Wasserfälle von Iguaçu: Wo Gott seine Finger im Spiel hatte

Gesellschaft

„Das ist der Ort, an dem man spürt und sieht, dass Gott wirklich existiert.“ Mit diesem Satz überraschte mich ein Taxi-Fahrer in Gramado, der Weihnachtsstadt, als ich ihm von meinem Plan erzählte, die Wasserfälle in Iguaçu zu besuchen. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen, als ich von Florianopolis 15 Stunden über Nacht an die brasilianisch-argentinisch-paraguayische Grenze gefahren bin. Dass die Iguaçu-Wasserfälle den berühmten Niagarafällen in nichts nachstehen, konnte ich mir nur schwer vorstellen – bis sie nach einem horrend hohen Eintritt und einem kurzen Spaziergang plötzlich vor mir auftauchten und mir der Mund vor Staunen offen stand.

Schweißtreibende Hitze, knallende Sonne und zwei kleine Städte (Foz do Iguaçu (brasilianisch) und Ciudad del Este (paraguayisch)) auf jeweils einer Seite des Flusses, der den Ausgangspunkt der Fälle bildet, begrüßen die Besucher, die sich nur für die Cataratas (die Wasserfälle) und den Parque das Aves interessieren, ein Reservat und Park für exotische, heimische Vögel. Die Schwüle in Iguaçu ist fast unerträglich. Über durchschnittlich 22 Grad Celsius und fast 1900 Milimeter Niederschlag freut sich die fruchtbare Vegetation sicher mehr als der Mensch. Der kommt eigentlich nur außerhalb der Sommermonate Dezember, Januar und Februar. Die Gischt der beeindruckenden 275 einzelnen Fälle wirkt erholsam kühlend gegen die gleißende Sonne, die Anfang Dezember richtig sticht.

Blick auf die Cataratas von der brasilianischen Seite aus - und ich glücklich davor :)

Schon auf dem Erdweg hin zu den Metallstegen, die über dem Wasser auf brasilianischer Seite aufgebaut sind und wo man den Fällen ganz nahekommt, begegne ich Leguanen, Schlangen und einer Nasenbären-Familie, die sich an die ständigen Menschenmassen schon gewöhnt hat und unter den „Oh“s und „Ah“s der Besucher entspannt über den Weg schlendert. Der dichte Wald versperrt in weiten Teilen die Sicht auf die Fälle, die zu 80 Prozent auf argentinischer Seite liegen, aber von Brasilien aus am besten zu sehen sind.

Immer wieder gibt es Möglichkeiten, einen Blick auf die vielen Wasserfälle zu erhaschen, die aus 60 Metern wie eine Wand in das braun-graue Becken darunter stürzen. Dort unten wirken die Schlauchboote der Touristen wie Nussschalen, die sich ihren Weg auf dem Iguaçu-Fluss entlang der Wasserfallwand bahnen. Die Insassen mit gelben und durchsichtigen Regencapes, die ihnen – wie ich später selbst herausfinden werde – nur wenig nutzen.

Denn das Naturspektakel, das sich mir nach ein paar Minuten Spaziergang in der brennenden Hitze bietet, ist gigantisch. Foz do Iguaçu („großes Wasser“ in Guaraní, der einheimischen Sprache Paraguays, die noch weit verbreitet gesprochen und geschrieben wird) ist so beeindruckend, dass ich mich daneben ganz klein fühle und demütig werde – ob der Naturgewalt und diesem Wunder, das nicht von dieser Welt zu sein scheint.

Wenn nur die anderen Besucher nicht wären…

Über die Stege hoch über dem reißenden Iguaçu-Fluss werden Massen an Touristen zu den besten Aussichtspunkten auf der brasilianischen Seite der Wasserfälle geschleust. Alleine bin ich nirgends. Überall werden Fotos gemacht, Menschen schieben sich voreinander her bis hin zur letzten Plattform, von der aus der Ausblick offensichtlich am besten ist. Eine Minute am Geländer stehenzubleiben, um dem tosenden Wasser zu lauschen und die beeindruckende Schönheit zu genießen, ist unmöglich: Ständig drängt sich jemand neben mich, rempelt mich an oder ruft laut hinüber zu seinen Reisekollegen. Mir kommt die Frage, ob die Natur eigentlich Zeit hat, auch mal durchzuatmen, wenn sich täglich zwischen 8 und 18 Uhr durchschnittlich mehr als 4000 Besucher die sandigen Wege hochkämpfen?

