Vom Wert des Menschen – Braucht es ein BGE für alle?
Auf Grund der zahlreichen sozialen Verwerfungen, die die Corona-Maßnahmen weltweit mit sich bringen, ist das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) als eine mögliche Lösung wieder verstärkt in den Vordergrund getreten. Diesem zukunftsweisenden Thema nimmt sich dieser Gesprächsabend des BSA Döbling unter der Leitung von Mag. Maximilian Eberl an.
Dr. Barbara Prainsack, deren gleichnamiges Werk der Veranstaltung ihren Titel gab, sieht die Coronakrise als Katalysator für Entwicklungen, die schon davor vorhanden waren. Eine Mehrheit der Europäer – auch jene, die auf Grund ihrer finanziellen Lage ein gutes Leben führen können – wünschen sich eine gerechtere Verteilung von Vermögen. Die Zustimmung für das BGE steigt laut Umfragen ebenfalls stetig. Das BGE sei das beste Instrument, um das Menschenrecht auf ein würdiges Leben umsetzen zu können, so die Politikwissenschafterin. Es gäbe schon jetzt viele bedingungslose Leistungen des Staates (zB Bildung), die niemand in Abrede stellt; aber sobald es um Geldleistungen geht, scheint es noch immer weit verbreitete Vorbehalte zu geben. Andererseits gibt es das bedingungslose Einkommen in Österreich schon: nämlich für jene (wenige), die von den (gering versteuerten) Erträgen ihres Vermögens leben können.
Durch die individuelle Absicherung über das BGE fühlen sich Menschen stärker als Teil der Gesellschaft, meint Steven Strehl, strategischer Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins Mein Grundeinkommen. Der einfache Arbeiter, der nach 40+ Arbeitsjahren mit einer zu geringen Mindestpension sein Auskommen finden muss, sei für populistische Stimmen wesentlich anfälliger, als jemand, der über das BGE seine Grundbedürfnisse decken kann.
Für den Mitbegründer der Initiative Grundeinkommen in der Schweiz Daniel Häni eröffnet sich mit dem BGE die Möglichkeit, nicht immer nur an sich denken zu müssen (wegen der individuellen finanziellen Absicherung), sondern endlich auch an andere. Den Kritikpunkt der „sozialen Hängematte“ sieht der Unternehmer für überholt an: in der Coronakrise wird Geld verteilt wird, damit die Leute zu Hause bleiben und nichts arbeiten, obwohl viele Menschen wieder gerne arbeiten würden.
Die Kritik von linker Seite, dass durch das BGE der Sozialstaat ausgehöhlt oder gar abgeschafft wird, vertritt Oliver Picek, senior economist beim Momentum Institut. Ihn macht stutzig, dass neoliberale Wirtschaftstheoretiker wie Milton Friedman für dieses Konzept eintreten. Manche Mitglieder der Gesellschaft benötigen mehr Hilfe vom Staat (auf Grund der Lebenssituation, von Behinderungen etc), als sie das BGE bieten könnte. Auch wenn er dem BGE kritisch gegenübersteht: Den Diskurs für einen Ausbau der sozialen Absicherung, den es ausgelöst hat, begrüßt Picek. Wenn man von der Gesellschaft eine Leistung erhält, sollte man dafür auch etwas zurückgeben; deshalb ist er von der Bedingungslosigkeit nicht überzeugt. Auch stellt sich die Frage, ob jeder für sich (ohne Rücksicht auf andere) sein Leben gestalten können soll, oder ob es nicht auch eine gewisse gesellschaftliche Koordination zur Deckung der grundlegenden Arbeiten und Dienstleistungen braucht.
Es entwickelt sich eine spannende Diskussion, in der vor allem Oliver Picek kritische Fragen zum Konzept des BGE stellt (zB was die Finanzierung betrifft); die aber auch aufzeigt, wie die Idee im Hinblick auf viele heute relevante Gesellschaftsfragen anwendbar ist und Lösungen verspricht.
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