Wirtschaftsethik: das Füreinander
Im ersten Teil meiner Serie habe ich ausgeführt, warum wir eine Wirtschaftsethik brauchen („Wirtschaftsethik: die Bewusstmachung„). In diesem zweiten Teil beschreibe ich die Wahrnehmungsaspekte, die einem dazu verhelfen können, seinen Weg der Änderung anzutreten. Ziel einer Wirtschaftsethik ist, vor allem das Füreinander zu pflegen; im Einklang mit der Natur zu leben und von ihren Früchten zu kosten, ohne Ressourcen zu missbrauchen oder auszubeuten.
Das Prinzip des Gebens und des Nehmens
Wenn wir heute auf die Welt kommen, lernen wir in unseren grammatischen Kulturen: „Um zu sein, hat man, indem man macht.“ Umgedeutet heißt das: „Damit du existieren (sein) kannst, besitzt (haben) du, indem du arbeitest (machen)“. In der Berufswelt wird ebenfalls von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesprochen. Der Arbeitgeber gibt dem Arbeitnehmer den Lohn für erbrachte Dienstleistungen. Der Arbeitnehmer nimmt den Lohn als Belohnung bzw. Anerkennung für seine erbrachten Tätigkeiten. Dies führt zu einem Tausch, wobei ich das Geld hier als Bedürfnisersatz definiere. Denn Geld kann nicht gegessen, sondern nur gegen andere Waren, Dienstleistungen oder sogar wiederum gegen Geld getauscht werden.
Das Geben
… spielt in der geistigen Welt vor allem in zwischenmenschlichen Beziehungen eine Rolle. Wir geben unseren Freunden bedingungslos Hilfe, wenn sie in schwierigen Situationen stecken. Wir geben unseren Mitmenschen Wertschätzung, wenn uns selber geholfen wird. In der substanziellen Welt geben wir unseren Mitarbeitern und Kollegen Anerkennung für ihre Taten, in Form von Preisverleihungen. Aber auch im durchschnittlichen Bürgertum stößt man immer wieder auf Aktionen, die Menschlichkeit geben, etwa eine Bewegung wie die Volxküchen.
Das Nehmen
… bezieht sich in der geistigen Welt vor allem auf das Mitgefühl: die Empathie gegenüber anderen. Wenn unsere Nächsten mit uns ihre Probleme lösen wollen, so nehmen wir ihre Emotionen auf und teilen das Erleiden, oder wir freuen uns mit jemandem, bedingungslos. In der materiellen Welt gibt es kaum Einrichtungen, die Bedingungslosigkeit akzeptieren. Wenn du dir im Supermarkt eine Ware nimmst, musst du Geld dafür tauschen. Diese Bedingung erzeugt substanzielle Abhängigkeiten in unserer heutigen Wirtschaftswelt. Kost-Nix-Läden sind ein gutes Beispiel zur Auseinandersetzung und Realisierung des bedingungslosen Gebens und Nehmens.
Fünf Regeln zur Einhaltung der buddhistischen Wirtschaftsethik für Laien:
Nicht töten
Dass Menschen nicht einander töten, gehört zum gesunden Menschenverstand und sollte selbstverständlich sein. In der buddhistischenWirtschaftsethik umfasst dieser Punkt aber nicht nur Menschen, sondern alle Lebewesen. Wenn wir uns von Fleisch ernähren, töten wir Tiere. Wir töten sie im Überfluss in industriellen Schlachthöfen, in Massentierhaltungen und Tierfabriken. In den 80er-Jahren, in meiner Kindheit also, gab es Fleisch immer nur am Sonntag beim Familienessen. Der Mensch, posttraumatisiert nach dem Zweiten Weltkrieg, konnte es sich nicht leisten, Lebensmittel zu verschwenden. Mit der Problematik der Tierfabriken setzt sich etwa der VGT auseinander.
Nicht stehlen
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde auf der Opiumkonferenz ein wirtschaftlicher Umschwung eingeleitet. In den 1920er-Jahren verlagerte sich die Papierindustrie in die Wälder. Nach der Verteufelung der Hanfpflanze startete die Pharmaindustrie nach der Entdeckung der Amphetamine ihren Durchbruch. Die Arbeiter wurden von den Feldern abgezogen und zu Schwerstarbeiten in den Bergwerken verdonnert. Die Erdölgewinnung und der Kohleabbau blühten auf. Es begann die Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur. Bis heute werden Wälder gerodet, Rohstoffe mittels umweltschädlicher Verfahren (wie z.B. Fracking) der Natur gestohlen. Die Folgen sind ausgestorbene Tierarten und Menschen, die in ihrem Land verhungern müssen. Das Bedingungslose Grundeinkommen ist eine Option, der Ungerechtigkeit entgegenzuwirken. Hierzulande versuchen zwei Nichtregierungsorganisationen, den Diebstahl der natürlichen Rohstoffe und die Ausbeutung des Menschen Einhalt zu stoppen: Global2000 und attac.
