Pressekonferenz: Die Drittelbeschwerde zum Staatsschutzgesetz ist unterzeichnet
Der Montag, 27. Juni 2016 geht bedeutsam in die Geschichte ein: Um 10 Uhr fand eine Pressekonferenz im Presseclub Concordia statt, in der die Drittelbeschwerde zum Staatsschutzgesetz nicht nur erklärt und diskutiert, sondern auch signiert wurde, um weiters beim Verfassungsgerichtshof eingebracht zu werden. Aktiv beteiligt daran und anwesend waren Dr. Walter Rosenkranz (Klubobmann Stv. der FPÖ), Dr. Peter Pilz (die Grünen), Mag. Ewald Scheucher und Dr. Christof Tschohl, die Juristen von AKVorrat, die sich heute zu Wort meldeten.
Dr. Peter Pilz, Nationalratsabgeordneter der Grünen, beginnt seine Wortmeldung, indem er den Gang zum Verfassungsgerichtshof auf gemeinsamem Wege mit der FPÖ als besonders wichtig sieht: Das Staatsschutzgesetz sei so, wie es ist, misslungen. Sein ursprüngliches Ziel, nämlich Österreichs BürgerInnen vor Terrorgefahren zu schützen, wurde leider nicht erreicht. Er sieht die „Heuhaufen der Verdächtigen“ nur noch vergrößert, um „irgendwelche Nadeln darin zu finden“. Sein zweiter großer Vorwurf besteht darin, dass die Überwachung, wie sie derzeit möglich ist, die Grundrechte und den Schutz der BürgerInnen verfassungsmäßig verletzt.
Pilz führt konkret das Beispiel eines „Hasspostings“ via Social Media an – wenn es nämlich darum geht, einen Personenkreis zu definieren, der beispielsweise mit dschihadistischem Gedankengut zu tun haben könnte: Da würde es Beamten durch das derzeitige Staatsschutzgesetz bereits im Vorfeld möglich gemacht, mit allen Mitteln Menschen überwachen, von denen man annehmen könnte, sie würden in den Personenkreis eines „Hassposters“ fallen. Wenn man weiter bedenkt, wieviele Kontaktpersonen da noch zusätzlich überwacht werden müssten und dies auch noch ohne richterliche Kontrolle geschieht, so würde es sich in weiterer Folge um die Anvisierung unbestimmter Personen handeln, die am Ende gar nichts mit diesem Thema zu tun haben und eigentlich unschuldig sind. Niemand würde übrigens über die Weitergabe der Daten erfahren – und das sei Realität, so Pilz.
Das Innenminsterium habe es leider verschlafen, dass es bereits österreichische StaatsbürgerInnen gebe, die die relevanten Muttersprachen sprechen, die Kulturen verstehen, jene für gezielte Überwachungen ausgebildet werden könnten und wichtig dafür wären, Terror wirklich zu bekämpfen.
Gerade in diesem Zusammenhang sei es besonders bedenklich, dass es dafür keinen Rechtsschutz gibt. Er betont hier insbesonders die „Unbestimmtheit“. Bei diversen „Spitzeln“ handle es sich übrigens zumeist um Polizeispitzel aus der „Szene“, die selbst gerne „Polizei spielen wollen“, vielleicht sogar um Dschihad-SympathisantInnen oder um rechts-/linksextreme TerrorismusanhängerInnen. Und genau das bedeutet eine Verletzung unserer Bundesverfassung. Aus diesem Grunde haben die FPÖ, die Grünen und der AK Vorrat vereint beschlossen, gemeinsam zum Verfassungsgerichtshof zu gehen und nicht nur gegen einzelne Bestimmungen vorzugehen. Das Ziel einer Observation müssen tatsächliche Gefährder der Republik sein, die einen ernsthaften politischen Hintergrund pflegen, und nicht einfach nur „Hassposter, Tierschützer oder Fußballfans“. Pilz ist zuversichtlich hinsichtlich eines positiven Ergebnisses für Österreich.
Dr. Walter Rosenkranz, Klubobmann Stv. der FPÖ, setzt die Konferenz fort und geht näher auf den Rechtsschutz ein: Man habe zu Anfang das Staatsschutzgesetz für Institute der Infrastruktur als wichtiges Instrument betrachtet. Das sei der Grund dafür gewesen, so früh eingebunden gewesen zu sein. Weiters habe man zu einem früheren Zeitpunkt an einen neuen Weg der Koalition geglaubt. Was allerdings nach einem Monat rausgekommen sei, sei nicht das gewesen, wonach man gestrebt hätte. Wenn nämlich in Grund- und Freiheitsrechte eingegriffen wird, dann müsse es dafür auch einen entsprechenden Rechtsschutz geben. „Das ist in diesem Gesetz nicht der Fall“, so Rosenkranz.
Auffassungsunterschiede zwischen Grünen und FPÖ gab es seines Erachtens nach nur darin, dass die Grünen das Richteramt im Vordergrund gesehen haben, die Blauen aber für eine eigene Rechtsschutzinstanz plädierten. Was dabei herausgekommen sei: ein Senat. Die bisherigen Staatsschutzbeauftragten bilden einen Senat für Ausnahmefälle, und das sei schlichtweg ein verfassungswidriges und qualitätsloses Vorgehen.
