Kurier Gesundheitstalk: Depression und Angst

Kurier Gesundheitstalk: Depression und Angst
Gesellschaft

Veranstaltungsdaten

Datum
15. 3. 2017
Veranstalter
Kurier, Meduni Wien und Novartis
Ort
Van-Swieten-Saal der Medizinischen Universität Wien
Veranstaltungsart
Kurier Gesundheitstalk
Teilnehmer
Univ.-Prof. Dr. Gabriele Fischer , Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien
Univ.-Prof. Dr. Stephan Doering, Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der MedUni Wien
Dr. Rudolf P. Wagner, Geschäftsführer von pro mente Wien
Gabriele Kuhn, Moderation, Leiterin des Ressorts LebensArt im Kurier

Am 15.3.2017 war der Van-Swieten-Saal der Meduni Wien Schauplatz des Kurier Gesundheitstalks zum Thema „Depression und Angst“. Für die von Gabriele Kuhn geleitete Diskussion konnten Fr. Univ.-Prof. Dr. Gabriele Fischer von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien, Univ.-Prof. Dr. Stephan Doering von der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der MedUni Wien, sowie Dr. Rudolf Wagner als Geschäftsführer der pro mente in Wien gewonnen werden.

Einleitung & Definition

Fr. Kuhn begann die Diskussion mit einigen Zahlen: Zwischen 25 und 30% der Bevölkerung erlebten demnach mindestens einmal im Jahr Depressions- oder Angstzustände. Die Hälfte aller Fehlzeiten in der Arbeit seien mittlerweile auf Depression oder Angst zurückzuführen.

Fr. Prof. Fischer widmete sich zunächst der Depression, die laut ihrer Aussage ganz unterschiedliche Ausprägungen haben könne. Mittlerweile sei auch bekannt, dass die Erkrankung bei Männern und Frauen ganz anders aussehen könne. Die Symptomatik könne sowohl als Traurigkeit mit Weinerlichkeit und Affektlabilität bis hin zu Gereiztheit reichen. Wichtige Kennzeichen der Depression seien Schlafstörungen, die häufig als erste Vorboten aufträten, eine Dysregulation des Affekts sowie eine Antriebsstörung. Bei manchen Depressionsausbildungen sei abends bezüglich des Antriebs eine Verbesserung spürbar.

Hr. Prof. Doering sprach anschließend über die Angst, ein grundsätzlich gesundes und überlebensnotwendiges Gefühl. Bei realen Bedrohungen sei es gesund, Angst zu verspüren. Pathologisch werde die Angst, wenn sie zu Leidensdruck führe und ohne angemessenen Auslöser auftrete.

Die Medizin unterscheide vier Gruppen von Angsterkrankungen:

  • Panikstörungen (gekennzeichnet durch Panikattacken, mit oder ohne Agoraphobie)
  • Phobien (gebunden an ganz spezifische Situationen oder Gegenstände, z.B. Höhenangst oder Schlangenangst)
  • soziale Phobien (spezifische Angst vor sozialen Situationen, in denen eine Bewertung durch andere erfolgen könnte)
  • sowie die generalisierte Angststörung (ständige Sorgen, Grübeln, Gedanken über potenzielles Unheil)

Bei Angsterkrankungen handele es sich um sehr häufige Erkrankungen. Pro Jahr würden 15% der Bevölkerung an einer Form der Angst erkranken, somit beinahe jeder Sechste.

Ätiologie

Fr. Prof. Fischer zog den Vergleich zum Brustkrebs, bei dem mittlerweile eine gewisse genetische Komponente bekannt sei. Die Töchter dieser Patientinnen würden dann aufgefordert, besonders gut aufzupassen und sich frühzeitig untersuchen zu lassen.

Auch bei psychiatrischen Erkrankungen sei der genetische Einfluss wesentlich, jedoch würden auch eine Vielzahl von anderen Einflüssen auf die Entstehung einer Depression bzw. Angststörung wirken. Dazu gehörten unter anderem die Erlebnisse der Kindheit sowie erlebte Traumata.

Beim weiblichen Geschlecht seien postpartale Stimmungsstörungen ebenfalls häufig, die perimenopausale Phase biete jedoch lediglich dann eine erhöhte Gefahr, wenn bereits in der Vergangenheit Depressionen aufgetreten seien. Im Laufe des Lebens gäbe es körperliche Phänomene, welche auch Schlafstörungen auslösen können. Dies sei jedoch normal und nicht als Teil einer Depression anzusehen.

