sagen, das Essen ist extrem gut, vor allem die Kebabs – einfach fantastisch! Hier in Indien ist es üblich, sich nach dem Essen noch ein kleines Extra zu gönnen: Eine spezielle Erfrischung für den Mund, die Paan genannt wird. Das möchte ich natürlich auch probieren! Ein Paan besteht aus herzförmigen Betelblättern und Areca-Nüssen. Zahlen von null bis 320 geben die Intensität der Mischung an, und manchmal ist auch etwas Tabak darin. Ich wähle die niedrigste Zahl.
Zusätzlich ist das Paan mit verschiedenen aromatischen Kräutern und Gewürzen gefüllt; so gibt es zum Beispiel eine Art Marmelade aus Rosenblütenblättern, die man dazu auswählen kann. Das alles wird in eine glänzende silberne Folie gewickelt, die wie Aluminiumfolie aussieht, aber keine ist. Wirklich erfrischend und delikat!
Von dort fahren wir mit einer Rikscha zu einer bedeutenden muslimischen Pilgerstätte, die Woche für Woche von Tausenden Gläubigen besucht wird: Nizamuddin Dargah. Es ist das Mausoleum eines der berühmtesten Sufi-Heiligen der Welt (das sind Heilige, die eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung des Islams in der Welt spielten). Sein Name war Hazrat Khwaja Syed Nizamuddin.
Beim Eintreten werden wir darum gebeten, unsere Schuhe auszuziehen und die Haare zu bedecken. Draußen gibt es Stände, an denen man Körbe mit Blumen kaufen kann, um sie dem Heiligen als Zeichen der Verehrung zu überbringen. Wir kaufen einen und nehmen ihn mit hinein. Da es Frauen bis heute nicht erlaubt ist, das eigentliche Mausoleum zu betreten, darf ich nicht hineingehen, und Sourabh muss die Blumen alleine überbringen.
Es sind viele Leute im Gebäude, das recht groß ist. Sie sitzen überall auf dem Boden, und ich bemerke, dass viele von ihnen sehr krank sind. Nur ein paar Meter von mir entfernt ist eine Familie mit einem Mädchen, das leichte Krampfanfälle hat. Neben uns bietet ein Arzt kostenlos seine Dienste an, aber sie erklären mir, dass sie nicht nach einem Arzt suchen.
Sie sind hierher gekommen, um „spirituelle“ Hilfe für ihre Tochter zu finden, weil sie daran glauben, dass dieser Ort eine ähnliche Heilungskraft hat wie etwa die Pilgerstätte von Lourdes für Christen. Wir gehen umher und warten auf das Konzert, das normalerweise jeden Freitag stattfindet, heute jedoch wegen des Regens ausfällt. Nächstes Mal!
Als wir uns auf dem Rückweg der Straße nähern, in der sich mein Hotel befindet, sehen wir ein paar Kühe und Straßenhunde bei ihrer Mahlzeit: Sie fressen Müll! Gegenüber benutzen einige Menschen die Freiluftdusche und putzen sich dort die Zähne. Ich muss die Luft anhalten, weil der Gestank des öffentlichen Pissoirs und des Mülls, der sich im Lauf des Tages in der winzigen Straße angesammelt hat, unerträglich ist. Solche Dinge gibt es nur in Delhi …
Es gibt definitiv noch viel für mich zu entdecken in dieser Stadt; mir scheint, man kann hier monatelang auf Entdeckungstour gehen und hat immer noch nicht alles gesehen. Doch ich habe jetzt einige der wichtigsten Orte in Delhi erlebt und muss sagen, es ist eine aufregende Stadt, die viel zu bieten hat, auch wenn es negative Seiten gibt.
Was ich an Delhi wirklich mag, ist die Vielfalt und die Tatsache, dass hier so viele Weltreligionen wie Hinduismus, Buddhismus, Islam, Jainismus und Christentum friedlich in einer Stadt zusammenleben. Darin – und auch im täglichen Angebot kostenlosen Essens in den Tempeln und den Straßen – ist Delhi ein Vorbild für die ganze Welt.
Wer mehr über Delhi erfahren und weitere Eindrücke bekommen möchte, klickt bitte hier für ein VIDEO. Danke!
Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake