Warum man sich selbst in den anderen sehen sollte
Ich benutze oft den Ausdruck: „Mein anderes Selbst“. Es könnte auch „dein anderes Selbst“ oder „deren anderes Selbst“ heißen.
Wer ist „mein anderes Selbst“?
Dafür gibt es eine einfache und gleichzeitig sehr komplizierte Antwort. Die Antwort ist einfach, denn wenn die Menschheit wirklich die Bedeutung des Wortes „Liebe“ kennen würde, dann wäre Gleichheit die Basis, auf die sich die moderne Gesellschaft gründet. Unglücklicherweise sind wir noch nicht an diesem Punkt; um also eine Antwort zu geben, müssen wir zum Anfang gehen, und zwar ganz zum Anfang.
Wenn du dich selbst ansehen willst, musst du dir einen Spiegel nehmen. So tat es auch Gott, Er schuf Sich einen Spiegel: Das sind wir, Seine exakte Kopie. Doch wenn ich von einer Kopie spreche, dann meine ich nicht den materiellen Aspekt, sondern unsere wahre Essenz: die Seele. Mein Meister sagt, die wichtigste Erkenntnis für eine Person, die auf der Suche nach der Realität der Dinge ist, sei diese:
Es steht geschrieben: „Gott schuf den Menschen nach Seinem Bilde.“ Können wir das wörtlich nehmen? Wenn Gott ein „Bild“, also ein Aussehen hätte, dann wäre er auch Grenzen unterworfen, jedoch ist Gott eine grenzenlose Energie. Er kann nicht in die Dimension des Dinglichen hinüberwechseln. Er steht über allem! Die materielle Welt ist ein Ausdruck der Seele, eine Welt, in der die Seele fähig ist, sich selbst zu erkennen.
So sind wir „der andere Teil Gottes“, der Teil, der für Ihn notwendig ist, um nachvollziehen zu können, wer Er ist. Dies ist der niemals endende Prozess des Lebens, dies ist Evolution.
Er schuf die Schöpfung gleich ihrem Schöpfer. Dies ist die Großartigkeit Gottes. Er erschuf nicht etwas, was geringer war als Er selbst. Was könnte ein besserer Beweis wahrer Liebe sein? Ich kann mir keinen vorstellen.
Und hier ist die Erklärung, warum ich sage „mein anderes Selbst“, wenn ich mich auf eine andere Person beziehe: Wenn Gott uns alle als Sein „anderes Selbst“ ansieht, dann kann ich nicht anders, als das selbe zu tun. Es gibt eine Geschichte, die ich gerne teilen möchte, eine Geschichte von Mutter Theresa. Sie erzählte:
Ich hatte das außergewöhnlichste Erlebnis mit einer Hindufamilie mit acht Kindern. Ein Mann kam zu unserem Haus und sagte: ‚Mutter Theresa, da ist eine Familie mit acht Kindern, sie haben schon so lange nichts mehr zu essen bekommen – tun Sie etwas!‘ Also nahm ich etwas Reis und ging sofort zu ihnen. Als ich diese Kinder sah, spiegelte sich in ihren Augen der Hunger. Ich weiß nicht, ob Sie jemals Hunger gesehen haben.
Ich sah ihn sehr oft! Als ihre Mutter den Reis von mir entgegennahm, nahm sie einen Teil davon und ging hinaus. Als sie zurückkam, fragte ich sie: ‚Wohin bist du gegangen? Was hast du gemacht?‘ Und sie gab mir eine sehr einfache Antwort: ‚Sie sind ebenfalls hungrig.‘ Was mich am meisten verblüffte war, dass ihr dies wichtig war – doch wer waren ‚sie‘? Es war eine andere, eine muslimische Familie – und sie war ihr wichtig. Ich brachte an diesem Abend nicht noch mehr Reis, weil ich wollte, dass sie die Freude des Teilens genießen konnten. Denn da waren diese Kinder, die Freude ausstrahlten, diese Freude mit ihrer Mutter teilten, weil sie ihre Liebe zu vergeben hatte.
Mutter Theresa war in der Lage, ihr „anderes Selbst“ in jeder Person zu sehen: in Bettlern, in Leprakranken, in armen Menschen, in den Ausgestoßenen, den Ungeliebten, denen, um die sich niemand kümmerte. Und sie gab ihnen die Liebe, die sie benötigten.
Wenn wir die Bedeutung des Wortes „Liebe“ verstehen wollen, dann muss die neue Entsprechung dafür sein: Ich bin dir gleich.
Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake
Credits
Image | Title | Autor | License |
---|---|---|---|
Alter Ego | yumikrum | CC BY 2.0 |