Prof. Doering ergänzte diese Erklärung um das Bild einer genetischen Veranlagung, auf welche sich frühe ungünstige Beziehungserfahrungen „auflagern“ könnten, was diese Person dann besonders vulnerabel für Störungen mache. Es sei jedoch beinahe niemals davon auszugehen, dass eine Depression oder Angst rein vererbt sei. Genauso gäbe es kaum Personen, deren Störung rein durch Lebens- und Beziehungserfahrungen bedingt sei. Es sei immer eine Interaktion der beiden Faktoren.

Kinder und Jugendliche

Frau Kuhn lenkte das Thema anschließend auf die zunehmende Anzahl betroffener Kinder und Jugendlicher. Fr. Prof. Fischer betonte die Bedeutung der Prävention und der richtigen Ersterkennung phobischer Erkrankungen bei Kindern (z.B. Angst vor dem Schulbesuch). Dies sei insbesondere Aufgabe aufmerksamer Pädagogen. Dies helfe, eine manifeste Angst- bzw. depressive Störung als Folge zu verhindern. Die Zunahme beziehe sich insbesondere auf die vulnerable Population der Kinder und Jugendlichen, welche diverse Traumata erlebt hätten.

Ein häufig mit depressiven Störungen einhergehendes Krankheitsbild sei die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Bezüglich der Früherkennung und Behandlung gäbe es ein Stadt-Land-Gefälle. Weiters betonte sie die Bedeutung von Veranstaltungen wie dieser, die das Bewusstsein der Bevölkerung für die frühzeitige Intervention (medikamentös, psychotherapeutisch etc.) stärken würden. Wesentlich sei immer ein frühzeitiges Erkennen des Krankheitsbildes.

Als Elternteil solle man am Beispiel der Schulangst auf Kausalität achten (z.B. das Kind will nicht in die Schule, da es nicht für die Schularbeit gelernt hat) und das Kind genau beobachten, so Fr. Prof. Fischer. Zu achten wäre insbesondere auf zusätzliche andere Symptome (z.B. Schlaflosigkeit bzw. sehr früher Rauchbeginn bei Jugendlichen). Auch Schulärzte und Schulpsychologen hätten für diese Phase eine ganz wertvolle Aufgabe. Fr. Prof. Fischer plädiert zudem für diese als einen integralen Bestandteil der Beobachtung und Früherkennung im Schulsystem, der nicht nur im Anlassfall aktiv werden sollte.

Prof. Doering riet jedem besorgten Elternteil zur Beratung durch entsprechende Stellen (Hausarzt, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie…). Es sei schließlich für das Kind auch ein großer Faktor, wenn die Eltern sich ständig Sorgen um es machen würden. Die Entlastung durch eine entsprechende Fachperson sei dann für beide Seiten gut. Dies könne  eventuell auch präventiv wirksam sein. Er plädierte zudem für den Mut, im Bedarfsfall Vertreter im System der psychischen Gesundheit aufzusuchen.

Bei bestehendem Behandlungsbedarf könne man nicht früh genug anfangen. Je früher man komme, um so schneller habe man die Sache im Griff, so Prof. Doering. Fr. Prof. Fischer pflichtete ihm diesbezüglich bei: Bei Krankheit dürfe keine Scham bestehen, sich Hilfe zu holen.

Frau Kuhn wollte anschließend von Dr. Wagner wissen, ob die aktuelle Zeit depressions- und angstfördernd sei. Laut Fakten- und Studienlage hätten psychische Erkrankungen über die letzten Jahrzehnte nicht zugenommen, so Dr. Wagner. Gestiegen sei jedoch die Inanspruchnahme des Systems, was er insbesondere auf eine gelungene Entstigmatisierung zurückführt. Bei psychischen Erkrankungen vergingen zwischen Erstsymptomatik und dem Aufsuchen von Hilfe dennoch meist Jahre, was – analog zu körperlichen Erkrankungen – natürlich die Therapie erschwere bzw. verlängere. Um diese Zeit zu verkürzen, müsse man bereits in den Schulen beginnen, Aufklärungs- und Präventionsarbeit zu leisten. Das Interesse der Schüler an diesem Thema sei bereits enorm, so Dr. Wagner.

Im Rahmen der Entstigmatisierung hätten auch Personen wie Robert Hochner (ehemaliger Fernsehmoderator), der sich zu seinen Depressionen bekannte, einen wichtigen Beitrag geleistet.

