Wir fordern (Frei-)Raum!
Mit „Wir fordern (Frei-)Raum“ startete am Samstag, den 17. September auf der PeaceParade Vienna 2016 eine Petition.
Der Titel mag vielleicht so klingen, als ob wir alle auf viel zu engem Raum lebten und raus aus diesem Schlamassel wollen würden. Nein, es geht um etwas ganz anderes:
Es geht darum, öffentliche Flächen für alle Bürger nutzbar zu machen, ohne des Platzes verwiesen zu werden – wie es die Behörden manchmal gerne tun. Ab einer Zahl von drei Personen nämlich gilt der Aufenthalt auf einem Platz als Versammlung, die angemeldet werden muss. Wenn dies tatsächlich Sinn machte, müsste es pausenlos angemeldete Kundgebungen auf Hauptbahnhöfen geben. Will jemand eine Standkundgebung anmelden, ist Kafkaland noch einfach zu betreten. Größere Veranstaltungen werden zu einer wirklich kafkaesken Erfahrung. Die wenigsten wissen, dass öffentliche Flächen in Bund und Land aufgeteilt sind; darüber hält meistens eine Holding-Agentur die Hand. Der Gebührendschungel beginnt zu wuchern. Da vergeht einem doch gleich schnell „das Tanzen“.
Das ist aber noch nicht alles: Nehmen wir an, du besitzt ein Grundstück mitten in Wien. Wenn dein Grundstück den Bau der U2 behindert, so kann es vorkommen, dass du teils oder völlig enteignet wirst. Die wenigsten wissen: öffentliches Wohl geht vor das Gemeinwohl.
Zum Freiraum gehören ebenso freie Flächen. Um für Veranstaltungen legal werben zu dürfen, können es sich nur Werbeagenturen mit entsprechendem Budget leisten. Kleine Vereine und Veranstalter hingegen müssen auf Säulen ausweichen, die freigegebenen Graffitiflächen sind längst übersprayt und ein Kunstwerk kommt dem anderen in die Quere. Hier kann nur ein schnelles Foto das gesprühte Opus dauerhaft festhalten.
Dann wäre noch die Sache mit den leerstehenden Gebäuden. In Wien gibt es geschätzt 80.000 bewohnbare Objekte, die simpel leer stehen. Die meisten dieser Objekte befinden sich übrigens in der Innenstadt. Bemerkbar werden sie in der Nacht, nämlich dort, wo nie ein Lichtlein brennt. Von den vergessenen unterirdischen Räumen und Gängen ganz zu schweigen. Eine der bemerkenswertesten Hallen sind die sogenannten ehemaligen Eiskeller im dritten Bezirk. Die Besetzungen sind nach der letzten lauten Hausbesetzung PizzeriAnarchia aus der Mode geraten. Was bleibt, ist wieder die Bettelei (in „Freunderlwirtschaftsmanier„) nach der Zwischennutzung, oder man ist dem Genehmigungswahnsinn ausgesetzt. Der Durst nach 24/07-Kulturzentren bleibt und wächst rapide.
Das „mirkollektiv“, der Hauptveranstalter, lädt alle, die gemeinsam die Raumpolitik mitgestalten wollen zur Petition ein: Wir fordern (Frei-)Raum!
Die diesjährige PeaceParade Vienna wurde nicht nur von zahlreichen Soundsystems unterstützt. Gleich drei Vereine, die sich politisch in den letzten Jahren in der Gesellschaft engagieren, zeigten vor, wie Frieden funktioniert. In Wirklichkeit handelt es sich hier um ein kleines Team aus versammlungserfahrenen Leuten, die bereits oft miteinander gearbeitet haben und effektiv kooperieren können. In Teamarbeit schaffen sie die Rahmenbedingungen, damit diverse Gruppen auch teilnehmen können.
So geschah es, dass sich heuer ca. 2000 Besucher zwischen Heldentor und Maria-Theresien-Platz in Wien tummelten.
Die PeaceParade ist keine Veranstaltung im kommerziellen Sinn – jeder arbeitet freiwillig mit. Sie dient als politische Kundgebung für Gruppen, die sich im öffentlichen Raum präsentieren wollen.
Die institutionelle Kontrollsucht, der Abgabenzwang, die Überregulierungen beschränken die Entfaltung und das Wachstum unserer Gesellschaft – sie sollte jedoch die Gemeinschaft und die Vielfalt und Freiheiten fördern und nicht allernorts beschneiden und beschränken.
Marcus Grimas, Obmann ‚mirkollektiv‘
Die PeaceParade vertritt eine Reihe von Themen, für die es sich lohnt, Farbe zu bekennen und sich zu positionieren. Gewollt ist es, Spaß zu haben, neue Leute kennenzulernen, Netzwerke aufzubauen und miteinander zu diskutieren. Für alle ist die Möglichkeit geschaffen, unsere Gesellschaft mitzugestalten. Und die PeaceParade ist eine solche Mitgestaltungsmöglichkeit. Jedes Jahr hinterlässt die PeaceParade uns eine Botschaft, gute Erinnerungen und ein gutes Gefühl. Etwas, was die Teilnehmenden berührt – und ihr Herz erreicht. Etwas, wovon Menschen erzählen können – worüber man diskutiert – eine Erinnerung an einen Tag der Gemeinsamkeit und der Freiheit auf der Straße und ein Gefühl. Vielleicht auch einen Denkanstoß, dass wir alle gemeinsam mehr erreichen können. Aber auch, dass wir unsere Rechte nicht nur kennen sondern auch einfordern und vertreten müssen.
Sich zu versammeln, soziale Verbindungen zu knüpfen und zu pflegen, sich auszutauschen, zu diskutieren, zu reden, auch zu tanzen, zu genießen ist nur natürlich und das gute Recht aller Bürger und sollte nicht von der Gnade der Behörden abhängig sein – es gibt das Gesetz der Versammlungsfreiheit – der öffentliche Grund ist unser aller Grund.
Mitwirkende Vereine:
mirkollektiv – Möglichkeit Ideen zu realisieren, zu digitalisieren und elektronisch auszuarbeiten
VIKI – Verein der Internationalen Kreativen Ideen
blumentopf – Verein für Kunst und Kultur
Mitwirkende Soundsystems:
Laufende Petitionen:
Petititon – Wir fordern (Frei-)Raum