Mit Mut, Liebe und dem letzten Weckruf für ein starkes Europa

Politik

Die Krise der Europäischen Union, die sich nicht zuletzt auf Grund des Impfdebakels gezeigt hat, und die Überwindung dieser Krise sind Thema dieser Mitte März abgehaltenen Online-Veranstaltung des BSA Döbling, durch die Matthias Vavra führt.

Die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission Univ.-Prof. Dr. Gesine Schwan sieht im Fehlen einer gemeinsamen Migrations- und Flüchtlingspolitik und einer länderübergreifenden Sozialpolitik den Hauptgrund dafür, dass die EU keine Bürgernähe aufweist. Schuld daran sei der Europäische Rat, wo die Nationalstaaten lokale Eigeninteressen verfolgen. Hinzu kommt, dass Europa bei den nationalen Wahlen selten eine Rolle spielt. Eine Lösung dieses Dilemmas wäre, dass Kommunen und Städte, die die Politologin weltweit als künftig entscheidende Ebene der politischen Entscheidung ansieht, auch in Europa wesentlich mehr Mitsprache erhalten; denn dort kann der Bürger die Arbeit der Parteien direkt bewerten. Viele konservativen Parteien schreiben sich zwar Europa groß auf ihre Fahnen, denken und handeln aber zumeist national.

Als 1955 Geborener zählt sich Helmut Brandstätter, NEOS-Abgeordneter zum Nationalrat und Autor von Letzter Weckruf für Europa, zur glücklichsten Generation, die je in Europa gelebt hat: wirtschaftlicher Aufschwung, Fall der Mauer und 75jährige Friedenszeit seien zum Gutteil auch der Europäischen Union zu verdanken, deren Geschichte mit den Römischen Verträgen 1957 begann. Während die Finanzkrise 2008 noch gemeinsam gemeistert werden konnte, so offenbarte die Flüchtlingskrise 2015 die tiefer werdenden Gräben zwischen den Nationalstaaten, die sich nun auch in der Coronakrise zeigen. Den Ansatz, Kommunen und Regionen zu stärken, findet er gut; ob sich die Anhänger dieser Philosophie gegenüber den Nationalisten durchsetzen, werden die nächsten zehn Jahre zeigen.

Die in Georgien geborene Schauspielerin Nini Tsiklauri, Autorin des Buches Lasst uns um Europa kämpfen, begründet ihre Hoffnung auf positiven Veränderungen nicht mehr auf die Politik, sondern auf die Zivilgesellschaft. Die nationalen Politiker verwenden die EU oft als Ausrede oder als Sündenbock; vielen Menschen fehlt die Erkenntnis, dass ein einzelner Staat alleine in einer multipolaren Welt nicht zurechtkommen kann. Der Stand-by-Modus, in dem sich die EU auf Grund nationaler Interessen befindet, müsse endlich überwunden werden, um bei der Lösung weltweiter Krisen mitgestalten zu können.

Um Gemeinden und Regionen zu stärken, brauche es EU-Programme, die finanzielle Mittel direkt dorthin übertragen können; da die Nationalstaaten dadurch Macht verlieren, wehren sie sich gegen diese Idee. Denn Subsidiarität bedeutet, dass bestimmte Aufgaben auf den untersten politischen Ebenen am sinnvollsten aufgehoben sind, während andere (zB Verteidigungs-, Währungs- oder Finanzpolitik) besser gemeinsam auf höchster Ebene vorangetrieben werden. Neben der Zivilgesellschaft müsse man auch die Unternehmen mobilisieren, um politische Veränderungen anzustoßen. In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, ob Europa zusammenwächst und ob man ein Gegengewicht zu China aufbauen kann.

Weitere Themen dieser spannenden Diskussion sind Bedrohungen und Reformvorschläge für die Europäische Union, Ideen für mehr Bürgernähe um die Menschen besser auf die kommenden Veränderungen vorzubereiten und vieles mehr. Auch auf zahlreiche Publikumsfragen wird eingegangen.

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Mit Mut, Liebe und dem letzten Weckruf für ein starkes Europa Wolfgang Müller CC BY SA 4.0