Kunsttherapie – eine psychedelische Erfahrung
Alles war am Glühen in der Dunkelheit dieses Raumes – Glühstäbe und -würfel, UV-Gemälde und Formen wie Quallen … Sogar meine Seele glühte. Zum ersten Mal nach dem, was ewig zu dauern schien, war meine Seele nicht mehr verloren in der Dunkelheit. Sie war auch nicht selbst die Dunkelheit, stattdessen war sie dieser Strahl aus Licht und Glitzer, der Inbegriff von Hoffnung und Glück.
Es schien, als sei ich zu einem Paralleluniversum gereist. Ich war einer mystischen Erfahrung näher als je zuvor – ein wirklich fremdartiges Gefühl.
Ich kann mich noch immer lebhaft an den Moment erinnern, wie ich diesen Raum zum ersten Mal betrat. Wie würdest du dich fühlen, wenn ich dich einladen würde, mit mir dort hinein zu gehen? Spielen wir ein Gedankenspiel: drei, zwei, eins.
Schließ deine Augen nach jedem Satz, den du gelesen hast, und stelle dir vor, was ich beschreibe – baue es auf, Stück für Stück. Keine Sorge, falls deine Vorstellungskraft ein wenig eingerostet sein sollte, ich werde dir mit ein paar Fotos helfen.
Du öffnest also die Tür, und alles, was du siehst, ist eine Unmenge von Farben: Grün, Orange, Pink und Blau formen verschiedenste Muster.
Nach dem Betreten des Raumes bemerkst du Menschen, die geduldig dabei sind, all diese willkürlich geformten Konstruktionen aufzubauen.
Du blickst etwas länger durch den Raum und siehst andere, die mit Hula-Hoop-Reifen spielen oder Musik machen.
Dein Verstand ändert den Fokus vom Visuellen zum Akustischen, und du beginnst, eine atmosphärische, psychedelische Musik wahrzunehmen.
Ich hoffe, dass du nun in deiner Vorstellung ein starkes Bild von diesem Raum aufgebaut hast, denn du wirst es brauchen, wenn du aktiv an dieser Geschichte teilnehmen willst.
Alles in diesem Raum fühlte sich lebendig an, was mir das Gefühl gab, ich sei Alice und der Raum das Wunderland. Da war sogar eine Raupe, eine türkise Gummiraupe. Sie hatte eine seltsame Oberfläche, die mir eine Gänsehaut machte.
Ich konnte diese Raupe einfach nicht festhalten und ließ sie fallen. Während sie zu Boden fiel, konnte ich nicht anders als mich zu fragen: Wird sie sich in einen Schmetterling verwandeln und sich retten, oder wird sie eine Raupe bleiben und auf den Boden prallen? Sie prallte auf.
Ich begann, über mich selbst nachzudenken und darüber, wie oft ich schon aufgeprallt war, so wie diese Raupe. In einer Sekunde geht es mir gut, ich bin glücklich, man kümmert sich um mich und ich fühle mich geliebt. Doch plötzlich ist das ganz anders, und es fühlt sich an, als sei ich im freien Fall. Ich sehe den Boden immer schneller näherkommen und bin wie betäubt. Ich weiß nicht, was ich tun soll, und so schließe ich meine Augen und hoffe, dass ich mich in einen Schmetterling verwandle. Manchmal funktioniert das, manchmal nicht. Warum ist das so, frage ich mich.
Ist mein Glaube vorherbestimmt, oder habe ich einen freien Willen? Doch wenn ich wirklich einen freien Willen habe, warum kann ich mich nicht jedes Mal in einen Schmetterling verwandeln?
Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich auf meinen Knien hockte und Glühstäben hinterherjagte. Einige leuchteten heller, andere hatten ein Strichelmuster und einige schimmerten nur ganz schwach. Ich begann, sie zusammenzusetzen, einen nach dem anderen, bis das Resultat einen Sinn zu ergeben schien. Was für eine passende Metapher für die Anhäufung von Momenten, aus denen sich das Leben aufbaut, sagte ich zu mir selbst.
Ich baute eine Sonnenblume, die sehr wie die mathematische Repräsentation eines Blumenarrangements aussah. Aber warum betrachtete ich die kindliche Abbildung einer Blume mit einem so kalkulierenden Blick? Ich fühlte mich, als arbeite mein Gehirn wie eine Maschine, die Muster sah und erkannte und sie dann bekannten Parametern zuordnete. Aber mein Gehirn konnte kein Computer sein – oder doch?
Meine Gedanken wurden unterbrochen, als sich alle um ein weißes Tuch zu versammeln begannen. Ich setzte mich zu ihnen. Dann hörte ich ein raschelndes Geräusch und sah, wie meine Freundin einige Tuben mit UV-Farbe aus einer Plastiktüte hervorholte. Wir nahmen uns jeweils eine Farbtube und begannen, damit zu malen, Spuren auf dem weißen Tuch zu hinterlassen. Von nun an würde dieses Tuch niemals wieder leer sein. Es war befleckt von uns Menschen und unserem Bedürfnis, auch noch die winzigste Delle im Sand der Zeit zu hinterlassen.
Und noch etwas anderes passierte auf diesem Tuch. Wir malten alle zur gleichen Zeit und hatten daher keine Vorstellung davon, was die anderen vorhatten. Wir hätten sicherlich ab einem gewissen Punkt eine gemeinsame Richtung finden können, doch schien sich niemand dafür zu interessieren. Wir alle malten weiterhin völlig eigenständig. Man sollte meinen, dass das zu komplettem Chaos geführt hätte, und doch schien jedes Element wie ein Teil einer Säge. War das ähnlich wie die menschliche Existenz?
Wir mögen den Gedanken, dass wir eigenständige Individuen sind, und bis zu einem gewissen Grad sind wir das tatsächlich. Wir sind aber auch Teil von etwas Größerem, das sich Gesellschaft nennt.
Wenn ich bis drei zähle, verlässt du diesem Raum und kehrst auf den Planeten Erde zurück. Eins. Zwei. Drei.
Kunsttherapie, das war es, zumindest für mich. Wir waren alle innerhalb der Grenzen dieses einen Raumes, umgeben von einer Unmenge an kindischen Objekten, die wir als Werkzeuge benutzten, um Kunst zu erschaffen – Kunst, die uns half, unsere Gefühle auszudrücken, bestimmte Gedanken zu hinterfragen und unser Unterbewusstsein anzusprechen. Einer der Vorteile der Kunsttherapie ist, dass man kein echter Künstler sein muss, jeder kann es machen. Obwohl man ohne Zweifel viel mehr davon hat, wenn man sich der Anleitung eines Kunsttherapeuten anvertraut, kann man auch ganz alleine davon profitieren.
Erwecke das Kind in dir und lasse deine Kreativität frei fließen, wenn auch nur für ein paar Stunden. Es wird Wunder wirken für dein physisches, mentales und emotionales Wohlbefinden!
Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake