Matinee zum Europatag – Braucht Europa eine EU-Armee?

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Politik

Obwohl die Militärausgaben in der EU weltweit die zweithöchsten (nach den USA) sind, sei die Sicherheit durch die ineffiziente Verwendung dieser Mittel (Wirkungsgrad unter 30 Prozent der Ausgaben) gefährdet, so ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka in seinen einleitenden Worten. Zusammenarbeit sei unumgänglich, um Synergieeffekte zu erreichen und Kosten zu sparen. Die Neutralität Österreichs sei dabei nicht gefährdet, wie der Artikel 42 des Lissabonner Vertrages festhält.

Doktor Roland Freudenstein vom Centre for European Studies glaubt nicht daran, dass Europa selbst in zwanzig Jahren fähig sein werde, sein Territorium alleine zu verteidigen. In letzter Konsequenz müsse sich Europa weiterhin auf den atomaren Schirm der USA verlassen – selbst unter Trump. Alles andere sei Illusion. Dennoch mache es Sinn, eine EU-Armee aufzubauen, um beispielsweise auf Konflikte in Nachbarländern schneller reagieren zu können. Alle diesbezüglichen Pläne und Ziele sollten mit der NATO abgestimmt werden. Europa habe die Abschreckung seit dem Ende des Kalten Krieges verlernt und müsse sie jetzt wiederentdecken. Dazu würden auch Drohungen und gezielte militärische Eskalationen in bestimmten Fällen gehören. Nicht jede Aggression, z.B. vonseiten Russlands, dürfe mit einem neuen Gesprächsangebot beantwortet werden. Freudenstein sieht die Verbesserungen in der europäischen Verteidigungspolitik als Akt der Solidarität, deshalb müsse man auch die Neutralität überdenken.

74 Prozent der europäischen Bevölkerung sind laut Mag. Othmar Karas, ÖVP-Abgeordneter zum europäischen Parlament, für eine aktivere Rolle der Europäischen Union in der Weltpolitik. Europa weise bei vielen Themen zu wenig gemeinsame Kompetenzen auf, obwohl der Bürger täglich von der EU verlange, die großen Probleme zu lösen. Die Letztentscheidungen würden aber zumeist bei den Nationalstaaten liegen. Die Gründung eines gemeinsamen EU-Hauptquartiers sei längst überfällig, um die Koordination der nationalen Armee zu ermöglichen. Die Beteiligung Österreichs an praktisch allen Missionen der Partnerschaft für den Frieden müsse ebenso stärker kommuniziert werden, wie die Vereinbarkeit der österreichischen Neutralität mit der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU.

Eine einheitliche Sprache in der Außenpolitik ist für Otto Pendl, SPÖ -Abgeordneter zum Nationalrat, ebenso wichtig, wie eine verbesserte Koordinierung der gemeinsamen Sicherheitspolitik und eine effiziente Ausrüstung für die zu bewältigenden Aufgaben. Dies alles ginge sich mit den 200 Milliarden Euro an bisherigen Verteidigungsausgaben der europäischen Länder aus.

Eine Armee bedinge einen Staat, aber es gebe keinen EU-Staat, deshalb sei der Begriff falsch gewählt, so Dr. Dagmar Berlakovic-Jenewein, FPÖ Nationalratsabgeordnete. Länderübergreifende Zusammenarbeit sei jedenfalls notwendig, z.B. bei der Cyberkriminalität. Die Neutralität Österreichs müsse bewahrt bleiben. Die EU-Battlegroups müssten in Konfliktsituationen zum Einsatz gebracht werden, auch auf die Migrationsfrage müsse eine Antwort gefunden werden. Sich zwischen nationalen Parlamenten und der EU gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben, sei eines der Probleme der aktuellen Situation.

Die Welt rund um und in Europa sei in den letzten Jahren etwas aus den Fugen geraten, meint Dr. Rainer Hable, Abgeordneter der NEOS zum Nationalrat: sei es Libyen, Syrien oder die Ukraine. Diese Probleme könnten nur im Rahmen der EU gelöst werden. Die Länder der EU würden insgesamt über das doppelte Budget Russlands und genauso viele Soldaten wie die USA verfügen. Das außen- und sicherheitspolitische Gewicht der EU sei im Vergleich zu diesen beiden Mächten allerdings marginal. Der Grund dafür sei die (wieder zunehmende) Kleinstaaterei in Europa bei diesem, aber auch bei anderen Themen. Die Kooperation mit der NATO müsse weiter bestehen bleiben, aber sie alleine werde Europa langfristig nicht schützen, da sie völlig von den USA dominiert sei. Ein eigenes Sicherheits- und Verteidigungskonzept auf Augenhöhe mit den USA müsse Ziel sein.

Doktor Madeleine Petrovic, Grüne Abgeordnete zum Landtag von Niederösterreich, erkennt starke Kräfte innerhalb der Europäischen Union, die deren Zerfall betreiben würden. Das Problem, dass die Gegner der Demokratie von dieser teilweise sogar mit Mitteln ausgestattet würden, um sie zu bekämpfen, sei nur dadurch zu lösen, dass man die Akzeptanz der EU bei der Bevölkerung steigere und somit den Populisten den Wind aus den Segeln nehme. Hier seien Fragen der Sicherheit und der Verteilungsgerechtigkeit wesentlich. Verbrechen wie in Srebreniza dürfe es in Zukunft nicht mehr geben, dafür benötige es eine Armee. Diese müsse aber unbedingt eine defensive und präventive Ausrichtung haben. Eine koordinierte Wirtschaftspolitik müsse geschaffen werden, bei der es nicht vorkommen dürfe, dass man zu Diktatoren, die politisch ablehnt würden, mit einer Delegation fahre, um Geschäfte abzuschließen. Die Neutralität könne gewahrt werden, wenn Österreich sich auf seine diplomatischen Fähigkeiten verlasse und sich bei Sanitätseinsätzen oder Naturkatastrophen engagiere:

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