Mein Erstes Medizinisches Lager Jagte Mir Angst Ein
Da ich im Schoße des Himalaya geboren wurde und außerdem ein Sohn des Himalaya bin, würde ich mich gerne selbst als Himalaya-Jungen bezeichnen. Ich bin kein professioneller Schreiber, aber heute traue ich mich zu schreiben, weil meine Bestrebungen im Leben, meine Leidenschaft und unbegrenzten Träume, die ich noch verwirklichen muss, mich so rastlos machen, dass ich die Energie nutze, etwas zu schreiben. Auf der anderen Seite leide ich sehr unter den Umständen und Zuständen, die ich um mich herum sehe, so dass ich mich verpflichtet fühle hier zu schreiben. Es wird gesagt, dass leere Hände und Taschen uns lehren, was wir zu tun haben. Bei mir ist der Fall etwas anders, aber etwas geht mir nicht aus dem Kopf und drängt mich dazu zu Schreiben und etwas in meinem Leben zu bewirken. Als Absolvent der Hochschule im öffentlichen Gesundheitswesen, möchte eine grobe Idee der Gesundheitsbedingungen in Nepal aufzeigen und hier fange ich an.
Ja, es war ein wunderschöner Tag. Der Himmel war klar und hell und die Vögel flogen umher. Vielleicht ist es überraschend, aber wie die Vögel, fühlte ich mich auch, als würde ich langsam, sanft und glücklich fliegen. Plötzlich hörte ich ein Geräusch direkt neben mir, „Tring, Tring, Tring“, sehr laut und immer wieder. Dann merkte ich, dass es mein Handy war und erinnerte mich daran, dass ich den Wecker gestellt hatte, spät in der letzten Nacht. Als ich meine Augen öffnete, schaltete sich auch mein Verstand wieder ein und ließ mich wissen, dass es früh am morgen war, ungefähr fünf Uhr, und dass mein Flug mit den Vögeln nur ein Traum gewesen war.
Spät letzte Nacht, hatte ich all meine Sachen zusammengepackt, denn heute ging ich ins medizinische Lager für Fortpflanzungsmedizin (RH-Camp), um den Menschen in den abgelegensten Regionen Nepals zu helfen. Ein abgelegener, aber auch reicher Ort in Nepal. Ein reicher Ort im Hinblick auf drei Dinge: erstens, natürliche Schönheit, zweitens, ein Ort, der berühmt ist für seinen Honig und drittens, die Bürde vieler ansteckender Krankheiten. Die Welt sieht Nepal als armes Land, aber ich betrachte es als reiches Land, sogar als reichstes Land nahezu alles betreffend. Auf der einen Seite ist Nepal reich an Wasser, Bergen, dem Himalaya, Pflanzen, Kräutern, Vögeln, Insekten, Tieren und geografischer Vielfalt, während es auf der anderen Seite reich ist an Armut, Leiden, Luftverschmutzung, Korruption und politischer Instabilität.
Da ich hauptverantwortlich für das Management und die Mobilisation des medizinischen Teams für das RH-Camp war, musste ich alles organisieren – das medizinische Personal des Chaurjahari Missionskrankenhauses, die Medikamente, die Versorgung und das Camp selbst. Nachdem ich aufgestanden war, erfrischte ich mich und hastete zum Chaurjahari Missionskrankenhaus um alles zu überprüfen und vorzubereiten. Zum Glück war alles um Viertel vor sieben fertig und unsere Reise konnte beginnen. Es waren 16 Menschen im Team des RH-Camps: Ich selbst als Organisator, drei Ärzte und viele Helfer des Gesundheitswesens, Schwestern, Pfleger, Pharmazeuten, etc.
Viele Gedanken schwirrten mir im Kopf umher: unser Ziel, zu dem wir uns aufmachten, wie es sein würde, wie weit es weg war, wie die Menschen dort, ihre Kultur und Traditionen sein würden… Nach einem 15-minütigen Fußmarsch, nahmen wir einen Bus und nach drei Stunden Fahrtzeit, gegen neun Uhr, kamen wir endlich in Ribna an, einem der bekanntesten Orte für Fisch im Jajarkot Bezirk, weil sich dort zwei Flüsse, der Sanobheri und der Thulobheri, treffen. Dort aßen wir Dal (eine Hülsenfrucht), Bhat (Reis) und Fisch zum Frühstück. Wir nutzten die Gelegenheit für eine kurze Rast.
Ich streckte meine Beine aus und schaute auf die Hügel, denn ich konnte die Erhöhung sehen, die wir erklimmen mussten, um unser Ziel zu erreichen. Der Hügel war so hoch, dass wir den Horizont und den Sonnenaufgang nicht sehen konnten. Aber, vor dem Hintergrund meiner Leidenschaft zu Reisen und den Menschen zu helfen, wurde der Hügel klein für mich. Ich schloss meine Augen, atmete tief durch und begann die Erhöhung mit dem medizinischen Team hinaufzuwandern. Während wir kletterten, erhöhte sich mit der Anstrengung meine Herzfrequenz und ich begann zu Schwitzen. Nach einem langen Fußmarsch von acht Stunden, erreichten wir endlich den Gipfel des Hügels und erreichten den abgelegenen, aber reichen Ort Chakhurea, vom Ghetma VDC (Entwicklungszentrum des Dorfes).
