Selbstheilung und Selbstzerstörung – Teil 1
Veranstaltungsdaten
- Datum
- 4. 4. 2017
- Veranstalter
- Mini-Med Studium
- Ort
- Van-Swieten-Saal der Medizinischen Universität Wien
- Veranstaltungsart
- Vortrag
- Teilnehmer
- Univ.-Prof. Mag. Dr. Wilfried Ellmeier, Institut für Immunologie, MedUni Wien
- Ao. Univ.-Prof. Dr. Clemens Scheinecker, Universitätsklinik für Innere Medizin III, MedUni Wien/AKH Wien
- Univ.-Prof. DI Dr. Hannes Stockinger, Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie, MedUni Wien
Am Dienstag, dem 4. April 2017, fand im Van-Swieten-Saal ein weiterer Termin der Mini-Med-Reihe statt. Über das Thema des Abends „Faszinierendes Immunsystem: Die Balance zwischen Selbstheilung und Selbstzerstörung“ referierten die drei Professoren Wilfried Ellmeier, Clemens Scheinecker sowie Hannes Stockinger.
Definition des Immunsystems und einige Zahlen
Prof. Ellmeier begann seinen Vortrag mit einer Erklärung des Immunsystems, welches aus Immunzellen bestehe. Besonders bedeutsam für das Immunsystem sei das Blut. Das Blut sei zwar rot aufgrund der Erythrozyten (die roten Blutkörperchen, verantwortlich für Sauerstofftransport, 85% aller Zellen des menschlichen Körpers), beinhalte aber unter anderem auch weiße Blutkörperchen, sogenannte Leukozyten. Diese schützten uns als Teil des Immunsystems vor Pathogenen. Da Blut überall im Körper zirkuliere, seien auch diese überall im Körper zu finden. Von den Leukozyten seien ca. 4.000-10.000/μl Blut (im Vergleich: rote Blutkörperchen gibt es ca. 4-7 Mio/μl Blut) vorhanden. Wenn man dies hochrechne (auf ca. 5-6 Liter Blut) komme man ebenfalls in einen Milliardenbereich von Zellen. Zu den weißen Blutkörperchen in der Zirkulation gehörten unter anderem die Lymphozyten, Granulozyten, Monozyten (sog. „Blutimmunzellen“). Unterschiedliche Organe beinhalten ebenfalls Immunzellen, dazu gehören die Makrophagen, dendritische Zellen und Mastzellen.
Neben dem Blut (Blutimmunzellen) gäbe es wie erwähnt bestimmte Organe, in denen eine Vielzahl von Immunzellen vorkämen.
Dazu gehörten beispielsweise die sog. Lymphknoten und die Milz. Weiters gäbe es viele Immunzellen in genau jenen Bereichen, die in großem Austausch mit der Umwelt stünden. Dazu gehörten die Mundschleimhaut, die Nase, die Lunge und auch der Darm. Ein weiteres Organ, das voller Immunzellen sei, sei die Haut.
Aufgaben der Immunzellen
Zu den Immunzellen gehören:
- Neutrophile – diesen sei es möglich, Pathogene aufzufressen (Fachbegriff: „Phagozytose“).
- Makrophagen – auch dies seien wichtige Fresszellen
- Dendritische Zellen – Zellen mit Fortsätzen („Dendron“ von lat. „Baum“)
- Lymphozyten – von denen gäbe es unterschiedliche Arten:
- B-Lymphozyten/B-Zellen – diese produzieren Antikörper
- T-Lymphozyten/T-Zellen – dazu gehörten T-Helferzellen (helfen B-Zellen beim Erzeugen von Antikörpern) und T-Killerzellen (können andere Zellen abtöten, z.B. bei Virenbefall der Zelle)
Entstehung der Immunzellen
Und wie geht es dann weiter?
Nach der Entstehung strömen die Immunzellen aus dem Knochenmark und dem Thymus aus und wandern in die unterschiedlichen Organe, z.B.:
- das lymphatische System
- Blutgefäße- und Blutsystem
- die Lymphknoten
- die Milz
- den Darm
Immunzellen sei es möglich, fremde Pathogene zu erkennen – hier spielten insbesondere T-Zellen sowie dendritische Zellen („antigenpräsentierende Zellen“) eine wichtige Rolle. Den dendritischen Zellen sei es dabei möglich, Fragmente des Antigens auf der Oberfläche zu präsentieren (Anmerkung der Autorin: Bei Antigenen handelt es sich um Merkmale – meist Eiweiße, Kohlenhydrate oder Fette bzw. andere komplexe Moleküle – auf der Oberfläche von Pathogenen). Jene T-Zellen, welche das Antigen erkennen, vermehren sich daraufhin und können dann ihre Funktion ausführen.
Zell-Zell-Kommunikation
Dies sei nur über die Kommunikation mit anderen Zellen möglich. Kommunikation zwischen Zellen sei über das Freisetzen bestimmter Botenstoffe („Zytokine“) möglich. Dabei handele es sich um lösliche Eiweiße. Seien in der Umgebung Zellen vorhanden, welche diese Eiweiße aufgrund ihrer Oberflächenrezeptoren („Empfänger“) erkennen könnten, so gelinge die Kommunikation zwischen beiden. Die dabei ausgetauschte Information könne unterschiedlichster Art sein:
- „Bitte aufwachen und arbeiten!“
- „Bitte teilt euch!“
- „Bitte produziert Antikörper!“
- „Bitte aufhören, es ist genug!“
Prof. Ellmeier beendete seinen Vortragsschwerpunkt mit der Betonung, dass die immunologische Forschung einen der fünf Forschungsschwerpunkte der Medizinischen Universität Wien darstelle.
Als zweiter Referent trat Prof. Hannes Stockinger ans Podium, um über die spezifischen Abwehrmechanismen zu sprechen.
Die B- und T-Zellen gehören zum erworbenen bzw. voraussehenden Immunsystem.
Die immunologische Synapse
Die Lösung dieser Immunfehlfunktionen werde in der sog. „immunologischen Synapse“ vermutet. Dabei handele es sich um die „Kusszone“, in welcher die antigenpräsentierende Zelle („dendritische Zelle“) das Antigen (Oberflächenmerkmal) den T-Zellen präsentiere. Diese benötigten einen „Zünder“ zur Reaktion. Das Pathogen müsse also von der dendritischen Zelle verarbeitet werden, um die T-Zelle zum Wachstum und zur Entwicklung zur T-Killerzelle anzuregen.
Am Beispiel der Haut sei die Wichtigkeit der dendritischen Zellen gut zu sehen. Dabei stünden die Zellen so dicht, dass kein Pathogen diese Barriere überwinden könne, also nichts passieren könne. Bei Verletzungen und folglichem Eindringen von Pathogenen würden die dendritischen Zellen rasch reagieren, das Antigen des Pathogens präsentieren und zur sofortigen Aktivierung der T-Zellen führen.
In den letzten Jahren sei man diesbezüglich relativ erfolgreich geworden. Unterschiedliche Pathogene, aber auch Krebszellen hätten sich diese Hemmer „ausgeborgt“ und versuchten damit die natürlichen menschlichen Immunzellen zu hemmen. Seit ungefähr 2013 läge das Prinzip der sehr erfolgreichen Krebstherapie der Melanome („schwarzer Hautkrebs“), Lungenkarzinome sowie – derzeit in Erprobung – Kolonkarzinome („Dickdarmkrebs“) in der Hemmung dieser Hemmung (durch die Krebszellen). Durch die Hemmung der Hemmer würden die T-Zellen beginnen, sich zu T-Killerzellen weiterzuentwickeln und mit der Zerstörung der Krebszellen beginnen.
Die Rezeptoren
Zur Zerstörung eines Feindes müsse man diesen auch erkennen können. Dafür hätten alle Zellen (z.B. Makrophagen, Granulozyten und dendritische Zellen) sogenannte Erkennungsstrukturen an der Oberfläche – diese würden (siehe oben) als „Rezeptoren“ bezeichnet. Die Zellen der Makrophagen, Granulozyten und auch der dendritischen Zellen hätten einige wenige „keimbahndeterminierte“ (Anm. der Autorin: bereits vorgeburtlich in der Genetik angelegte) Rezeptoren – das heißt, auf unserer DNA befände sich ein Genstück, welches in ein Protein übersetzt („transkribiert“) werde.
Bei den B- und T-Zellen sei dieser Vorgang völlig anders und lange nicht verstanden worden, so Prof. Stockinger. Diesen sei es möglich, eine unendliche Zahl an Rezeptoren in ihrer Vielfalt herzustellen. Wie das funktioniere, wisse man nicht ganz genau. Den B-Zellen sei es zudem möglich. ihre Antigenrezeptoren noch in löslicher Form abzugeben, diese würden dann „Antikörper“ genannt.
Wodurch werde nun so ein Antikörper ausgelöst? Die Auslösung erfolgt durch ein Pathogen (genauer: dem/den Antigen/en auf dem Pathogen).
Nun gäbe es aber Millionen von Pathogenen – wie sei es möglich, dass die B- und T-Zellen so viele unterschiedliche Antigenrezeptoren herstellen könnten? Der Mensch besitze ja „nur“ 22.000 Gene und somit ein beschränktes Genom.
Wer dieses Geheimnis gelüftet hat, wie es es B- und T-Zellen möglich ist, eine viel größere Antigenrezeptorvariabilität zu erreichen – das und vieles mehr gibt es im 2. Teil über das menschliche Immunsystem zu erfahren.