Und plötzlich war mein Geld über Nacht nichts mehr wert!
Ungefähr vor zwei Monaten kündigte Indiens Ministerpräsident Narendra Modi an, dass Personen, die keine Steuern zahlen oder Schwarzgeld zu Hause horten, zur Reserve Bank of India (RBI) kommen müssten, um die Steuern nachzuzahlen und die dabei entstandene Strafe zu begleichen. Danach dürfte man noch etwas von diesem „schmutzigen“ Geld behalten.
Die meisten Menschen nahmen ihn nicht ernst. Zwei Monate später, genauer gesagt am 8. November, gab es eine weitere Ankündigung:
Von nun an könnte jeder nur noch bis zu 4.000 Rupien (54,80 €) am Tag eintauschen und 2.000 Rupien (27,40 €) am Geldautomaten abheben. Diese Restriktionen wären wegen der knappen Verfügbarkeit der neuen Zahlungsmittel nötig gewesen. Die Menschen hätten bis zum 30. Dezember Zeit, ihre 500- und 1.000-Rupien-Scheine umzutauschen.
Die Turbulenzen im Wirtschaftssystem Indiens sind im ganzen Land zu spüren; und die Mehrheit der Mittelschicht sowie die Menschen der unteren Schicht verstehen nicht, warum das alles so plötzlich geschieht. Außerdem sind manche Menschen nicht mit dem Bankensystem vertraut, was wiederum einen zusätzlichen Aufwand für sie bedeutet. Sie müssen Zeit investieren, um sich mit allem vertraut zu machen. Doch diese Zeit haben sie nicht, weil sie arbeiten müssen, um Geld für Essen zu verdienen.
All die Menschen, die Millionen und Billionen von Rupien in ihren Geldschränken haben, und dabei spreche ich nicht von weißem Geld, nein, eher vom Geld, das nicht nachverfolgt werden kann und von dem niemand weiß, woher es kommt oder wohin es geht – dieses Geld verwandelte sich über Nacht in nutzloses Papier. Am einen Tag waren sie reich und am nächsten nur noch Besitzer eines Haufens Papier mit den Zahlen 500 und 1.000 darauf. Das klingt ziemlich ironisch, oder nicht?
Aus der Perspektive ausländischer Touristen
Am 8. November waren wir in Pushkar, einem kleinen Ort in Rajasthan, am Rande der Thar Wüste in Indien. Wir holten uns etwas zu essen und wollten mit einem 500-Rupien-Schein bezahlen, weil das der einzige Schein war, den wir hatten. Der Kassierer sagte, dass sie dieses Geld nicht länger annähmen. Ich dachte, er beliebte zu scherzen, aber er beharrte darauf, dass wir später wiederkämen, um ihn mit 100-Rupien-Scheinen zu bezahlen.
Wir suchten das nächste Geschäft auf, und der Gesprächsverlauf war ähnlich wie jener zuvor; dort waren die Verkäufer aber so nett, uns die Einkäufe mitzugeben, und wir durften die Sachen am nächsten Tag bezahlen.
Uns waren die Hände gebunden, da wir kaum noch über gültiges Geld verfügten. Wir besaßen noch 700 Rupien (9,60 €), von denen nur noch 200 (2,75€) akzeptiert wurden; und mit Kreditkarte kommt man in Indien nicht weit.
Wie bezahlen wir unsere Unterkunft? Wie unser Essen? So viele Fragen gingen mir durch den Kopf. Und die wichtigste war „Wie kann ich für ein Zugticket bezahlen?“, weil ich ja weiter nach Südindien musste, um dort meinen Flug zu erreichen – schließlich lief mein Visum aus.
Wir gingen in jedes Geschäft im Ort, aber niemand wollte die 500-Rupien-Scheine umtauschen. Es hätte für sie nämlich weitere Probleme nach sich gezogen, da sie zur Bank hätten gehen müssen, um sie einzutauschen. Während wir umherirrten, sahen wir viele Menschen, die diskutierten, stritten, miteinander sprachen und sich über die momentane Situation lustig machten.
Schließlich fanden wir jemanden in einem Western Union Shop, der Kreditkarten annahm und uns dafür Bargeld aushändigte. Aber ganz offensichtlich schlug er Profit aus der Situation und verlangte eine Gebühr von 12%. Außerdem gab er uns fünf 100-Rupien-Scheine, und der Rest bestand aus 500-Rupien-Scheine – und somit „nutzlos“ in diesem besonderen Moment.
Mit diesem Geld konnten wir nur den Bus nach Jaipur – das ist die nächstgrößte Stadt in der Nähe – bezahlen. Wir hofften, dort einen Geldautomaten finden zu können. Dort war die Situation übrigens immer noch kritisch: Viele Geschäfte waren geschlossen, und die Straßen waren – für indische Verhältnisse – ziemlich leer. An jeder Bank stand eine Schlange mit fünfzig oder mehr Menschen, und das zu jeder Tageszeit.
Glücklicherweise werden in Indien Frauen (und auch Ausländer) bevorzugt – und so hatten wir schnellen Zugriff auf die Bank. Nun tauschten wir unsere 500-Rupien-Scheine. Doch das reichte nicht, und wir suchten weiter nach einem funktionierenden Geldautomaten. An diesem Tag probierten wir es bestimmt bei zwanzig verschiedenen Geldautomaten und auch in vielen weiteren Western Union Filialen.
Einfach aus Neugier steckte ich die Karte ein weiteres Mal ein und gab 2.000 Rupien ein – und es funktionierte wieder! Anscheinend galt das Limit von 2.000 Rupien pro Tag nicht für internationale Karten. Ich steckte die Karte noch ein drittes Mal rein, doch die Schlange hinter mir fing an, sich zu beschweren. Sie schienen zu befürchten, dass das Geld ausgehen könnte und sie dadurch mit leeren Händen heimgehen müssten. Also hörte ich auf und ließ sie an die Reihe kommen.
Als wir in Südindien, in Madurai, ankamen war die Situation ganz anders. Die Banken, Geldautomaten und Geschäfte waren aufgrund der Krise geschlossen. Wir befragten einige Menschen bezüglich dieser Geschehnisse – und hier zum Schluss nun die Reaktionen:
Übersetzung Englisch-Deutsch: Hannah Kohn
Credits
Image | Title | Autor | License |
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Banned in India | Sourabh Sharma | CC BY-SA 4.0 | |
500 & 1000 Rupee notes with subtitles by Sourabh Sharma | Sourabh Sharma | CC BY-SA 4.0 |
“ Glücklicherweise werden in Indien Frauen (und auch Ausländer) bevorzugt – und so hatten wir schnellen Zugriff auf die Bank. “
Gibt es da einen bestimmten Grund dafür, warum ein Mensch in der gleichen Notlage aufgrund eines zufällig angeborenen Geschlechts, bevorzugt wird?
Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass Menschen in der gleichen Gesellschaft, aufgrund eines Geschlechts oder der Hautfarbe (oder, oder, oder), benachteiligt werden?
In Indien werden Frauen (Touristen meistens auch) immer bevorzugt, unabgängig ob Notlage oder nicht. Sprich beim Anstehen verschiedener Schalter, Bankomats, etc.