Wirtschaftssystem China (im Vergleich) – Dr. Werner Rügemer
Veranstaltungsdaten
- Datum
- 25. 2. 2020
- Veranstalter
- Aktionsradius Wien
Entsprechend dem Schwerpunkt China, den der Aktionsradius Wien für den Februar 2020 ausgerufen hat, lud man den Journalisten Dr. Werner Rügemer zu einem Vortrag über Chinas schwierigen Weg zur Wirtschaftsmacht nach Wien ein. Nach einem kurzen Blick nach Europa und in die USA, wo er jeweils eine Veränderung der Diskussionslage über sozialistisches Gedankengut ortet, wendet er sich dem Wirtschaftswunder China zu: er sieht den US-geführten kapitalistischen Westen auf moralischer, politischer, technologischer und vor allem auf wirtschaftlicher Ebene im Abstieg begriffen. Nur auf militärischer Ebene sei der Vorsprung noch gegeben. Rügemer stellt fest, dass es in den letzten 70 Jahren nie zu einer fairen Auseinandersetzung der Systeme gekommen ist, denn immer, wenn es eng wurde, wurde die überlegene Militärmacht des Westens (inklusive regime changes) eingesetzt.
Rügemers historischer Rückblick aus der Sicht Chinas beginnt mit dem Überfall der Kolonialmächte (inklusive USA) auf China Anfang des 19. Jahrhunderts inklusive der beiden Opiumkriege, in denen der heute größte Immobilienbesitzer und Arbeitgeber Hongkongs, Jardine Matheson Holdings, seine Vormachstellung mit Hilfe des britischen Militärs begründete. Über die bürgerliche Revolte Sun Yat-Sens und Chiang Kai-sheks Konterrevolution (unterstützt von den USA und Hitlers Deutschem Reich) landen wir im kommunistischen China Mao Zedongs. Über die folgenden Jahrzehnte wurde China auf vielen Ebenen direkt von den USA oder ihren westlichen Verbündeten blockiert.
Die Doppelmoral westlicher Staaten stellt Rügemer am Beispiel der USA im Bezug auf die Umsetzung von Konventionen der ILO dar: nur 11 der 190 Konventionen wurden umgesetzt, und selbst diese 11 gehören zu den Unwichtigsten. Damit steht die USA weit abgeschlagen am Ende aller Mitgliedsstaaten. Auch haben die USA als einziges Land kein Außenministerium: alle das nationale Sicherheitsinteresse betreffenden Entwicklungen weltweit (also auch außerhalb der nationalen Grenzen) können von den USA (aus eigener Sicht legitim) beantwortet werden: legistisch (North stream 2), militärisch oder auf anderen Wegen.
Nach 25 Jahren in sozialistischer Armut änderte die chinesische Führung ihre Strategie: kapitalistische Unternehmen wurden wieder ins Land geholt. In den folgenden 3 Jahrzehnten vervierfachten sich die durchschnittlichen Arbeitseinkommen. 2005/6 zählte China zu den streikfreudigsten Ländern der Welt, weshalb ein neues Arbeitsgesetzbuch entwickelt wurde, das sich zwar nur an den grundlegendsten ILO-Richtlinien orientierte; aber selbst das war den westlichen Wirtschaftsvertretern zu viel: sie haben gegen diese Maßnahmen protestiert, denn sie würden die Wettbewerbsfähigkeit Chinas zerstören. Die Gesetze kamen dennoch, und alle Firmen sind geblieben. Für Rügemer zeigt dies eines: kapitalistische Unternehmen sind gnadenlos opportunistisch. Solange man Gewinne machen kann, ist das Regierungssystem des betreffenden Landes komplett egal.
Große Veränderungen in China betrafen nicht nur die Gesellschaft, sondern auch technologische Entwicklungen (Vorreiter in der E-Mobilität) und rechtliche Innovationen (Korruptionsbekämpfung).
Seit etwa 20 Jahren sind China bzw chinesische Betriebe dabei, in westliche Unternehmen zu investieren bzw sie zu übernehmen; auch sonst sind sie auf allen Kontinenten (inklusive Europa) aktiv, vorrangig bei Investitionsprojekten. Auch diplomatisch schafft man weltweit Fakten (zB 16+1 Abkommen in Europa).
Den großen Unterschied zwischen dem Kapitalismus westlicher Prägung und dem chinesischen Modell sieht Rügemer im (Nicht)Einsatz militärischer Mittel und Präsenz. Während die USA 1000 Militärstützpunkte außerhalb der Heimat betreibt, ist es im Falle Chinas nur einer: Djibouti. Auch stellt China zb in Afrika keine politischen Auflagen für sein finanzielles Engagement; chinesische Firmen produzieren dort auch für den lokalen Markt, nicht nur für Exporte.
Da der noch vorherrschende, aber bereits im Abstieg begriffene Westen durch die aufsteigende Volksrepublik China im Kern getroffen sei, sieht Rügemer eine steigende Kriegsgefahr.
In der folgenden ausführlichen Diskussion mit dem Publikum werden weitere zahlreiche spannende Themen rund um Chinas politische und wirtschaftliche Entwicklung und die Krise des Kapitalismus angesprochen.
Credits
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Wirtschaftssystem China2 | Wolfgang Müller | CC BY SA 4.0 |