Natürliche Ressourcen aus Konfliktgebieten

Fairphone
Wirtschaft

Veranstaltungsdaten

Datum
29. 6. 2016
Veranstalter
Renner-Institut
Ort
Depot, Breitegasse 8, 1070 Wien
Veranstaltungsart
Podiumsdiskussion
Teilnehmer
Bibi Bleekemolen, Fairphone, impact & innovation
Karin Küblböck, Öst. Forschungsinstitut f. internationale Entwicklung
Beatrix Matousek-Horak, Abteilung Außenwirtschaft-Recht, BMWFW
Elisabeth Schinzel, Südwind, Moderatorin
Petra Bayr, SPÖ, Sprecherin für globale Entwicklung

Konfliktmineralien. Ein Begriff, der sich seit der Jahrtausendwende nach und nach seinen Weg in die Medien und die Köpfe mancher Konsumenten gekämpft hat. Vor allem durch Berichte über die Zustände im Kongo und die Verwicklung internationaler Konzerne in die dort stattfindenden Auseinandersetzungen. Das Renner-Institut widmete diesem spannenden Thema einen Diskussionsabend im Depot mit Expertinnen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.

Zu Beginn fasst Karin Küblböck die Geschichte des Kongo zusammen, eines der rohstoffreichsten und gleichzeitig ärmsten Länder der Welt. Vom Sklavenhandel, in dessen Zuge alleine aus dem Kongo fünf Millionen Menschen verschleppt wurden, über die Zeit, als das Land Privateigentum des belgischen Königs Leopold war (die selbst im kolonialen Afrika bis heute als die Zeit der brutalsten Unterdrückung gilt), bis in die Nachkriegszeit, als der Kongo ein Schauplatz des Kalten Krieges war und gewählte Volksvertreter wie Patrice Lumumba nachweislich von ausländischen Geheimdiensten und Militärputschen entmachtet wurden. Im zweiten Kongokrieg 1998-2003 kamen vier Millionen Menschen ums Leben. Die Konfliktmineralien spielten eine große Rolle, da sie den Rebellengruppen zur Finanzierung ihres Krieges dienten.

Certified trading chains, eine Initiative des deutschen BGR, hat zum Ziel, die Rohstoffgewinnung nachvollziehbar zu machen. Dazu wird sowohl der geochemische Fingerabdruck herangezogen als auch lückenlose Nachvollziehbarkeit ab der Förderung der Rohstoffe gefordert. Andere Initiativen streben Abkommen ähnlich der Kimberley-Vereinbarung für den Diamantenhandel an. Die Due Diligence Guidelines der OECD zielen vor allem auf die Lieferketten von Großkonzernen ab. Der Artikel 1502 des Dodd-Frank-Acts aus dem Jahr 2012 verlangt von internationalen Unternehmen den Nachweis, daß von ihnen genutzte Rohstoffe, die aus der Great Lakes Region in Afrika kommen, konfliktfrei sind. Dies ist über eine due diligence der Lieferketten zu erreichen. Dieser Artikel diente gemeinhin als Vorlage für die aktuell im Verabschiedungsstatus befindliche EU-Verordnung zu Konfliktmineralien. Da die Kommission eine Vereinbarung auf Freiwilligkeit anstrebte, das EU-Parlament aber eine verbindliche Regelung für alle Unternehmen forderte, mußte  man sich auf einen vom europäischen Rat präsentierten Kompromiss einigen: Nahezu alle upstream-Unternehmen (das sind Firmen, die ihr Tätigkeitsfeld von der Schürfung bis zur Lieferung von Rohstoffen einnehmen – ausgenommen sind Kleinbetriebe wie z.B. Zahnärzte) müssen zukünftig verbindlich nachweisen, woher ihre Mineralien kommen. Und zwar nicht nur für die Seenregion, sondern für alle Konfliktherde weltweit. Welche Regionen darunter fallen, wird eine Expertenkommission festlegen und überprüfen. Für die Regelung wird es eine Übergangsfrist geben. Weiters soll zwei Jahre nach Inkrakfttreten ein Monitoring durchgeführt und die Verordnung sowie das sie begleitende Maßnahmenpaket angepasst werden, nach dem Prinzip „best practice“. Ebenso sollen zu einem späteren Zeitpunkt Lieferungen durch Rohstofftransitländer (z.B. Dubai) überprüft werden. In Österreich sollen von der neuen Verordnung fünf Unternehmen betroffen sein.

Der Weg von konfliktfreiem Tungsten
Der Weg von konfliktfreiem Tungsten

Warum die Kommission eine freiwillige Vereinbarung vorgeschlagen hat, erklärt Beatrix Matousek-Horak mit den Erfahrungen aus dem Dodd-Frank-Act: Die strenge Überprüfung führte zu einem de facto Embargo der Seenregion, da die Unternehmen sich den Kontrollaufwand ersparen wollten. Somit waren auch die konfliktfreien Minen schwer betroffen.

