Wie ein Aberglaube in Nepal Kinder tötet

MOCH
Lebenswelten

Der Begriff „Moch“ bezeichnet einen uralten traditionellen Aberglauben, der noch immer wie eine spirituelle Krankheit unter der Bevölkerung der ländlichsten und entlegensten Gebiete Nepals verbreitet ist.

Dieser spezielle, typisch nepalesische Glaubensaspekt bezieht sich typischerweise auf die Gesundheit der Frauen. Allerdings gibt es auch die Ansicht, dass der Moch ebenso Folgen für das Familienleben eines Mannes haben könne, wenn dieser damit in Berührung komme. Männer können so auf indirektem Weg davon betroffen werden.

Unter der Bevölkerung der abgelegenen ländlichen Gebiete Nepals ist dieser Glaube sehr verbreitet, in den größeren urbanen Zentren des Landes ist er jedoch weitgehend unbekannt.

Genau genommen bezeichnet der Begriff „Moch“ zwei unterschiedliche Dinge:

So soll es eine Art Krankheit sein, die bewirke, dass eine davon betroffene verheiratete Frau wieder und wieder, bei jeder Schwangerschaft, ihr Kind verliere. Dies ist jedoch nur eine oberflächliche und begrenzte Erklärung. Die Menschen stellen sich den Moch nämlich auch konkret als eine Art Wesen aus rohem Fleisch vor, mit einer Form, die einem Ei ähnelt, und einem Schwanz. Dieses Wesen bringe einer Person, die darauf trete oder es bloß zu Gesicht bekomme, großes Unglück. Es heißt, der Moch bestrafe diese Person dann für den Rest ihres Lebens.

Die Menschen in Nepal glauben seit alters her, dass der Moch von Kometen oder Sternschnuppen auf die Erde gebracht werde. Es heißt, wenn er außerhalb einer Siedlung niedergehe, falle er vor allem auf offene Gebiete oder in große Löcher auf der Erdoberfläche.

Wenn er jedoch in ein Haus falle, dann entweder auf ein Bett oder in einen der Töpfe, in denen die Dorfbewohner Frischkäse zubereiten. Der Moch tritt also entweder als Komet oder Sternschnuppe oder aber als fleischiges Wesen mit Schwanz in Erscheinung. Der Kopf dieses Wesens hat die Form eines Eies, während der Schwanz, normalerweise grau, wie Gedärme von Vögeln oder Menschen aussieht.

Es ist nur selten zu finden. Der Glaube sagt, dass ein Mädchen oder eine Frau in fortpflanzungsfähigem Alter für den Rest ihres Lebens durch den Moch bestraft werde, wenn sie dieses Wesen zu Gesicht bekomme, darüber hinwegschreite oder gar direkt darauf trete. Dadurch kann sie entweder niemals schwanger werden, oder wenn sie tatsächlich Kinder zur Welt bringt, wird keines davon überleben.

Die Schwere dieser Beeinträchtigung hänge davon ab, auf welche Art die Frau mit dem Moch in Kontakt gekommen sei. Wenn sie ihn nur aus einiger Entfernung gesehen habe, werde sie weniger schwer davon betroffen, wenn sie direkt darüber hinweg geschritten sei, können die Folgen schlimmer sein. Direkt auf einen Moch zu treten, habe sehr schwerwiegende Auswirkungen auf ihr Leben und ihre Fortpflanzungsfähigkeit.

Auch einem Mann könne Ähnliches passieren: Er würde dadurch viele Kinder in seiner Familie verlieren. Wenn irgendeine Frau in Nepal wiederholt Kinder verliert, glauben ihre Mitmenschen, dass sie auf irgendeine Art mit einem Moch in Kontakt gekommen sei und von ihm bestraft werde.

Eine vom Moch besessene Frau könne entweder überhaupt keine Kinder zur Welt bringen, oder wenn dies doch geschehe, werden nacheinander zwischen 2 und 18 ihrer Kinder kurz nach der Geburt sterben. Diese Zahl ist nicht genau festgelegt.

Eine von dieser Krankheit betroffene Frau könne jederzeit eine Fehlgeburt erleiden. In den meisten Fällen geschehe dies entweder im vierten oder zwischen dem siebten und neunten Monat der Schwangerschaft. Es wird geglaubt, dass die Kinder einer so betroffenen Frau zunächst eine grüne Farbe annehmen und innerhalb weniger Stunden oder Tage sterben.