Der Weg zur Diagnostik und Behandlung

Wann zu handeln sei, merke man am eigenen Leidensdruck, so Dr. Wagner. Im Selbsthilfebereich der pro mente Wien merke man die Bedeutung der Selbsthilfe – diese sei eine gute Eintrittspforte, sich beraten zu lassen. Dieses sogenannte „peer counseling“ „oder „Peer-Beratung“ ermögliche ein glaubhaftes Vermitteln, was den ehemaligen Betroffenen geholfen habe. Diese Personen seien speziell geschult, um qualifizierte Selbsthilfe bieten zu können. Oft sei jedoch auch hier das Hinbegleiten der Betroffenen durch eine Vertrauensperson notwendig. Als weitere Möglichkeiten der Erstberatung nennt Dr. Wagner den Hausarzt, Therapeuten sowie Ambulanzen.

Es müsse selbstverständlicher werden, sich bei psychischen – analog zu körperlichen Beschwerden – entsprechende Hilfe zu holen. Diese Barrieren in den Köpfen sollten bereits in den Schulen abgebaut werden.

„Psychotherapeuten-Dschungel“

Fr. Prof. Fischer betonte, wie schwer die Wahl des richtigen Erstansprechpartners sei. Sie hält den Hausarzt für eine bedeutsame Säule in diesem System, da diesen aufzusuchen keine so große Hürde darstellen würde. In unserem System jedoch fehle dem Hausarzt häufig die Zeit, sich umfassend mit dem Krankheitsbild zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang spiele ein erfahrener Psychotherapeut eine große Rolle. Prof. Fischer sieht dies auch als große Aufgabe der Gesundheitsministerin, das Psychotherapiegesetz zu vereinfachen und konsumentenfreundlicher zu gestalten.

Oftmals wüssten Patienten nicht über die verschiedenen Richtungen Bescheid, geschweige denn, welche Therapien bei welchen Erkrankungen die passendsten wären.

In Österreich gäbe es sehr viele Psychotherapeuten; um sich jedoch in diesem „Dschungel“ zurechtzufinden, müsse in ihren Augen das System stark vereinfacht werden.

Die Patienten sollten ebenfalls verstärkt darüber aufgeklärt werden, dass Medikamente eine sehr große Wirksamkeit besäßen. Eine zu lange Wartezeit jedoch führe zur Angstspirale mit depressiver Symptomatik, welche die Therapiedauer entsprechend verlängere. Die Skepsis unter den Patienten gegenüber Medikamenten sei immer noch sehr groß. Eine bereits bestehende stärkere Depression könne frische Luft einfach nicht mehr heilen. Eine weitere Hürde sei es, anschließend einen Platz beim Therapeuten zu bekommen.

Die Reaktion der Angehörigen sei oft dennoch verständlich, so Prof. Doering. Eine vermutete Diagnose des eigenen Partners, Kindes etc. sei natürlich mit großer Angst verbunden. Somit würde dies oft verdrängt und simple Tipps („Geh öfter an die frische Luft, dann wird das schon!“) seitens der Angehörigen gegeben.

Die Angehörigen würden sich oft die Frage stellen, welche Veränderungen im Leben sich durch eine Diagnose ergeben würden, und ob diese es selber ertragen könnten. Ein „Verschließen der Augen“ davor sei völlig normal, weiters gäbe es die Hürde, wie eine solche Vermutung zu kommunizieren sei.

Viele Menschen würden hier Unterstützung brauchen, so Prof. Doering. Für eine gewisse Unbeholfenheit der Angehörigen müsse man Verständnis haben.

Es müsse aber doch möglich sein, ein verändertes Verhalten einer nahestehenden Person auch offen anzusprechen, so Dr. Wagner. Dies sei auch vor dem Hintergrund, dass viele psychiatrische Phänomene körperliche Ursachen haben können, sehr wichtig. So könne die Person gebeten werden, ein Symptom abklären zu lassen, da z.B. die Schilddrüse darauf einen Einfluss haben könne. So bekäme man die meisten Personen zumindest einmal zum Hausarzt.

Therapie

Prof. Doering erklärte, dass sowohl bei angst- als auch depressiven Erkrankungen Medikamente und eine psychotherapeutische Behandlung die Methoden der Wahl seien.