Rosenkranz stimmt Pilz auch zu, es als notwendig zu sehen, zum Verfassungsgerichtshof zu gehen. Es gehe weiters nämlich um die „unbestimmten Gesetzesbegriffe“, die im Staatsschutzgesetz verwendet werden und mit denen der beste Rechtsschutz auch gar nicht agieren könne; sämtliche Formulierungen können nicht nachvollzogen werden, und dabei entstünden nur „Kraut und Rüben“. Man könne auch nicht einfach nur einen fehlerhaften Paragraphen reparieren. Deshalb gibt es, so der Klubobmann Stv. der FPÖ, nur eine Möglichkeit: Das komplette Gesetz muss zurück an den Start geworfen und die Gesamtaufhebung des Gesetzes angestrebt werden. „Es ist ein schlechtes Gesetz, das massiv in die Interessen der Bürger eingreift“, meint Rosenkranz.
Der Anwalt Mag. Ewald Scheucher, AK Vorrat, übernimmt das Wort und verweist auf den zweiten Jahrestag, als die Vorratsdatenspeicherung zu Fall gebracht wurde. Er zeigt sich weiters zuversichtlich, dass sie auch wieder genauso wie beim letzten Mal erfolgreich sein werden. Diesmal hat man nämlich auch noch einen sicheren Weg gewählt. Es reicht nur ein Drittel der Abgeordneten, um das Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Der 27. Juni 2016 ist jener wichtiger Tag, an dem die Drittelbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht wird. Es stellt sich für ihn nun die Frage, ob es dem Verfassungsgerichtshof reicht, was vorgebracht wird und ob es zu einer nicht öffentlichen oder zu einer öffentlichen Sitzung kommen werde, um eine finale Entscheidung zu fällen.
Zu beachten ist auch, so Scheucher, dass der Verfassungsgerichtshof ein „negativer Gesetzgeber“ ist, d.h. seine Funktion ist es nicht, die eine oder andere Bestimmung einfach nur abzulehnen. Beim Staatsschutzgesetz handelt es sich um einen verfassungsgefährdenden Angriff und er sei unzureichend definiert, meint der Experte. Es verletzt z.B. auch Baugesetze, insbesondere das rechtsstaatliche Prinzip, zumal es keinen Rechtsschutz gibt. Als weiteres Problem sieht der Anwalt den Missbrauch der Grundrechtsbestimmungen, und da begebe man sich bereits abrutschend von einem liberalen Rechtsschutz in einen Polizeistaat. Scheucher betont letztendlich, dass es aber für jeden Staatsbürger / jede Staatsbürgerin möglich sein sollte, den Staat auf Distanz halten zu können.
Dr. Christof Tschohl vom AK Vorrat stellt sich schließlich als Co-Autor der Beschwerde vor und weist sodann auf den Inhalt der Beschwerde hin: Man dürfe die Bestimmungen einfach nicht als isoliert betrachten. Die Challenge sei es, so der Anwalt, die ganze Sache auch zu Ende zu denken. Als zentrales Problem im Staatsschutzgesetz führt er das Spitzelwesen und die Vertrauensleute an: Es gibt bereits Vertrauensleute, doch nun käme hinzu, dass diese Leute weiters beauftragt würden, bereits im Vorfeld eine Ermittlung zu machen. Und wenn so ein „Spitzel“ nun die Grenze überschritten habe und es dann vielleicht in weiterer Folge um eine „Tatprovokation“ handle, komme es am Ende möglicherweise nicht zu einer Verurteilung. Man könnte nämlich einwenden, zu dieser Tat angestiftet worden zu sein. Deshalb sieht er die Botschaft einer Gesamtrechnung der Überwachungssituation als unumgänglich. Tschohl gibt die Deadline für den HEAT mit Mitte August 2016 bekannt. Da würden sie die Gesamtrechnung, eine Checkliste sowie eine Reparaturanleitung mitliefern und man könne nur darauf hoffen, dass es im Parlament neue Gespräche geben würde, um alle Kriterien, auch in den künftigen Gesprächen im Parlament, berücksichtigt würden.
Pilz und Rosenkranz wurden während der Konferenz von den Journalisten gefragt, ob es sich da um einen „Paarlauf“ beider Parteien handelt: „Das ist kein ‚Paarlauf‘ – das ist eine Notwehrgemeinschaft“, so Pilz. Es habe sich schon lange angekündigt, dass dies die einzige Möglichkeit ist, etwas gegen das aktuelle Staatsschutzgesetz zu unternehmen. Rosenkranz widerspricht dabei nicht: „Wir können es uns nicht aussuchen – wir sind verpflichtet dazu.“
Auf die Frage, wie lange die finale Entscheidung dauert, verkündet Scheucher, dass er frühestens mit 2017 rechne, denn es könne aufgrund der Komplexität der Prozesse nicht schneller gehen. „Man sollte das nicht übers Knie brechen“, so der Wirtschaftsstrafrechtexperte. Der Gesetzgeber werde genau arbeiten, in die Tiefe gehen, werten und würdigen, und die Aufhebung auch begründen und rechtfertigen müssen.
Und nun passiert es am 27. Juni 2016, gegen 11 Uhr Vormittag: Die Beteiligten unterschreiben die Drittelbeschwerde. Ein Schritt in Richtung Freiheit. Ein bedeutsamer Tag.
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Pressekonferenz: Die Drittelbeschwerde wird unterzeichnet und gelangt weiter zum VfGH | Werner Reiter | CC BY 4.0 |
Super Bericht!
Danke, Fred!