Der Stargast des Abends ist zweifellos Bibi Bleekemolen, die schildert, wie sich eine im Jahr 2010 gestartete Kampagne, die auf das Leid der Menschen im Kongo aufmerksam machen wollte und zu diesem Zweck das Fairphone als fiktives Marketingmittel erfand, hin zu einem social enterprise mit aktuell fünfzig Mitarbeitern entwickelte, das Handys produziert. 2013 startete man mit einem crowdfunding-Projekt, das so erfolgreich war, daß im ersten Monat bereits 10.000 Bestellungen eintrafen. Insgesamt wurden von Fairphone Eins innerhalb von zwei Jahren 60.000 Stück produziert. Die zweite Version, die seit Jahresanfang auf dem Markt ist, und die es auch bei T-Mobile-Österreich gibt, hatte 40.000 Vorbestellungen. Da man zur Herstellung eines Handys vierzig unterschiedliche Materialien benötigt, ist das Produkt noch nicht zu 100% fair, doch ist man stets bestrebt, dieses Ziel in kleinen Schritt zu erreichen. Mittlerweile gibt es mehrere konfliktfreie Minen im Kongo. Auch die Zusammenarbeit mit den beiden österreichischen Unternehmen AT+S und Wolfram-Bergbau (die in Ruanda tätig sind) ist ein Teil des Puzzles hin zu einem konfliktfreien Endprodukt.  Die Transparenz der Lieferkette steht dabei ebenso im Fokus wie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowohl für die Minenarbeiter, als auch für die Arbeiter in den chinesischen Fabrik, die die Fairphones herstellt. Letztere werden nicht mit höheren Löhnen unterstützt (da es sonst innerhalb der Fabriken zu Auseinandersetzungen mit Arbeitern kommen würde, die von anderen Handy-Herstellern weniger bezahlt bekommen), sondern mit Fortbildungskursen zu Themen wie Verhandlungen bei Arbeitsverträgen oder Verbesserungen im privaten Umfeld (Ernährung, Wohnsituation etc). Aus den Verkaufserlösen des Fairphone wurde ein worker welfare fund eingerichtet, über dessen Ausgaben die Arbeiter selbst bestimmen können.

Während man beim Fairphone Eins ein Design ausgewählt hat, das die chinesischen Partner vorgelegt haben und sich stattdessen auf die Veränderung/Verbesserung der Lieferkette konzentriert hat, ist die neue Version auch selbst designed. Die Due Diligence erfolgt sowohl top-down (Überprüfung der Lieferkette bzw der Kette von Subunternehmen) als auch bottom-up (welche Initiativen gibt es vor Ort, wie kann man diese unterstützen). Für die Fertigteile, die zugekauft werden müssen, gibt es noch keine konfliktfreie Lieferkette – ein Projekt für die nächsten Jahre. Von der Technologiestufe her ist das Fairphone vergleichbar mit durchschnittlichen Typen anderer Hersteller – wobei die Holländer nicht darauf den Fokus legen, sondern auf lange Haltbarkeit und den modularen Aufbau (viele Teile können einzeln getauscht werden, wenn sie kaputt gehen) – laut Frau Bleekemolen ein Unikum in der gesamten Branche – was nicht mehr so ganz stimmt.

vlnr: K. Küblböck, B. Matousek-Horak, B. Bleekemolen, E. Schinzel
vlnr: K. Küblböck, B. Matousek-Horak, B. Bleekemolen, E. Schinzel

Auf die Frage, ob seit dem Dodd-Frank Act weniger Geld zu den Warlords durchdringt, werden Verbesserungen im Hauptfördergebiet Katanga angeführt, in unzugänglichen Regionen wie Kiwu habe sich aber noch wenig geändert. Der Großteil der Mineraliengewinnung wird von Menschen in Handarbeit durchgeführt. Dieser Kleinbergbau ist gesetzlich so gut wie gar nicht geregelt, weshalb die Menschen sehr leicht erpreßbar sind. Die staatlichen Minen wurden privatisiert. Ein Gesetz, das auf Druck der Weltbank eingeführt wurde, schützt zwar die Interessen ausländischer Geldgeber, für den Kleinbergbau gab es aber keine Verbesserungen. Die Hoffnung, daß sich mit den heurigen Wahlen etwas verbessert, ist angesichts der Haftandrohung gegen den Oppositionsführer eher gering.

Was bedeutet konfliktfrei konkret? Die Verkaufserlöse der Mineralien dürfen nicht zur Konfliktfinanzierung verwendet werden, es dürfen keine schweren Menschenrechtsverletzungen bekannt sein. Im Grunde genommen geht es um die unternehmerische Sorgfaltspflicht: Solange sie eingehalten wird und es keine gegensätzlichen Informationen gibt, gilt das Unternehmen als „sauber“. Die Hochrisikogebiete werden zwar von einer Expertengruppe festgelegt, die Unternehmer müssen dennoch auch selbst sorgsam sein und bleiben, das heißt Informationen überprüfen und weitergeben, wenn sich an der Situation in einer Mine etwas ändert. Kontrolle von unabhängigen Organisationen ist dennoch notwendig – Freiwilligkeit funktioniert nur in den seltensten Fällen, wie man bei den Pfandflaschen sehen kann.

Was tut sich sonst auf legislativer Ebene? Ab 2017 müssen große börsennotiert Unternehmen, die innerhalb der EU tätig sind, eine „Nichtfinanzielle Erklärung“ abgeben. So will es die NFI-Richtlinie der EU, die sich in Österreich, wo etwa 200 Unternehmen betroffen sein werden, gerade in der Umsetzungsphase befindet. Jedes neue Gesetz, das in Österreich verabschiedet wird, muß im Vorblatt auf die von der UNO in ihrer Agenda 2030 angeführten Entwicklungsziele Bezug nehmen und darstellen, welche positiven Auswirkungen es für die Erreichung dieser Ziele hat.

Credits

Image Title Autor License
Diskussionsrunde Fairphone Diskussionsrunde Fairphone Christian Janisch CC BY SA 4.0
Fairphone fairphone header Fairphone CC BY SA 2.0
Der Weg von konfliktfreiem Tungsten route of conflict free tungsten Fairphone CC BY SA 2.0