Während ich dort stehe und versuche, das Spektakel in seiner ganzen Schönheit zu erfassen, erinnere ich mich an die Worte meines Taxi-Fahrers aus Gramado: „Das ist der Ort, an dem man spürt und sieht, dass Gott wirklich existiert.“ E verdade, wirklich wahr, nirgends könnte dieser Satz besser passen als hier. Und deswegen sind die Wasserfälle und die umliegende Landschaft UNESCO Weltkulturerbe und eines der sieben Naturwunder unserer Erde! Ich könnte ewig in die tosenden Fluten starren und einem großen Schwarm von Vögeln zuschauen, wie er darüber kreist. Unter ihnen reißt der Strom an Besuchern nicht ab.

Der „Teufelsschlund“ kündigt sich mit tosendem Gebrüll an

Tag zwei in Iguaçu startet so wie der erste endete: Heiß und sonnig. Weil die brasilianische Seite schön ist, die argentinische aber beeindruckend, mache ich mich auf und investiere nochmal ordentlich Geld in den Eintritt und die Fahrt mit einer langsamen Bimmelbahn durchs Gelände hin zu den Wasserfällen. Dort stehe ich nun auf der Plattform, zu der man über noch längere Stege gelangt, die über einen friedlich dahinfließenden, aber sehr breiten Fluss führen, in dem überall Bäume wachsen.

Langsam wird das Tosen lauter und dann plötzlich tut sich der Boden auf: Unaufhörlich stürzt das Wasser vom Teufelsschlund (spanisch Garganta del Diablo) aus einer Höhe von 80 Metern in die Tiefe. Und ich bin direkt daneben, darüber, mittendrin. Schon nach kurzer Zeit bin ich komplett nass, das Wasser auf der Kameralinse macht das Fotografieren zu einer Herausforderung. Foz do Iguaçu ist auf der brasilianischen Seite beeindruckend, aber absolut atemberaubend von der argentinischen. Auf einmal fließen die Tränen – Tränen der Dankbarkeit, der Freude über diesen Anblick und der Schönheit und Besonderheit dieses Orts.

Den restlichen Tag verbringe ich nicht am Wasser, sondern auf dem Wasser. Mit einem Schlauchboot geht es in rasanter Geschwindigkeit über den Iguaçu. Die Stromschnellen nimmt der Bootsführer zwar gekonnt, ein Abenteuer ist es dennoch. Auch wenn man so den Fluss nochmal auf eine ganz neue Art erlebt, ist der Ausflug fast ein bisschen enttäuschend, denn die großen Wasserfälle sehen oder hören wir nicht mal aus der Ferne. Die Dusche unter einem kleinen hingegen macht uns trotz Regencape bis auf die Unterwäsche nass.

Welch ein Erlebnis, welch ein magischer Ort.

Als der Bus nach drei Tagen Richtung Asunción in Paraguay fährt, begrüßt mich ein Sonnenuntergang, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Über eine Stunde lang verschwindet die Sonne am Horizont und taucht den Himmel in ein rotes Farbenspektakel. Über einem strahlenden Rotorange hängen dunkle Wolken in allen Formen und Ausprägungen, die nur schwer zu beschreiben sind. Unten hören die Wolken plötzlich auf, als hätte man sie abgeschnitten. Nach einer Weile kämpft sich die Sonne nochmal unter der Wolkendecke hervor und taucht die steppige Landschaft in ein mystisches Licht, bevor sie dann endgültig verschwindet und so dieses außergewöhnliche Erlebnis zu einem perfekten Abschluss bringt.

Dieser Artikel wurde erstveröffentlicht auf dem Blog Pillars of Truth.

Links:

https://iguazufalls.com/news/how-many-tourists-visit-the-iguazu-falls-every-year/ , Zugriff am 08.12.2024

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