„Lügen die Medien?“ – Buchrezension zu Jens Wernicke
Jens Wernicke titelt auf seinem neuen Buch die eine Frage, die mittlerweile vielen kritischen Menschen auf der Zunge liegt. Er ist aber nicht so vermessen zu meinen, dass er für sich alleine die wichtige Antwort finden kann, sondern setzt auf den neuen, aufkeimenden Kooperatismus, der sich dank Internet und der Möglichkeit zur breiten Vernetzung immer mehr in den Köpfen junger und junggebliebener Menschen als Idee festsetzt. Fünfundzwanzig weitere Autoren hat Jens Wernicke für sein Buch gewinnen können und lässt diese gegliedert als „die Macher“, „die Denker“ und „die Zivilgesellschaft“ ausführlich zu Wort kommen. Sie alle eint eine kritische, aber sehr wohl auch dialektische Sicht auf die sogenannten Massenmedien, die sich gerne selbst als „Qualitätsmedien“ titulieren, und die darin arbeitenden Journalisten, aber auch eine grundsätzlich positive Haltung zum Journalismus an sich.
Auf knapp über 350 Seiten widmet sich die Autorenschaft auch dem Untertitel des Buches, nämlich den Phänomenen „Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung“. Der Hauptautor selbst hält sich dabei angenehm bescheiden zurück. Er steuert eine erfrischend kritische Einleitung bei und schafft es auch in seinem abschließenden Resümee, eine solidarische Haltung zum Beruf des Journalisten, bei aller Kritik, klar zu äußern. Auch Jens Wernicke weiß, dass viele seiner Kollegen, die bei den Massenmedien ihren Brotberuf ausüben, durchaus in prekären Verhältnissen leben müssen und sich aufgrund ihrer existenziellen Not der herrschenden Meinung, per Schere im Kopf, anpassen müssen und auch wollen. Oder wie Walter von Rossum, in seinem Beitrag in dem Buch treffend ausformuliert:
In aller Regel sind Journalisten keine Menschen, die sich dem Tumult des Realen sowie dem Wagnis der eigenen Analyse aussetzen. Nach meiner Erfahrung sind Journalisten eher Menschen, die geradezu Angst vor der dunklen Unruhe des Realen haben und sich lieber an gerade irgendwie geltende Sprachregelungen, Normen und Konventionen halten und dabei geradezu verzweifelt in schlichten und binären Erklärungsmustern Rettung suchen, also einem Denken etwa in Gut versus Böse, Freund versus Feind und so weiter.
Natürlich wird eine derart pointierte Kritik nicht gerne gesehen, im Speziellen dann am Wenigsten von der Zunft, die direkt betroffen ist. Um so dann gegen den bleiernen Vorwurf der „FakeNews“ gerüstet zu sein, sind die letzten zwanzig Seiten des Buches eine Auflistung von Quellenangaben, und auch im Buch selbst werden immer wieder Statistiken und Fakten, gewissenhaft aufgearbeitet, präsentiert.
So kann man sich zum Beispiel ausführlich dem Ursprung des Begriffes der „Lügenpresse“ widmen und erfährt so, dass die Behauptung, dass auch die Nazis diesen Jargon verwendet hätten, eigentlich „alternative Fakten“ also klassische „FakeNews“ sind. Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus hatte sich genauso diesem Vokabular bedient wie es die linken, protestierenden Studenten der 1968er-Generation gemacht hatten.
Gerade für Menschen, die sich einer fundierten, teils auch harten aber immer auch konstruktiven Kritik an den Medien widmen wollen, ist dieses Buch ein Geschenk für den Intellekt, und die Beiträge von Menschen wie Daniele Ganser, Markus Fiedler, Noam Chomsky, Rainer Mausfeld, Klaus-Jürgen Bruder, Maren Müller, Daniela Dahn und der vielen anderen Autoren können mithelfen, einen Diskurs zu führen, der sich wunderbar über das platte Stammtischniveau, welches sich leider oft auch in den Sozialen Medien und auf so einigen Demonstrationen zeigt, hinweghebt.
Und gerade auch Journalisten, die die Ehre ihres nach wie vor notwendigen Berufes noch retten wollen, sei dieses Buch als Lektüre mehr als empfohlen. Denn für uns alle soll das gelten, was Jens Wernicke selbst so schön ausformulierte:
Eine bessere, sozialere Welt werden wir nur zu erringen vermögen, wenn wir die Tatsache respektieren, dass es viele gibt, die hierzu etwas beizutragen haben; dass eine Welt der ‚Gleichen unter Gleichen“‘ auch und vor allem durch Taten entsteht. Durch Taten der Gemeinschaft, des Respektes, der Solidarität, des Vertrauens – Taten also, in denen sich der eine nicht mehr anmaßt zu wissen, was für alle gut und richtig ist.
Das Buch von Jens Wernicke „Lügen die Medien? – Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung“ ist im Westend Verlag erschienen.
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