Trauma und seine Folgen

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Meinung

Traumatisierte Menschen tragen ihr Leid meist sehr sichtbar mit sich – sie sind ständig krank und energielos, ängstlich und überfordert und leiden infolgedessen häufig an Suchterkrankungen, die sich zusätzlich in ihren Körpern niederschlagen. Ihre Lebensgeschichten sind Dramen der endlosen Wiederholung ewig gleicher Fehler, der Einsamkeit, der Suche an all den falschen Orten. Sie können aufgrund ihrer verringerten Belastbarkeit meist nur Teilzeitarbeit leisten, was sich monetär niederschlägt.

Was für andere normal ist (perfiderweise zählt dazu auch professionelle Hilfe), können sie sich oft nicht leisten und vereinsamen dadurch. Sie sind nervös und unkonzentriert, sie wirken asynchron mit allen anderen und verbreiten mit ihrer fatalistischen Weltsicht und ihren stummen Hilfeschreien schlechte Stimmung. Wieso kommen sie über das Erlebte nicht hinweg, wenn unsere Alltagserfahrung uns doch sagt, dass die Zeit alle Wunden heile?

Was ist eine Traumatisierung?

Trauma wird anders verarbeitet als jede andere Erinnerung

Es verblasst nicht, sondern bleibt wie eingekapselt frisch und unverändert in unseren Köpfen bewahrt. Paradoxerweise ist es dem bewussten Zugriff jedoch mitunter überhaupt nicht zugänglich, sondern tritt nur in Träumen oder unter Hypnose in Erscheinung. Häufig wird die Erinnerung plötzlich durch einen äußeren Reiz ausgelöst und beginnt, wie ein Film mitsamt allen Gefühlen des ersten Erlebens abzulaufen, ohne dass der Betroffene Kontrolle darüber hat.

So bringt auch das Sprechen über die Erfahrung keine Erleichterung, sondern löst stattdessen mit hoher Wahrscheinlichkeit solch ein Flashback aus, das wie eine Auffrischung wirkt und das Leid sogar noch vertieft. Trauma wird in einem Teil des Hirns gespeichert, der dem Intellekt nicht zugänglich ist, weshalb das Wissen, dass die Gefahr in der Vergangenheit liegt, den Schrecken nicht mildern kann.

Schlimmer noch: Tiefe Traumatisierung verändert die Verbindungen in unseren Köpfen so nachhaltig, dass Zeitempfinden, Konzentration und Lernfähigkeit ernsthaft beeinträchtigt sind.

Was sind die Folgen?

Betroffene scheinen in ihrem Leben oft festzustecken und die gleichen Fehler zu wiederholen. Mit dem Wissen um die gestörten Verknüpfungen von Intellekt und Gefühl (die beim Abspeichern und Bewerten neuer Erfahrungen gleichermaßen wichtig sind) wird dieses Rätsel verständlicher. So verwundert es auch nicht, dass Traumaopfer oft an Erinnerungslücken leiden oder die zeitliche Abfolge von Ereignissen durcheinanderbringen.

Besonders stark betroffen ist auch die Fähigkeit zur Entspannung. Ständige unwillkürliche Hypervigilanz (Überwachen der Umgebung auf mögliche Gefahren) treibt Betroffene im Laufe der Jahre bis zur völligen Erschöpfung. Da sich das Gefühl von Sicherheit niemals einstellt, erscheint die (mit dem Bedrohungsgefühl nicht in Einklang zu bringende) Alltagswelt bald unwirklich und kulissenhaft. Das Einzige, was sich noch real anfühlt, ist die schreckliche Erinnerung.

Eine Ablösung von der Realität, das Dasein als Schatten der Person, die man ursprünglich war, ist die oft beschriebene Konsequenz. Sämtliche Verbindungen zu den sorglosen Mitmenschen, die in einer gänzlich anderen Welt zu leben scheinen, verblassen. Die Betroffenen geraten seelisch, körperlich und wirtschaftlich in eine Abwärtsspirale, aus der sie aus eigener Kraft nicht entkommen können.

Wie entsteht eine Posttraumatische Belastungsstörung?

Todesgefahr ohne die Möglichkeit der Einflussnahme

Naturkatastrophen, Überfälle, Geiselnahmen, Zugunglücke und Ähnliches sind die Situationen, die man allgemein als Verursacher von Traumata kennt. Je nachdem wie resilient eine Person ist und wie sich ihre persönliche Erfahrung gestaltet (eingeklemmt, verschüttet, Zeuge von Verletzungen anderer usw.) und ob eine Möglichkeit bestand, die Lage zu beeinflussen, speichert nicht jeder Mensch eine Extremsituation auf die spezielle Art ab, durch die man noch jahrelang an den Folgen leidet.

