Christof Tschohl über das Polizeiliche Staatsschutzgesetz (PStSG)
Seit Juli 2016 ist das Polizeiliche Staatsschutzgesetz (PStSG) in Kraft, das den Sicherheitsbehörden schon bei geringem Anfangsverdacht weitreichende Handlungsvollmachten zugesteht. Viel zu weitreichend meint Christof Tschohl, Jurist und Obmann der Datenschutzorganisation epicenter.works (vormals AKVorrat). Allzu schnell werde hier mit schweren Geschützen aufgefahren und der Grundsatz der Verhätnismäßigkeit verletzt. Demgegenüber sei die richterliche Kontrolle, trotz einiger Verbesserungen am ursprünglichen Entwurf, schwach ausgeprägt und lasse sehr zu wünschen übrig.
Einen besonderen Sündenfall erblickt der Datenschützer und Rechtsexperte im Einsatz sogenannter V-Leute: Personen, die keiner Polizeieinheit angehören, sondern vielmehr selbst den observierten Szenen zuzurechnen sind, können nun als Informanten in Ermittlungen eingebunden werden. Das warnende Beispiel der gänzlich aus dem Ruder gelaufenen NSU-Affäre im benachbarten Deutschland sollte vor Augen führen, welche Gefahren solche Methoden in sich bergen.
Insgesamt sieht Tschohl uns mit rasantem Tempo in Richtung totaler Überwachung unterwegs. Zudem stellt er die Tauglichkeit der Mittel stark in Zweifel, durch die Einschränkung der Bürgerrechte sei keineswegs mehr Sicherheit zu erreichen. Auch sei noch nie untersucht worden, welche Auswirkungen die bereits gültigen Regelungen mit sich brachten. In diesem Zusammenhang verweist Tschohl auf das von epicenter.works Herbst 2016 veröffentlichte Handbuch zur Evaluation der Antiterrorgesetze (HEAT), das sich wissenschaftlich mit einer Überwachungsgesamtrechnung auseinandersetzt.
Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen: Die Rechtsexperten von epicenter.works haben eine Beschwerde gegen das Polizeiliche Staatsschutzgesetz formuliert, die durch die Parlamentsklubs von FPÖ und Grünen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingebracht wurde. Die Entscheidung steht zurzeit noch aus.
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