Letzter Akklimatisierungstag
Ich wache auf im Morgenlicht, das in unser Zimmer fällt, und als ich aus dem Fenster sehe, bin ich absolut VERZAUBERT. Überall um uns herum sind riesige, schneebedeckte Berge zu sehen. Es fühlt sich an, als ob ich noch träumen würde! Nach dem Frühstück gehen wir noch einmal zum Kloster, um der Puja, dem buddhistischen Gebetsritual, beizuwohnen. Danach sind wir bereit, um zu unserem nächsten Ziel aufzubrechen: Dingboche, noch einen Schritt näher am Everest-Basislager.
(aus „Das Leben eines Trägers“ )
Als wir Tengboche verlassen, gehen wir zunächst bergab durch eine Allee, deren Bäume eine Art Korridor bilden. Zu unserer Linken passieren wir ein Nonnenkloster, und vor den Häusern, an denen wir vorübergehen, sehen wir spielende Kinder, während die Frauen auf den Feldern arbeiten.
Der Pfad ist eigentlich nicht wirklich steil, aber je höher wir steigen, umso weniger Sauerstoff ist in der Luft enthalten. Es wird langsam ziemlich anstrengend, und ich kann meinen eigenen Atem hören, der mehr und mehr an ein altes, rostiges Auto erinnert.
Nachdem wir Tengboche verlassen haben, ändert sich die Landschaft. Noch vorgestern waren wir von Kiefern umgeben, aber schon gestern waren nur mehr ein paar trockene grüne „Büsche“ und hin und wieder einzelne größere Bäume zu sehen. Unser Tourguide sagt uns, dass wir den Anblick genießen sollen, denn die Landschaft werde sich bald noch stärker verändern, langsam nur, aber sehr deutlich.
Der Pfad, der am milchig-weißen Fluss entlangführt, ist wunderschön und bietet absolut atemberaubende Blicke in das Tal. Wir durchqueren einige Dörfer, in denen ein paar der Einheimischen ihre Gästehäuser putzen, weil die Saison zu Ende ist. Wir haben eine großartige Aussicht auf die Felder, die auf malerische Art voneinander abgeteilt sind. Und wir haben auch das Glück, ein paar Yaks zu sehen, die gerade eine Pause machen und ihr Mittagessen genießen.
Nachdem wir unser Gepäck abgelegt haben, denken wir nicht einmal daran, uns frisch zu machen; stattdessen gehen wir ein wenig im Dorf umher und suchen nach einer Bäckerei. Wir finden gleich mehrere, und bald haben Francis, Fatima und ich in einer davon Platz genommen und erholen uns bei einem Kuchen. Aus der Ferne sehen wir unsere drei indischen Freunde (Sourabh, Dhruv und Toni) herankommen, und mit ihnen zusammen gehen wir zurück zu unserem Gästehaus. Am Abend sitzen wir alle um den Ofen herum, der direkt in der Mitte des Raumes aufgestellt ist.
Da sonst keine Gäste im Haus sind, freuen wir uns über die Gesellschaft; wir unterhalten uns lange und schlürfen dabei Tee mit Milch. Ich bin so erschöpft, dass ich die Hälfte der Unterhaltung versäume, weil ich auf einer Bank einschlafe. Nach einiger Zeit, als alle zu gähnen beginnen, sagen wir einander gute Nacht. Von unseren indischen Freunden verabschieden wir uns schon jetzt, weil sie bereits am frühen Morgen aufbrechen wollen, ohne einen Akklimatisierungstag einzulegen – sie wollen weiter zum Gokyo-See. Ich gehe in mein Zimmer und falle buchstäblich ins Bett.
Es ist jetzt Morgen, und am heutigen Tag werden wir uns akklimatisieren, um unsere Körper an die Höhe zu gewöhnen. Ich entschließe mich, es heute mal ganz ruhig angehen zu lassen. Ich nehme mir Zeit fürs Frühstück und genieße es, mich einfach ein bisschen entspannen zu können. Unser Guide schlägt vor, dass wir einen kleinen Spaziergang zu einem Aussichtspunkt unternehmen könnten, wenn uns danach ist; das würde die Akklimatisierung unterstützen, denn unser nächstes Ziel ist höher gelegen als Dingboche.
Als wir oben ankommen, ist aber schon alles vom Nebel eingehüllt, und der Wind macht es zusätzlich sehr unangenehm, länger hier zu bleiben. Es ist fast unmöglich, die wunderbare Aussicht zu genießen – morgen wird es hoffentlich besser werden. Wir machen ein paar Fotos und beginnen mit dem Abstieg.
Wir sind schon recht nahe an unserem Gästehaus, als wir eine grasende Yakherde sehen. Es sind sogar zwei Kälber dabei, die herumtollen, eines davon ganz schwarz und das andere mit weißen Flecken in seinem schwarzen Pelz. Sie sind unglaublich süß, und ich sehe ihnen eine Weile zu – halte dabei jedoch Abstand, weil ich weiß, dass Yakmütter sehr gut auf ihre Kleinen aufpassen und dabei möglicherweise auch gefährlich werden können. Als wir schließlich weiter zum Gästehaus gehen, nutzen wir die Gelegenheit, um einen näheren Blick auf das lokale Leben zu werfen. Zu unserer Linken arbeiten einige Einheimische mit getrocknetem Yakdung, den sie als Brennmaterial verwenden.
Nachdem wir beim Gästehaus angekommen sind, entscheide ich, mir den Rest des Tages freizunehmen, um ein bisschen zu dösen und ein Buch zu lesen. Ich esse abgelaufene und überteuerte Snickers, weil ich unbedingt Schokolade haben muss!
Da morgen ein großer Tag ist, bereite ich noch ein paar Dinge vor und gehe früh schlafen. Morgen werden wir noch weiter hinaufsteigen, und dann ist das Everest-Basislager fast um die Ecke …
Hoffen wir auf gutes Wetter!
Gute Nacht
Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake