Realität und Perspektive: Die heutige Globalisierung und die Zukunft – Endre Kiss

Gesellschaft

Der Philosoph und Kulturhistoriker Endre Kiss, Professor am Lehrstuhl für Philosophiegeschichte der Philosophischen Fakultät der Eötvös-Loránd-Universität (Budapest/Ungarn) widmet sich in seinem Vortrag den Auswirkungen der von ihm kritisch betrachteten, seit 1989 in die Welt gesetzten Globalisation, die anfangs utopisches Potential hatte.

Aktuell existiert für Kiss im Gegensatz zu früher eine permanente Brücke zwischen Gegenwart und Zukunft. Bis ins 18. Jahrhundert war die Zukunft sehr weit weg, jene Epoche war die Blütezeit des utopischen Denkens. Aus seiner Sicht ist es aufgrund dieser ständigen Verbindung der beiden Bereiche umso wichtiger, über die Zukunft zu reden.

An den Anfang seines Vortrags stellt Endre Kiss drei Thesen:

1.) durch den steten Wechsel der drei großen Familien des politischen Denkens (konservativ-nationalistisch, liberal und sozialistisch) bildet sich keine optimale integrative Ideologie heraus, die der modernen Gesellschaft entsprechen kann

2.) Marktverhältnisse und Gesellschaft sind in einem permanenten Kampf, in der „Teufelsmühle des Kapitalismus“ wird Gesellschaft zerstört

3.) es gibt keine „eine Gesellschaft“ sondern die Existenz eines „imperialen Gefüges“, der Imperialismus ist also nicht – wie 1989 geglaubt – obsolet, sondern hat sich bloß gewandelt

In weiterer Folge geht der Philosoph auf drei große Herausforderungen der Gegenwart ein. Da ist zum einen das Klima: Das Verhältnis von Natur und Gesellschaft habe sich umgekehrt. War die Natur früher das Ewige und stand die Gesellschaft für einen ständigen Wandel, so gilt Natur heute als „die Bewegung selbst“, während sich die Gesellschaft im Stillstand befindet.

Des weiteren ist da Covid-19. Diese Situation käme gelegen, um eine Transformation der gesellschaftlichen Gruppen zu ermöglichen. Hier profitiere aber vor allem die Elite, die nun machen dürfe, was sie sich früher niemals getraut hätte, etwa Geld ausgeben, Grenzen schließen und Massenkundgebungen verbieten.

Zum dritten zeige sich eine Teilung der Bevölkerung in „drei Gesellschaften“: die Elite, die als Siegerin von 1989 alles erhalten habe, was man erhalten konnte; der Teil, der im Geist von 1989 für eine offene, freie Gesellschaft mit Demokratie und Menschenrechten eintritt; und letztendlich eine dritte Gruppe, nämlich jene, die sich selbst überlassen seien und sich in einem nicht organisierten Kampf gegen die Elite in relativ amorphen Massenkundgebungen zu Wort melden.

Abschließend geht Kiss in seinem Vortrag noch auf das „Bedingungslose Grundeinkommen“ ein. Für ihn ist es ein „Phänomen mit 100 Gesichtern“, das dennoch die Chance habe, die Rolle der aktuell fehlenden integrativen Ideologie in der Gesellschaft zu übernehmen. Ebenso spiele es eine wichtige Rolle in der Versöhnung von Marktverhältnissen und sozialem Selbstschutz sowie zwischen der Elite und der dritten Gesellschaftsgruppe durch das Schaffen von finanziellen Realitäten. Für die Herausforderungen der Gegenwart sieht Endre Kiss durch das Grundeinkommen nur für die Covid-19-Krise Lösungsansätze, den Imperialismus und auch den Klimawandel wird es nicht zu lösen im Stande sein. Zudem befürchte er, dass die Finanzierung wohl eher nicht über das Steuersystem, sondern viel eher über das „Anwerfen der Druckmaschinen“ finanziert werden würde.

In der nachfolgenden Diskussion stellt sich der Vortragende dann den Fragen der Hörerinnen und Hörer.

Credits

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Vortrag-Endre-Kiss-Zukunftskonferenz-2021
Ende Kiss – Die heutige Globalisierung und die Zukunft Wolfgang Müller CC BY SA 4.0