Der Name des Ortes an dem das Camp lag, war nach einem Vogel, dem „Chakurea“ benannt, der sehr häufig in dieser Region und Ghetma vorkommt, einem Ort in dem Rukum Distrikt von Nepal, der sehr abgelegen und sehr benachteiligt ist. Zu dieser Zeit fühlte ich mich schon sehr müde, aber als ich die Menschen im Dorf sah, wie sie uns willkommen hießen, mit Girlanden in ihren Händen, vergaß ich meine Müdigkeit und Schmerzen. Nach diesem Willkommen aßen wir zu Abend und gingen ins Bett. Obwohl ich sehr müde war konnte ich nicht einschlafen, weil ich an den nächsten Tag dachte.
Dann, endlich, war es früher Morgen, der Tag war gekommen für mein erstes medizinisches Lager und jeder war beschäftigt, aß, trank und redete. Ich aß etwas mit den Chaurjahri-Missionkrankenhausärzten und begab mich dann an den Ort, an dem das Lager aufgebaut werden sollte. Wir schafften alle Vorbereitungen, so dass wir um zehn Uhr fertig waren. Es gab verschiedene Abteilungen für die Patienten, z.B. ein Registrationszimmer, ein allgemeines Untersuchungszimmer, eine Ambulanz, eine Apotheke, ein Untersuchungszimmer für prä- und postnatale Versorgung, ein Zimmer für die Familienplanung, ein Zimmer für HIV/AIDS-Tests, ein Beratungszimmer. Alle Behandlungen, alle Medikamente stellten wir pro bono zur Verfügung. Mit der Zeit kamen immer mehr Patienten ins Lager. Während ich sie behandelte, war ich schockiert ihre unterschiedlichen Arten der Gesundheitsprobleme zu erleben; ich war schockiert von ihren Schmerzen zu hören.
Ich war beeindruckt zu hören, wie sie es schafften zu überleben, obwohl ihnen nicht einmal die elementarste Gesundheitsversorgung grundsätzlich zur Verfügung stand. Ich lernte die verschiedenen Ebenen des Aberglaubens kennen, die Geschlechterdiskriminierung, die unter den Menschen dort verbreitet ist. Ich erfuhr von dem Glauben an negative Energien, der unter den Einheimischen dort vorherrscht, von den traditionellen Heilern, bekannt als „Dhami“ oder „Jhankris“ in der nepalesischen Sprache. Ich sah mit eigenen Augen die hygienischen und sanitären Bedingungen der Menschen dort. Sie erzählten mir, wie weit sie gehen mussten um eine Versorgung als Mutter zu erhalten. All diese Dinge, die ich dort im Lager sah, trafen mich wie Kugeln aus einer Maschinenpistole in den Kopf und sie machten mir Angst.
Ich möchte gerne eine Erfahrung teilen von dieser Zeit im ersten medizinischen Lager, die mir Angst machte und mich hilflos fühlen ließ: Als ich zu Beginn mit den Menschen dort redete, sagte man mir, dass der Ort an dem das Lager aufgestellt war, einer der begünstigtesten Orte im Entwicklungszentrum des Dorfes war. Ich dachte mir, wenn das der begünstigteste Ort ist, wie sind die Bedingungen dann anderswo…??? Das führte dazu, dass ich viel über den Mount Everest nachdachte und das wiederum warf viele Fragen auf. Die Einheimischen erzählten mir, dass sie viele Tage gehen mussten um eine Gesundheitsversorgung zu erhalten. Die meisten Menschen sterben auf dem Weg, da es weder Rettungswagen noch andere Fahrzeuge gibt um sie zu transportieren.
Es zeigte mir die wahren Ausmaße und die Bürde der gesundheitlichen Probleme im Nepal. Seitdem habe ich das Versprechen gegeben, im Gesundheitswesen Nepals zu helfen, entweder indem ich darüber berichte, oder indem ich dort arbeite. Heutzutage leben wir in einer modernen Ära und die Welt redet über Schönheitschirurgie, Organtransplantationen und viele andere Errungenschaften im Gesundheitssektor. Aber als ich diesen Ort besuchte, merkte ich, dass Nepal weit hinterher hing. Hier gibt es nicht mal die einfachsten Gesundheitsrechte. Die Menschen bekommen keine oralen Rehydrationslösungen um ihren Durchfall zu behandeln, sie haben kein Essen um ihre Mägen zu füllen, daher leiden sie an Mangelernährung. Sie haben keinen Zugang zu Fahrzeugen und Transport.
Das Leben in Nepal ist so hart und schwierig. Das ist der Grund dafür, dass mir das Lager Angst einjagte, es zeigte mir das wahre Nepal und daher werde ich es mein Lebtag nicht vergessen können.
Übersetzung ins Deutsche: Hannah Kohn