Wer scheitert, gewinnt
Unter dem Motto „Am Scheitern scheitert’s nicht!“ veranstaltete der Junge Senat des Senats der Wirtschaft zusammen mit manageers am 10.Mai eine Podiumsdiskussion und thematisierte damit eines der wertvollsten Mind-Shift-Themen unserer Zeit.
Das Scheitern hat viele Gesichter. Während beispielsweise in der Forschung und Entwicklung das alltägliche Scheitern im Rahmen von Versuchen ein notwendiges Element ist, haften dem Scheitern in der Gesellschaft und der Wirtschaft – mehr denn je – Stigmata an.
Der Psychologe und Fehlerforscher Olaf Morgenroth hat das Problem mit dem Scheitern gelungen auf den Punkt gebracht.
„Gerade in individualistisch orientierten Gesellschaften stellt Scheitern eine Bedrohung des Selbstwertes dar.”
Der Geist der Renaissance, die (Über-)Betonung des Individuums, scheint uns diesbezüglich mit dem Rücken zur Wand zu drängen. Aber ist das wirklich nötig?
Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass Scheitern ein Zusammenspiel aus innerer Wahrnehmung und den Bewertungen der Umwelt sei. Ich persönlich würde es sogar auf die innere Wahrnehmung reduzieren. Letztlich ist es völlig gleichgültig ob ein Mensch den anderen als “gescheitert” betrachtet, ausschlaggebend ist, ob sich dieser Mensch selbst als gescheitert betrachtet und wie stark er sich mit diesem Scheitern identifiziert, wie persönlich er es nimmt.
In dem Buch “Scheitern – Aspekte eines sozialen Phänomens” von Matthias Junge und Götz Lechner (Hrsg.) wird versucht, dem Problem auf den Grund zu gehen. So wird hinter den Stigmata des Scheiterns beispielsweise vermutet:
“[…] weil Scheitern das Gegenteil des Glücksversprechens der Moderne verkörpert: Alle Probleme sind lösbar, wenn man nur mit den Mitteln der Vernunft an ihrer Bewältigung arbeitet.”
Mit unseren unerreichbaren, illusorischen Erwartungen an uns und unsere Umwelt erzeugen wir letztendlich Angst. Angst vor dem Versagen, Angst vor dem Nichterreichen von Zielen, Angst vor dem Existenzverlust. Damit begibt man sich jedoch in Gedankenspiralen, die einen emotional und psychisch in die Tiefe reißen können. Die Wissenschaft ist sich des Problems bewusst und bezeichnet solche “dysfunktionale Kognitionen”, also schädliche Gedankenmuster, als Wegbereiter für Verzweiflung. Damit sind der überidealisierte Erfolgsdruck dem wir uns aussetzen und die daraus resultierende Angst Wegbereiter von Depression und Burn-Out. Wen wundert’s?
Scheitern ist scheiße. Um es mit den Worten eines guten Freundes auf den Punkt zu bringen. Ich persönlich glaube aber auch daran, dass uns Scheitern stärker machen kann und einer der Quellen unserer Erfahrung ist.
Ich wünsche mir, dass wir Systeme finden unser Scheitern synergetisch zu verwerten. Ein großes Vorbild für mich ist die Drupal Community. Weltweit über 1 Million Entwickler arbeiten mit einem webbasierten Project Management System an neuen Entwicklungen und Anwendungen. Dabei teilen sie offen ihre Erfahrungen, was anderen ermöglicht von ihren Fehlern zu lernen, oder bei neuen Ansätzen bereits gemachte Erfahrungen zu berücksichtigen. Dieser Erfahrungsaustausch macht nicht bei technischen Entwicklungen halt, sondern bezieht das gesamte, auch geschäftliche, Leben eines Drupal-Entwicklers mit ein. “Gescheiterte Projekte” werden somit wesentlicher Bestandteil der geistigen Infrastruktur.
Ich sehe Scheitern als Chance und betrachte mittlerweile sogar das gesamte Spannungsfeld zwischen Erfolg und Scheitern mit anderen Augen. Scheitern ist nicht nur eine alltägliche Erfahrung, sondern darüber hinaus im wahrsten Sinne des Wortes Persönlichkeitsentwicklung.
Deswegen sind Veranstaltungen, wie die eingangs erwähnte Podiumsdisussion des Senats, so wichtig und wertvoll für die “Evolution des Geistes”. Wenn wir für die Zukunft gewappnet sein wollen und wache Geister im Heute oder im Morgen wertvolle Ideen umsetzen sollen, ist unser Mind-Setting das einzig relevante, an dem wir arbeiten können. Weg vom falschen Stolz, hin zum gemeinsamen Agieren und Austauschen. In der Praxis ist es wichtig das motivierte Individuen solche Möglichkeiten bekommen sich auszutauschen und vor allem den Rahmen, in einem Umfeld von Gleichgesinnten zu netzwerken.
Lasst uns gemeinsam offene Gespräche über unsere Probleme und Tiefpunkte führen. Zollen wir denjenigen Respekt, die trotz ihrer Rückschläge nicht aufgeben. Denn: Mit dem Scheitern umzugehen kostet weit mehr Kraft als Erfolg zu haben. Auf den Erfolg hin zu arbeiten zehrt weit mehr, als den Erfolg erreicht zu haben.
Oder wie Nelson Mandela sagte:
“Der größte Ruhm im Leben liegt nicht darin, nie zu fallen, sondern jedes Mal wieder aufzustehen.“
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Wer scheitert, gewinnt! | Christian Avgulas | CC BY-SA 4.0 |