Lifejacket Graveyard
Das letzte Mal habe ich Euch von der Ankunft der ersten Boote erzählt (siehe Link oben). Diesmal geht es um den sogennanten „Rettungswesten-Friedhof“. Bitte nehmt Euch eine Minute Zeit, diesen Artikel zu lesen und um mit einer traurigen Wahrheit konfrontiert zu werden.
Nachdem ich mich von der vorigen Nacht einigermaßen erholt hatte, habe ich mich dazu entschlossen, heute einen “Day off” zu machen und mir die Insel anzuschauen.
Mein erstes Ziel war es, nach Molyvos zu fahren: Das ist ein kleines Dorf im Norden der Insel. Molyvos war vor einigen Monaten noch ein sehr beliebtes Ziel für Flüchtlingsboote, da die Strecke viel kürzer ist als wie jene im Süden. Wegen der Kontrollen der Küstenwache und weiterer Faktoren sind die Menschen aber jetzt gezwungen, die längere Strecke zu nehmen.
Molyvos ist ein sehr schönes Städtchen am Meer mit einem Schloss und vielen Restaurants – kaum zu glauben, dass vor einigen Monaten genau dieses Meer, auf das ich gerade meinen Blick richte, eine Todesstätte für so viele unschuldige Menschen bedeutete.
Während eines kurzen Spazierganges fiel mir auf, dass trotz der ruhigen Situation in Bezug auf die Ankünfte der Boote noch sehr viele Organisationen und einzelen Volontäre anwesend sind, unter anderem auch Ärzte ohne Grenzen. Mir wurde später erklärt, dass zwar weniger Boote ankommen, aber es immer noch 2-3 Ankünfte pro Woche gibt.
Mein zweites Ziel war die Besichtigung des “Lifejacket Graveyard”. Ich habe einige Einheimische gefragt, wo er sich befände und sie meinten, ich solle einfach zur Mülldeponie fahren.
Als ich dort angekommen war, konnte ich meinen Augen kaum trauen: Schon aus der Ferne aus konnte ich Hunderte und Aberhunderte von orangen Rettungswesten sehen. Das Ausmaß empfand ich als besonders schockierend.
Als ich mich langsam näherte, sah ich Kinderrettungswesten, Motoren, Schuhe, Gummiboote einfach alles. Mir wurde bewusst, dass jede dieser Rettungswesten einem Menschen gehörte – einer Person, die vorher ein Leben hatte und gezwungen war, zu fliehen. Jede dieser Rettungswesten erzählt ihre eigene Geschichte.
Ich fragte mich, ob all diese Menschen ertrunken sind? Die Antwort war zum Glück: Nein. Diese Westen sollen uns an jene Menschen erinnern, die die gefährliche Reise über das Ägäische Meer nicht überlebt haben sowie auch an an die Überlebenden.
Viele mussten ihr Leben verlieren, da einige Schmuggler falsche Rettungswesten verkauften: Anstelle vor dem Untergehen zu schützen, erleichterten diese das Untergehen, indem sie sich mit Wasser füllten ..
Vor ca. einem Monat haben freiwillige Volontäre aus all den Rettungswesten ein PEACEzeichen erstellt. Leider konnte es aufgrund der Wetterbedingungen und weiteren Faktoren nicht erhalten bleiben.
Ich bin nun wieder aufgebrochen, um mein letztes Ziel zu erreichen, den Friedhof – an dem diejenigen begraben sind, die ihr Leben verlieren mussten ..
Er befindet sich in einem kleinen Dorf, das Kato Titros heißt, südlich der Insel. Da die Dämmerung nun schon eingebrochen war, konnte ich den Friedhof nicht betreten. Ich sah jedoch, dass er abseits des lokalen Friedhofes des Dorfes lag, da es dort keinen Platz mehr für die Toten gab.
Man erkannte, dass einfach nur ein Loch in die Erde gegraben wurde und ein Stein draufgesetzt wurde, auf dem nur das Datum des Todestages stand. Es war kein Name zu sehen, da man die Leichen des öfteren nicht identifizieren konnte. Es sind leider “Namenlose”, die dort begraben sind.
Es kamen Gefühle von “Hass” in mir hoch: Wie kann es denn sein, dass wir so viele Menschen sterben lassen?
