Vertrauen, Innovation und Verantwortung in multiplen Krisen
In der BSA-Online-Diskussionsrunde mit dem Titel „Vertrauen, Innovation und Verantwortung in multiplen Krisen“ suchen der Politikwissenschafter Reinhard Heinisch, die freie Journalistin und Autorin Margaretha Kopeinig, Walter Osztovics, Managing Partner bei Kovacs und Partners sowie Co-Autor der Arena-Analyse 2023 und der Generalsekretär der österreichischen Gesellschaft für Europapolitik Paul Schmid Antworten auf die Frage, welche Lehren aus den aktuellen Krisen gezogen werden können.
Margaretha Kopeinig hat in ihrem Buch „Vertrauen“ das Corona-Krisenmanagement von Wien mit jenem auf Bundesebene verglichen und bei ihren Recherchen festgestellt, dass das Vertrauen in die Politik im Lauf der Zeit immer weiter abgenommen hat; in Wien ist es allerdings im Hinblick auf den Bürgermeister gestiegen, weil er eine fakten- und wissenschaftsorientierte Krisenpolitik betrieben hat. Erschreckend sei allerdings das gleichzeitige Anwachsen der Staats- und Wissenschaftsfeindlichkeit, dem Glauben an Verschwörungstheorien sowie die unheilige Allianz von Coronaleugnern und Impfkritikern, die absolut kein Vertrauen mehr in die Politik haben. Die FPÖ hat hier aus ihrer Sicht ihren Beitrag vor allem durch das Verdrehen von Tatsachen geleistet.
Für Walter Osztovics gibt es kurzfristige Krisen wie Covid, die Energiekrise oder den Krieg in der Ukraine sowie langfristige Krisen wie beim Klima, am Arbeitsmarkt und die Demokratie betreffend. In Krisenzeiten wächst aber auch die Bereitschaft, Veränderungen zuzulassen: das ist die Chance aus der aktuellen Situation. Als Beispiel dafür nennt er den extrem beschleunigten Umstieg auf erneuerbare Energien.
Paul Schmid sieht durch die multiplen Krisen der letzten Jahre eine enorme Weiterentwicklung innerhalb der EU, weil die Verantwortlichen dadurch zum Handeln gedrängt worden sind. Die daraus gezogenen Lehren müssen auch umgesetzt werden, etwa im Rahmen einer „Gesundheitsunion“ beispielsweise in Bezug auf die Versorgungssicherheit mit Medikamenten. Wenn das Vertrauen in die regionale Politik nicht gegeben ist, dann ist es auch nicht für die EU vorhanden. Daran gilt es zu arbeiten.
Für Reinhard Heinisch bewirken große Veränderungen einen Vertrauensverlust in bestehende Systeme, die sich individuell auswirken, aber oft auch zu einer Verwechslung von Ursache, Symptom und Auswirkung führen. Daher haben jene Vorteile, die die Welt erklären und die Schuldigen ausmachen, konkret der politische Populismus. Das aber ist eine Vereinfachung, die den Tatsachen nicht gerecht wird, aber dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen entgegenkommt. Es handelt sich hier um ein weltweites Phänomen. Dagegen gibt es kein Patentrezept. Politische Entscheidungsträger müssen den Spagat zwischen reaktiver und verantwortungsbewusster Politik schaffen.
Walter Osztovics erläutert, dass sich in der Arena-Analyse herausgestellt hat, dass die EU vor Herausforderungen steht, die mit den aktuellen Marktmechanismen nicht zu regeln sind, es daher mehr Regulierung braucht. Märkte und Marktwirtschaft ermöglichen dann Wohlstand, wenn sie nicht völlig ungeregelt sind.
Margaretha Kopeinig stimmt dem zu, ein Zurück zu den neoliberalen Tendenzen, das hier und dort zu hören ist, scheint ihr der falsche Weg. Die Rolle des Staates müsse wieder eine aktivere werden. Die Kluft zwischen Arm und Reich müsse etwa durch eine Vermögenssteuer verringert werden.
Paul Schmid meint, dass der Staat gut beraten wäre, flexibler zu werden. Man solle alle Dogmen bei Seite schieben und sich quasi neu erfinden bzw. auf die Expertise von Fachleuten zurückgreifen, um die aktuellen Krisen zu bewältigen. Die Energiekrise hat staatliche Eingriffe notwendig und diese wieder salonfähig gemacht.
Reinhard Heinisch sieht ebenfalls die Notwendigkeit, dass der Staat das Gesetz des Handelns an sich ziehen muss. Im Gegensatz zu den USA tut sich die EU da aber schwer, weil sie kein Staat ist, sondern ein Zusammenschluss von einzelnen Nationalstaaten. Das ist ein strukturelles Defizit. Zudem haben Regierungen europaweit ein Problem, weil in der Krise viele Defizite des Systems und Fehler und Schwächen in der Umsetzung an die Oberfläche gekommen sind.
In weiterer Folge werden noch Fragen aus dem Publikum beantwortet.
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