We’re family
Hanoi hat viel zu bieten – nette Teiche, tolle Tempel und Pagoden, und allen voran viele belebte Straßen und Gassen.
Aber was Hanoi wirklich ausmacht sind die Menschen hier. Die Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Offenheit überstrahlt alles andere.
Als ich gestern durch die Gassen ging sah ich einige Männer in ihr chinesisches Schach vertieft. Schüchtern näherte ich mich, um etwas mehr darüber zu erfahren. Es dauerte keine Minute, bis ich trotz vorsichtigen Verweises auf meine bevorstehenden Unterrichtseinheiten in ihren Kreis aufgenommen und auf ein Getränk eingeladen wurde. Auch ihr Essen teilten sie großzügig, und es war nicht einfach, die Gruppe nach wenigen Bissen und nur zwei Drinks wieder verlassen zu „dürfen“.
Ganz unweigerlich drängte sich mir die Frage auf, wo, wann & wieso diese Form der aufrichtigen Freundlichkeit in unseren Breitengraden verloren gegangen ist.
Besonders angenehm ist die Herzlichkeit und Spontanität, mit der einem die Hilfsbereitschaft gezeigt wird. „I’m sure you have a lot of other things to do“, versuchte ich den Tatendrang manchmal einzubremsen und bescheiden zu sein, doch darauf hörte ich oftmals voller Überzeugung “We’re family”. Dieser Satz steht auch für die Selbstverständlichkeit, mit der hier anderen Menschen geholfen wird und vermittelt vor allem auch das Gefühl, „einer von ihnen“, also Teil dieser „Familie“ zu sein.
Diese positiven Erlebnisse beflügeln natürlich auch meinen Tatendrang als Lehrer im Umgang mit meinen Studenten, die sehr engagiert und motiviert an meinen Unterrichtseinheiten teilnehmen. Ich fragte meine Schüler heute, ob sie mir von ihren Träumen und Zielen erzählen wollen. Bereitwillig bemühten sie sich, mir ihre Wünsche auf Englisch zu vermitteln. Und was sie erzählten, hinterließ einen tiefen Eindruck bei mir.
Ein Student erzählte mir davon, wie er nach dem Studium ein guter Techniker werden will, um eine Familie mit zwei Kindern gründen zu können und um sich vielleicht sogar irgendwann ein (für viele unerreichbares) Auto kaufen zu können. Ein anderer Student würde gerne Künstler werden und erzählt mir, wie er mit seinem Engineering-Studium Geld verdienen will, um dann endlich auch seiner Leidenschaft nachgehen zu können. „And if it’s your passion, you will succeed“, fügte er schüchtern hinzu und ich freue mich für ihn, dass er so motiviert ist und Träume und Ziele für sein Leben hat.
Am Bewegendsten waren zwei Studenten, die mir von ihrem armen Heimatdorf erzählten und den Bauern dort, die so hart arbeiten und so wenig Geld verdienen würden.
„My study is not important, it’s necessary. I want to earn money to improve my hometown“, schildern sie mir ihre Wünsche.
Am Heimweg überkommt mich der Wunsch, den Menschen noch weit mehr zu helfen, als nur durch ein paar Unterrichtseinheiten, angesichts der Armut und des tiefen Preisniveaus in Vietnam ist jede Hilfe hier sehr sinnvoll und das Gefühl die Menschen unterstützen zu wollen, wird noch größer, wenn man Kinder trifft. Nicht selten rufen sie einem ein freundliches „Hallo“ zu, winken und freuen sich, wenn man ihnen etwas Aufmerksamkeit schenkt.
Genau dieser heranwachsenden und nächsten Generationen zu helfen habe ich mir nun zum Ziel gesetzt. Mein Abschied aus Hanoi in zwei Wochen soll deswegen auch der Startschuss für ein Folgeprojekt sein, im Rahmen dessen ich bzw. der Verein für Soziale Gerechtigkeit mit einem Partner hier in Vietnam zumindest ein paar Kindern in ländlichen Gegenden ein Klassenzimmer ermöglichen wird, das diese Bezeichnung auch verdient.
Ich hoffe, es gelingt, denn …
„We are family!“
Sehr schoen. GRATULIERE