Warum Donald Trump das geringere Übel ist

Cruz & Trump
Politik

Die amerikanischen Vorwahlen sind  – vor allem auf republikanischer Seite – so spannend, so emotional wie schon lange nicht mehr. Selbst in Europa berichten die Medien mehr als je zu vor – oft mit einem leicht überheblichen Unterton, vor allem wenn es um so polarisierende Persönlichkeiten wie Donald Trump geht. Da sich das Rennen nach den Ergebnissen von gestern wohl auf einen Zweikampf mit Ted Cruz zuspitzt (der moderate John Kasich hat ebenso wie der jugendliche Marco Rubio nur mehr Außenseiterchancen), ist es Zeit, die beiden genauer und die Lupe zu nehmen.

Über Donald Trump gab es schon viel zu lesen, vor allem was seine verbalen Fehltritte betrifft: sei es seine unabschätzbare Position in der Außenpolitik (der Afghanistan- Krieg war mal ein Fehler, mal nicht; dem IS soll Freiraum gegeben werden, um Assad aus dem Weg zu räumen, Mexiko soll für eine Mauer an der Grenze zur USA selbst bezahlen), seine beleidigenden Äußerungen sowohl gegenüber Mitkonkurrenten, als auch gegenüber Frauen (berühtm ist mittlerweile seine Auseinandersetzung mit Megyn Kelly, einer Journalistin von Fox News) und Minderheiten (Mexikaner bringen Drogen und sind Vergewaltiger, Muslimen solle man generell die Einreise verweigern) oder seine Befürwortung von Folter (waterboarding sei ein legitimes Mittel, auch härtere Methoden sollten bei Terroristen eingesetzt werden) die er zwei Tage später wieder zurücknimmt. Ganz allgemein stellt man bei Trump fest, daß ihn eigene Äußerungen aus der Vergangenheit – und seien sie nur ein paar Tage alt – nicht wirklich interessieren. Seine Wähler offensichtlich auch nicht.

Angesichts dieser Aussagen verliert man seine wenigen richtigen Standpunkte, wie jene zu George Bush’s Irak-Krieg (der größte Fehler eines amerikanischen Präsidenten aller Zeiten, da dieser dem IS den Nährboden geliefert hat) oder seine Position zu Israel (er strebt einen erneuten Versuch an, zwischen Israel und seinen Nachbarn zu vermitteln – ein Gegensatz zu allen anderen republikanischen Kandidaten, die sich ohne wenn und aber an die Seite Israels stellen) schnell aus dem Blick. Trump ist Pragmatiker, Geschäftsmann, kein Politiker. Er scheut nicht davor zurück, (aus seiner Sicht) Mißstände anzusprechen oder Positionen zu vertreten, die in seiner eigenen Klientel möglicherweise nicht so gern gesehen sind (Kritik an Bush und an Mexiko – die Latinogemeinde wird auf Grund der demographischen Entwicklung eine immer wichtigere Wählergruppe und die – stark demokratisch orientierten – Schwarzen als wichtigste Minderheit ablösen). Und er ist ein Taktiker. Es ist davon auszugehen, daß er die Schärfe seiner Rhetorik dem gegebenen Anlaß anpaßt. Im Vorwahlkampf angriffslustig, wird er versuchen – wenn es um staatsmännisches Auftreten geht, um die Mitte zu gewinnen – sich der Erwartung entsprechend zu verhalten. Ob ihm das angesichts seines Temperaments tatsächlich wie geplant gelingt, bleibt abzuwarten.

 

Natürlich ist Trump aus Sicht eines gemäßigten Europäers keineswegs der beste Kandidat für das Amt, dennoch gibt es eine viel gefährlichere und radikalere Person auf republikanischer Seite – Ted Cruz. Er ist Mitglied der Tea-Party-Bewegung und derjenige, der sich am häuftigsten auf einen der angesehensten republikanischen Präsidenten beruft, nämlich Ronald Reagan. Und das nicht umsonst, denn er vertritt viele erzkonservative Ansichten: er will die amerikanische Steuerbehörde IRS abschaffen und eine 10%ige flat tax einführen, ist gegen jede Erhöhung des Mindestlohns und für eine starke Verkleinerung der Staatsverwaltung (zb will er das Bildungsministerium abschaffen). Er will Obamacare auflösen und mit einem etwas unausgewogenen Dreipunkteplan ersetzen (Trump will stattdessen eine finanzierbarere Gesundheitsvorsorge für alle Amerikaner). Für den Außenministerposten stellt er sich Leute wie John R. Bolton vor: einen glühenden Vertreter der amerikanischen Waffenlobby, der meint, die UNO sei unnötig, da es sowieso nur mehr eine verbliebene Supermacht gäbe, und der (wie nahezu alle republikanischen Kandidaten) den Atomdeal mit dem Iran sofort auflösen würde. Cruz vertritt eine stammrechte Anti-Abtreibungsposition (er ist gegen planned parenthood und nur dann für eine Abtreibung, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist – eine Vergewaltigung ist für ihn kein Abtreibungsgrund). Er ist für die Todesstrafe (eine Position, deren Popularität nachläßt) und für den uneingeschränkten privaten Waffenbesitz (für den er sogar einen filibuster, also eine Dauerrede im amerikanischen Senat, um Gesetze zu verzögern bzw verhindern, auf sich nahm – allerdings erfolglos). Als streng religiöser Mensch und Anhänger der Kreationismus hält er von Wissenschaft nicht allzu viel und meint, menschgemachte Klimaerwärmung sei eine Agenda der Umweltschützer aber nicht wirklich real. Als Vertreter der starken Öl-Lobby ist er Befürworter der von Präsident Obama auf Eis gelegten keystone pipeline. Bei der Berufung des durch den Tod von Antonin Scalia freigewordenen Höchstrichterpostens wünscht sich Cruz einen erzkonservativen Nachfolger und kündigt bereits einen weiteren filibuster an, sollte sich Obama erdreisten, noch während seiner Amtszeit diese Posten zu besetzen. Detail am Rande: momentan herrscht im Supreme Court bei insgesamt 9 sitzen ein 4:4-Patt zwischen liberalen und konservativen Richtern.