Kurzum, Katastrophen müssen nicht zwingend zum Posttraumatischen Stress-Syndrom (PTSD) führen.

Vergewaltigung

So grauenhaft die Erfahrung selbst auch ist, der quälendere Aspekt sexueller Gewalt ist die Nachhaltigkeit, mit der sich dieser ultimative Angriff auf die Intimsphäre eines Menschen einbrennt. Die Integrität, das Gefühl vom Eigentum am eigenen Körper, wird den Opfern genommen. Sexualität und Terror sind für sie fest verwoben und erlauben keine Freude mehr an körperlicher Nähe.

Kriegseinsatz

Das „Kriegszittern„, ein Zustand, der alle klassischen Symptome von Trauma aufweist, wurde früher als Charakterschwäche und Feigheit gedeutet. Soldaten wurden rigoros bestraft oder gar an die Wand gestellt, falls sie vor Entsetzen buchstäblich nicht mehr stehen konnten. Spätere Generationen schickten solche Soldaten lediglich heim und überließen sie ihrem Schicksal (Arbeitslosigkeit, Alkoholismus usw.). Man konnte nicht zugeben, dass ein großer Teil der Zurückkehrenden vor den Trümmern eines Lebens stehen würde, in das sie nie mehr zurückfinden würden – wer würde mit solchen Aussichten schließlich noch in die Schlacht ziehen? Und mindestens ebenso brisant: Wer sollte für die anfallenden Behandlungskosten aufkommen, wenn man den Kriegseinsatz als definitiven Grund für psychologische Probleme anerkannte?

So wurde dieses Zugeständnis hinausgeschoben, so lange es nur irgend möglich war und bis die Statistiken den Zusammenhang schlichtweg unwiderlegbar zeigten – selbst jetzt wird noch argumentiert, dass eine Vorbelastung bestehen müsse, da ein robuster, gesunder Charakter mit der Situation allenfalls umgehen könne.

Aufwachen während einer Operation

Die grauenhafte Erfahrung, sich (durch muskellähmende Medikamente) nicht bewegen oder mitteilen zu können, während man Angst und Schmerz durchleidet, wird meist sofort vollständig verdrängt. Häufig äußert sich das Geschehene zunächst durch eine dem Patienten unerklärliche Depression. Erst viel später, wenn überhaupt, tritt eine klare Erinnerung zutage – oft erst im Zuge einer psychotherapeutischen Behandlung.

Wohl auch aufgrund der zeitlichen Verschiebung wurde diese erschreckend häufige Komplikation bis vor Kurzem in ihrer Folgenschwere vollkommen unterschätzt.

Geburtstrauma

Wer vor Einführung des „Rooming-in“ zur Welt kam, wurde seiner Mutter entrissen, bei grellem Licht allerlei lieblos durchgeführten Prozeduren ausgesetzt und dann – Welten entfernt von der lebenswichtigen Geborgenheit – in ein anderes Zimmer gebracht. Dies wirkt sich nicht nur auf die Bindung zwischen Mutter und Kind aus, sondern stellt auch eine tief eingebrannte Traumatisierung dar.

Die geschilderten Erlebnisse von Ufo-Entführungsopfern weisen übrigens so unübersehbare Parallelen zu den Vorgängen bei einer Krankenhausgeburt auf, dass hier die plötzliche Rückkehr und damit das erneute unmittelbare Durchleben einer traumatischen Erinnerung sehr wahrscheinlich ist.

Diese punktuellen Traumatisierungen können sich ohne Hilfe einschränkend oder gar vernichtend auf die weitere Lebensqualität eines Betroffenen auswirken. Noch schlimmer sieht die Lage aus, wenn das Trauma keinem bestimmten Ereignis zuzuordnen ist, sondern einem Menschen jahrelang jedes Sicherheitsgefühl genommen wird. Nicht nur die langwierigere Therapie, auch die Schwierigkeit einer korrekten Diagnose und nicht zuletzt die Reaktionen der Umwelt erschweren den Verlauf. Die Fortsetzung dieses Artikels wird dieses Thema eingehender behandeln.

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12435213794_e1419ac4a5_o 12435213794_e1419ac4a5_o Lorie Shaull CC BY-SA 2.0