Aus den Leitlinien sei die Indikation zur Psychotherapie sowohl bei jeder Angsterkrankung als auch bei jeder Depression ablesbar. Bei den allermeisten – außer bei sehr leichten Erkrankungen (z.B. Phobien, leichte Depressionen) – sollten zudem Medikamente gegeben werden. Ab einer gewissen Schwere der Erkrankung sei eine Kombination aus beidem in Erwägung zu ziehen, so Prof. Doering.
Prof. Doering im Gespräch
V.l.n.r.: Prof. Gabriele Fischer, Dr. Rudolf Wagner, Gabriele Kuhn und Prof. Stephan Doering.

Als grundsätzliche Problematik sieht Fr. Prof. Fischer das Fehlen einer Lobby für die Psychiatrie in Österreich. Bei onkologischen Therapien hätten sich große Therapiefortschritte und neue Ansätze durch Forschung ergeben, im Vergleich sei die psychiatrische Medikationsentwicklung deprimierend. Es habe sich in den letzten Jahrzehnten diesbezüglich besorgniserregend wenig getan. Dies sei umso schwieriger, da die Betroffenen oftmals extrem skeptisch gegenüber Medikamenten seien.

Laut Prof. Fischer gäbe es potente Mittel, auch wenn man anfangs oftmals den richtigen Wirkstoff finden müsse. In diesem Zusammenhang gefiele ihr auch der englische Ausdruck der „chemical imbalance“ des Gehirns. Sei diese Balance durch Medikation wieder hergestellt, würden sich die Patienten rasch besser fühlen, und häufig ermögliche dies erst psychotherapeutische Gespräche. Sie plädiert für ein rasches Anfangen mit entsprechender Medikation – räumt aber auch ein, dass es zu wenige Fachärzte für Psychiatrie und viel zu wenige Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie gäbe. Dies bestehe schon in der Stadt, sei am Land aber noch ein viel größeres Problem. So gäbe es in der Steiermark beispielsweise keinen einzigen Kassenplatz für einen Kinder- und Jugendpsychiater. Sie fragt sich, wo denn hier die Lobby sei.

Häufig hätten auch bereits die Angehörigen von Patienten massive Stimmungsschwankungen.

Dr. Wagner ergänzte in diesem Zusammenhang die beiden Säulen medikamentöse Therapie und Psychotherapie noch um die dritte Säule der Soziotherapie.

Kostenfaktor

Im Bereich der Kosten wies Fr. Prof. Fischer auf die derzeit laufende Bildgebungsdebatte (insbesondere das MRT betreffend) hin und sprach von einer Zweiklassenmedizin. Ähnlich schwierig sei es, einen Termin bei einem Kassenfacharzt für Psychiatrie zu bekommen. Seit Jahren handele es sich bei der Psychiatrie um ein Mangelfach. Die öffentliche Diskussion, es könne im Bereich der bildgebenden Verfahren so nicht weiter gehen kann, würde sie sich auch für den psychiatrischen Bereich wünschen.

Prof. Doering unterstrich dies als einen auch ihn aufreibenden Bereich. Es gäbe nicht nur eine Zweiklassenmedizin zwischen arm und reich, sondern auch zwischen körperlich und psychisch krank. Dass die Kosten für eine Psychotherapie in Österreich nur für einen sehr kleinen Anteil der Patienten voll erstattet werden (wohlgemerkt ginge es um etwa 50€/h), sei unzumutbar. Alle anderen hätten einen Selbstbeitrag von 2/3 bis 3/4 pro Therapiestunde zu leisten, da die Krankenkassen nur 23€/h erstatten würden. Man sollte mal auf die Idee kommen, analoge Bezahlmodelle bei Herzkranken bzw. Diabetikern vorzuschlagen, so Prof. Doering.

Es sei ein komplettes Versagen der Regierung, dass jene, die es am schwersten hätten, das Geld zu verdienen, auch am meisten von ihrer Therapie bezahlen müssten. Dass zwischen Psychotherapeuten und Sozialversicherungsträgern seit den frühen 90er-Jahren kein Vertrag zustande gekommen sei, sei skandalös. Die Schwächsten würden hier diskriminiert.

Dr. Wagner wendet ein, dass die fachärztliche Seite in Wien gegeben sei; diesbezüglich widersprich ihm Fr. Prof. Fischer jedoch vehement. Es gäbe in der Realität bei Kassenpsychiatern eine Wartezeit von Wochen für einen Termin.