 

Außenpolitisch vertritt Cruz die Position eines militärisch und wirtschaftlich starken Amerika: Iran-Deal auflösen, Versöhnung mit Kuba rückgängig machen, Härte gegenüber Russland zeigen. Das Militär sei unter Obama zu Tode gespart worden, dieser Zustand müsse sich radikal ändern. In Bezug auf den IS konnte er sich scheinbar noch nicht entscheiden, ob er eher den Isolationisten oder den Interventionisten näher fühlt, also versucht er, das Schlechteste aus beiden Positonen zu vereinen. Auch zu den Bombenangriffen der Amerikaner in Syrien und dem Irak hat er ein gespaltenes Verhältnis.

Während man bei Trump auf Grund seiner Herkunft, seiner Berufslaufbahn (während der er immer mit Politikern beider Parteien verhandeln mußte) und seines Lebensmittelpunktes (New York) davon ausgehen kann, daß er nicht alle liberalen Standpunkte über Bord wirft, sobald er Präsident wird, steht bei Cruz schon fest, was man von ihm im weißen Haus erwarten darf: eine Auflage der neokonservativen bzw neoliberalen Politik von Ronald Reagan, deren vor allem wirtschaftspolitische Auswirkungen (Verteilung des Reichtums etc) bis heute spürbar sind.

Cruz hat sich schon innerhalb der republikanischen Partei dank seiner Halsstarrigkeit nicht allzu viele Freunde gemacht. Wie soll gerade er ein mittlerweile politisch stark gespaltenes Land vereinen bzw die Parteien wieder in die Lage versetzen, gemeinsam etwas für das Land zu erreichen ? Eher das Gegenteil ist zu erwarten: mit dem Senat und dem Repräsentantenhaus auf seiner Seite wird er vor allem in den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit die Uhr zurückdrehen – mit all den Auswirkungen für die Amerikaner und die Welt. Gegen diese Gefahr scheint mir ein Donald Trump, der zwar ein Rüpel und tough talker sein mag, aber dennoch ein gewisses Maß an Bodenständigkeit besitzt und sich auf viele auch liberale Berater verlassen wird (müssen), das geringere Übel zu sein.

Am Ende bleibt zu hoffen, daß weder der eine, noch der andere im November die Wahl gewinnt. Das wäre ein Sieg der Vernunft über Populismus. Dennoch sollte man vorbereitet sein, denn so instabil, wie die politische Landschaft momentan vor allem auf republikanischer Seite ist, kann im Herbst alles passieren.

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Cruz & Trump Cruz & Trump Gage Skidmore CC BY-SA 2.0

Diskussion (2 Kommentare)

  1. Alles schlüssig und gut nachzuvollziehen. Das Problem besteht allerdings darin, das DT eine Wundertüte ist – man kann kaum einschätzen wie er sich verhalten wird und wie viel Macht er dem Präsidentenamt zurückgeben( und nutzen) wird.

    Klar ist aber: Sanders scheint es nicht zu schaffen und Clinton will scheinbar hierzulande wirklich niemand – bleibt nicht mehr viel über…

  2. Ich denke, daß Trump, sollte er es tatsächlich schaffen, einen Haufen Experten um sich scharen wird. Als Pragmatiker wird er sich nicht von religiösen Motiven leiten lassen, wie Cruz.
    Interessant bei Sanders und Kasich ist, daß sie beide gegen alle Gegenkandidaten, die noch im Rennen sind, in der Wahl im November die besten Chancen auf einen Sieg hätten (im direkten Duell würde Kasich gewinnen), aber beide wohl nicht als Sieger der jeweiligen Primaries hervorgehen werden.