Keine verletzende oder falsche Rede
Seit der Verbreitung der sozialen Medien ist die Grenze des Respekts gegenüber anderen Menschen gesunken. Tagtäglich finden auf diversen Internetplattformen Shitstorms, Hassreden, Diffamierungen oder die Verbreitung sogenannter Fake News statt. Vor dem Bildschirm fühlt sich jeder anonym, die Hemmungen fallen, es wird gepostet, bis der „Feind“ mundtot ist. Solche Vorgehensweisen können mitunter schwere psychische Schäden hervorrufen oder sogar in den Selbstmord treiben. Einer der ersten Ansätze, das Zusammenleben zu regeln, war das Buch Knigge – Über den Umgang mit Menschen.
Auch der Umgang mit unseren Daten in den sozialen Medien ist ein sensibles Thema: Datenschutz ist Menschenrecht, quintessenz.at klärt die Missstände in diesem Themenbereich auf.
Kein Missbrauch von (besonders sexuellen) Abhängigkeiten
In so manchen Berufsfeldern ist es nicht wichtig, welche Kompetenzen jemand ins Unternehmen mitbringt, sondern es bestehen vielmehr zwischenmenschliche Abhängigkeiten, die Beförderungen und Aufstiegsmöglichkeiten bestimmen. In einigen Fällen kommt es sogar zu sexuellen Abhängigkeiten, welches im Jargon als „sich raufvögeln“ definiert wird. Dieser Ausdruck weist darauf hin, dass bestimmte Jobs nur durch sexuelle Beziehungen bestehen. Den meisten kommt jetzt wahrscheinlich die Lewinsky-Affäre in den Kopf. In der Filmbranche scheint dies auch an der Tagesordnung zu stehen, als sich neulich der Weinstein-Skandal offenbarte.
Die Vermeidung von Drogen aller Art, die die Klarheit der ethischen Haltung und der Erkenntnis mindern
Alles, was das Bewusstsein erweitert und Erkenntnis ins Leben bringt, ist verboten. Ein deutliches Beispiel ist der heutige „Kampf um den Hanf“: Dort, wo die Wissenschaft aufhört, bringt die Pharmaindustrie ihre eigene pseudowissenschaftliche Verkaufsstrategie ins Spiel; sie unterscheidet Heilsubstanzen in moralisch gute Moleküle und moralisch böse Moleküle. „So wird auch Cannabis ‚wissenschaftlich‘ zuerst zum aggressiv machenden Mörderkraut erklärt, um dann als Auslöser des ‚demotivationalen Syndroms‘ – ‚Hasch macht lasch‘ – mit dem Gegenteil Karierre zu machen. Und so sorgen pseudowissenschaftliche, der Subvention von Pharmakonzernen und Politik unterworfene Lehr- und Expertenmeinungen bis heute dafür, dass bei der Einstufung der Gefährlichkeit der Drogen […] an einem pharmakratischen Dogma festgehalten wird, das mit Wissenschaft so wenig zu tun hat wie vernunftgemäßer Politik“, schreibt Mathias Bröckers in seinem Buch „Die Drogenlüge“ (Westend, S. 148).
Österreich ist einer der Vorreiter weltweit, wo Menschen sich mit Wirtschaftsethik auseinandersetzen, und bietet Lösungsansätze in folgenden Einrichtungen an:
- Gerechte Aufteilung mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen: BGE in Österreich
- Akzeptanz von alternativen Währungen, die Umweltschutz beachten: FairCoin, V-Taler, Tauschkreise
- Überflüssige Lebensmittel Menschen kostenlos zur Verfügung stellen: FoodCoops, FairTeiler
- Geräte in RapairCafes selbst reparieren: Reparaturführer Österreich
- Brauchbare Sachen, die nicht gebraucht werden, kostenlos abgeben oder nehmen: Kost-Nix-Laden
- Die Schätze der Natur richtig gebrauchen: Cannabis Social Clubs Austria
- Nutzung von offenen Bücherschränken zur Einschränkung des Papierverbrauchs: Offene Bücherschränke und bookcrossing
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5 Regeln der buddhistischen Wirtschaftsethik für Laien | Patryk Kopaczynski | CC BY-SA 4.0 | |
Der Weg der Änderung | Patryk Kopaczynski | CC BY-SA 4.0 |
Danke für diesen guten Überblick und der Zusammenfassung!