Der Moch wird als eine sich stets wiederholende Todesursache ihrer Kinder angesehen. Die Menschen in Nepal wenden verschiedene traditionelle Behandlungsmethoden gegen den Moch an, abhängig von ihrer Kaste, ihrer Religion, ihren Sitten und Traditionen. An den meisten Orten besteht die Behandlung darin, dass die Form eines Mochs aus Maismehl, das mit Wasser oder Honig vermischt wird, nachgebildet wird. Man bindet ein dünnes Seil um den künstlichen Moch und hängt ihn der befallenen Frau damit an den Körper.

Er darf den Boden jedoch nicht berühren, die Patientin muss ihre Augen währenddessen geschlossen halten. Danach spricht ein traditioneller Heiler einige von Herzen kommende Mantras, also Gebetssprüche oder -wörter. Der künstliche Moch fällt zu Boden, der Heiler hebt ihn auf und versteckt ihn entweder oder wirft ihn so weit weg, dass die betroffene Frau ihn nie wieder finden oder zu Gesicht bekommen kann. Die Leute glauben, dass der Fluch des echten Mochs auf diese Art gebrochen werden kann.

In Nepal wenden Millionen von Frauen, die wiederholt Kinder verloren haben, solche Behandlungen an. Sie bringen aber keine Lösung des Problems: Denn dadurch, dass die Frauen an den Moch glauben und ihn mit traditionellen Methoden zu bannen versuchen, nehmen sie keine medizinische Hilfe in Anspruch und verlieren daher wieder und wieder ihre Kinder.

Bis heute ist in der medizinischen Literatur Nepals nichts über den Moch zu finden, die Wissenschaft sieht ihn als bloßen Aberglauben an. Für den „Moch“, den die Leute gelegentlich auf dem Boden liegend finden, gibt es aber eine Erklärung: Es ist ein besonders fester Teil der Eingeweide kleiner Vögel. Einige Raubvögel können diesen Teil ihrer Beute nicht verzehren und lassen ihn daher zu Boden fallen, wo er von den Menschen, die ihn finden, zur Verkörperung ihres Aberglaubens wird.

Bevor ich diesen Artikel verfasste, begegnete ich im Chaurjahari-Hospital in Rukum einer Frau, die wiederholt Kinder verloren hatte. Ihr Name war Keshari Singh, sie gehörte dem Sakla VDC (Village Development Committee) des Bezirks Jajarkot an und hatte nacheinander vier Kinder verloren.

Sie erzählte, ihr erstes Kind sei nach dem achten Monat zur Welt gekommen und acht Tage nach der Geburt verstorben. Ihr zweites Kind sei im siebten Monat geboren worden und innerhalb von vier Stunden verstorben. Das dritte Kind kam im sechsten Monat, das vierte im achten, und es lebte nur acht Stunden.

Nun war sie zum fünften Mal schwanger und versuchte, dieses Kind zu retten. Die letzten drei Male hatte sie die traditionelle Heilungsmethode angewendet, weil sie glaubte, vom Moch besessen zu sein, aber es brachte niemals Erfolg. Während dieser Schwangerschaft entschied sie nun, ins Chaurjahari-Hospital zu gehen, um ihr nächstes Kind zu retten.

Bei der weiteren Recherche traf ich auf eine andere Frau vom Bijayashowri VDC, die in ihrem Leben 18 Kinder verloren hatte. Derzeit hat sie zwei Kinder und ist die Ehefrau des Direktors einer der bekanntesten Schulen in Chaurjahri. Es gibt eine große Zahl von Frauen, die wiederholt Fehlgeburten erleiden, sich aber nie in einem Krankenhaus untersuchen lassen, weil sie glauben, vom Moch besessen zu sein.

So verlieren durch diesen Aberglauben Millionen von Frauen in Nepal ihre Kinder, Tag für Tag. Er ist eines der größten Gesundheitsprobleme in diesem Land, denn der tradierte Glaube führt dazu, dass viele Frauen wiederholte Fehlgeburten erleiden, die vermeidbar wären.

Es ist von allergrößter Wichtigkeit, durch Aufklärungskampagnen Informationen zu verbreiten, um den falschen Glauben an den Moch in Nepal zu eliminieren!

Kersari Singh

Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake

Credits

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Kersari Singh Bravo Aatma CC BY-SA 4.0
MOCH MOCH Bravo Aatma CC BY-SA 4.0