Medikamente

Laut Prof. Fischer sei es in der evidenzbasierten Medizin unbestritten, dass Antidepressiva in der Behandlung der Depression wirksam seien. Es fehlten allerdings durch den Mangel an finanziellen Ressourcen neue, superwirksame Mittel. Die kompetenten Medikamente, die man jedoch habe, würden ähnlich einem Antihypertensivum bzw. Insulin abhängig machen.

Häufig würden jedoch die Patienten, wenn es ihnen besser ginge, die Medikamente absetzen. Diese sollten aber, wenn überhaupt, nur unter ärztlicher Aufsicht ausgeschlichen werden. Häufig sei eine lange oder gar lebenslange Einnahme der Medikamente notwendig.

Man müsse diese Medikamente jedoch 1-2 Wochen einnehmen, bis man eine Besserung merken könne. Es gebe natürlich sofort wirksame Mittel, bei diesen sei allerdings sehr aufzupassen. Im Akutfall seien diese sehr wichtig, jedoch immer in Begleitung eines Arztes kontrolliert einzunehmen.

Die Gefahr in der Angstbehandlung liege laut Prof. Doering nicht in den Antidepressiva, die ebenfalls als Hauptmedikament eingesetzt würden, sondern in den Benzodiazepinen. Diese Beruhigungsmittel wirkten wunderbar, hätten jedoch ein sehr großes Abhängigkeitspotenzial (auch körperlich). Sie sollten nur im Notfall bzw. für eine sehr kurze Zeit eingenommen werden. Die Psychotherapie zeige auch hier wieder ihre Bedeutsamkeit, schließlich könne ein Medikament nicht die auslösenden Konflikte, Erfahrungen und Muster heilen.

Dr. Wagner plädiert in diesem Zusammenhang für eine offene Patienten-Arzt-Kommunikation. Die Patienten sollten ehrlich mitteilen, was sie an einem Medikament störe, um die für sie richtige Wirkstoffklasse zu finden. Ohne ehrliches Feedback sei dies zum Scheitern verurteilt.

Frau Kuhn wollte anschließend vom Plenum wissen, was eine Psychotherapie im Rahmen einer solchen Erkrankung leisten könne.

Prof. Doering erklärte, die Basis jeder Psychotherapie(richtung) sei es, dem Betroffenen Hilfestellung zu geben, sich selbst besser zu verstehen und mit Schwierigkeiten anders umzugehen. Manchmal sei auch ein Hinwenden zur Kindheit notwendig.

Bei der Verhaltenstherapie lege der Schwerpunkt darauf, im Jetzt zu üben und zu handeln, um neue Erfahrungen zu machen. In den psychoanalytischen Therapien läge der Fokus auf den früheren Beziehungen, dem Wiedererleben von Erlebnissen, wodurch eine Änderung des Verhaltens erzielt werden könne.

Laut Prof. Fischer gäbe es für verschiedene Indikationen verschiedene geeignete psychotherapeutische Richtungen.

Tipps für Angehörige

Frau Kuhn weist auf den Verein HPE hin – „Hilfe für die Angehörigen psychisch Erkrankter“ -, welcher spezifisch Angehörige unterstützt.

Laut Dr. Wagner seien Angehörige Erkrankter schwer belastet, teilweise mit dramatischen Situationen alleine. Er empfiehlt jedem, sich im Verein HPE Hilfe zu suchen. Dies sei eine „Außenanspielstelle“, die außerhalb der Familie läge. Angehörige würden zu lange in sich bleiben; es sei aber wichtig, mit Personen in Kontakt zu kommen, die nicht so stark involviert seien.

Laut Prof. Fischer gehe es häufig um Schuldzuweisungen und Ratlosigkeit. Oftmals würden insbesondere Eltern in die Erschöpfung kommen. Mit einer verbesserten Versorgung in Österreich wäre auch der Druck der Angehörigen gelindert.

Der spannende Vortrag mit dem gut zusammengesetzten Plenum stieß auf großes Interesse. Der Van-Swieten-Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, teilweise standen die Besucher während der eineinhalb Stunden dauernden Diskussion. Im Anschluss nutzen viele noch die Möglichkeit, den Experten Fragen zu stellen. Bei Getränken und Gebäck konnte man anschließend den Abend ausklingen lassen.

Credits

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Prof. Doering im Gespräch Prof. Doering im Gespräch Johanna Bickel CC BY-SA 4.0
Kurier Gesundheitstalk: Depression und Angst Kurier Gesundheitstalk: Depression und Angst Johanna Bickel CC BY-SA 4.0