Kulturpolitik in Schwarz-Blau: Ist Österreichs Kunst in Gefahr?

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Politik

Veranstaltungsdaten

Datum
14. 12. 2017
Veranstalter
Karl Renner Institut in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Kulturpolitik und dem SPÖ-Parlamentsklub.
Ort
Dachfoyer Hofburg
Veranstaltungsart
Podiumsdiskussion
Teilnehmer
Mag. Andreas Schieder, Abg.z.NR, gf. Klubobmann SPÖ-Parlamentsklub
Mag. Maria Maltschnig, Direktorin Karl-Renner-Institut
Mag. Thomas Drozda, Abg.z.NR, stv. Klubobmann SPÖ-Parlamentsklub
Thomas Diesenreiter, Kulturmanager, polit. Aktivist, GF "die KUPF",
Maxi Blaha, Schauspielerin, Sängerin
Serge Falck, Schauspieler, Drehbuchautor
Elisabeth Hakel, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kulturpolitik

Inmitten der Regierungsverhandlungen von Schwarz-Blau 2 veranstaltete das Karl-Renner-Institut eine Podiumsdiskussion zum Thema Kulturpolitik. Zwar hatten sich Proteste von Künstlerinnen und Künstlern wie im Jahr 2000, als „Schwarz-Blau 1“ angelobt wurde, aktuell in Grenzen gehalten, dennoch sehe die SPÖ Bedarf nach einem sachlichen Diskurs. Ein Blick nach Oberösterreich, wo die freien Kulturinitiativen bereits mit erheblichen Kürzungen konfrontiert seien, bestätige diese Einschätzung.

In seiner Eröffnungsrede spricht der gf. Klubobmann des SPÖ-Parlamentsklubs, Mag. Andreas Schieder, von einem „guten Wahlkampftrick“, nämlich die ÖVP oberflächlich türkis anzumalen, und warnt gleichzeitig vor einem ebenso oberflächlich geführten Regierungsstil, der in einer Demokratie nichts verloren habe.

Wohin geht die Reise mit der neuen Regierung? Ist Österreichs Kultur unter der neuen schwarz-blauen Regierung in Gefahr?

Kritik übt Schieder sowohl an der bereits erfolgten Streichung des von der SPÖ initiierten Beschäftigungsprojektes „Aktion 20.000“, mit dem man Langzeitarbeitslosen 50+ eine neue Perspektive am Arbeitsmarkt verschaffen würde, als auch an der geplanten Wiedereinführung der verpflichtenden Schulnoten.

Im Anschluss an Schieders Eröffnungsrede richtet die Direktorin des Karl-Renner-Instituts, Mag.a Maria Maltschnig, die Rede an die zahlreichen Gäste: Die schwarz-blaue Kulturpolitik sei in Oberösterreich bereits angekommen, alle freien Kulturinitiativen seien aktuell mit Budgetkürzungen von einem Drittel konfrontiert. Dies bedrohe klarerweise die Existenz vieler Kulturschaffender. Oberösterreich gelte allgemein als Versuchslabor der schwarz-blauen Politik. Es sei daher nicht unwahrscheinlich, dass man so auch in die Zukunft der österreichischen Innenpolitik und Kulturpolitik blicken könne.

Ist ein Rechtsruck in Österreich zu sehen? Kann man Wahlen nur noch gewinnen, indem man Flüchtlinge instrumentalisiert? Wie wird der Umgang mit Minderheiten, mit Schwächeren aussehen, wenn Schwarz-Blau regiert? Kommt es künftig zu ‚mehr privat, weniger Staat‘?

Thomas Diesenreiter, Kulturmanager, Geschäftsführer von „die KUPF“ und Initiator von „Rettet das Kulturland Oberösterreich!„,  bestätigt, dass der erste Budgetplan des neuen Landeshauptmannes von Oberösterreich, Mag. Thomas Stelzer, massive Kürzungen sowohl im Kulturbereich als auch im Sozial- und Bildungsbereich vorsehe, begründet durch die Notwendigkeit einer Null-Schulden-Politik. Gleichzeitig erhöhe man aber das Budget des Wirtschaftssektors – ein klares Zeichen für eine neoliberal ausgerichtete Politik.

Der zum Zeitpunkt der Veranstaltung noch amtierende Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien, Mag. Thomas Drozda, zum Thema Budget:

Ferdinand Lacina (ehem. Finanzminister) hat den Satz geprägt: ‚Budget ist in Zahlen gegossene Politik‘.

Ausgehend von der internationalen Relevanz und der Frage, was Österreich ausmache – insbesondere außerhalb des europäischen Kontinents -, bleibe letztendlich nur Kunst und Kultur übrig. Sich als Kunst- und Kulturnation zu rühmen, aber nichts zur nachhaltigen Finanzierung beizutragen, führe sich demnach ad absurdum. Drozda auf die Frage, ob er einen Rechtsruck in der Gesellschaft ausmachen könne: „Ja.“ Dieser Prozess habe aber nicht plötzlich stattgefunden, vielmehr habe er sich über etliche Jahre schleichend entwickelt und sich jetzt in einer klaren Mehrheit von knapp 60 Prozent rechts der Mitte etabliert.

Wie sieht es nun bei den Künstler*innen aus? Werden sich die zivilgesellschaftlichen und kulturellen Initiativen jetzt vermehrt auf die Straße begeben, oder wartet man erst einmal ab?

Die Schauspielerin & Sängerin Maxi Blaha erläutert, dass Künstler*innen immer ganz knapp an prekären Lebenssituationen leben würden. Ständig müsse man von Neuem beweisen, dass man sein Handwerk verstehe, und so finde man sich sehr oft in in der ungewollten Rolle der Bittstellerin wieder. Diese Ausgangslage gebe eine schlechte Basis, sich formieren zu können. Dass Künstler*innen vorwiegend Einzelkämpfer seien, mache die Situation auch nicht einfacher. Blaha habe schon im Jahr 2001 Bekanntschaft mit der wenig freundlichen Kulturpolitik der FPÖ – unter Schwarz-Blau 1 – gemacht, als der Antrag auf die Errichtung eines Musiktheaters in Linz abgelehnt worden sei. Sie zweifle nicht daran, dass Österreich unter Schwarz-Blau 2 die gleiche Kulturpolitik erfahren werde und sehe wenig Hoffnung darin, dass die Solidarität unter den österreichischen Künstler*innen groß genug würde, um gemeinsam „auf die Straße zu gehen“.

Der belgisch-österreichische Schauspieler und Drehbuchautor Serge Falck teilt diese Meinung nicht: Verglichen mit Belgien und den Niederlanden, wo er immer wieder beruflich zu tun habe, sei Österreich ein reich bestelltes Land. Grundsätzlich seien Förderungen aber sehr wichtig, um die Rahmenbedingungen für Kunst und Künstler*innen zu schaffen. Er selbst habe aber bis dato nur ein einziges Mal um eine Förderung angesucht. Falck sei immer jemand gewesen, der versucht habe, einen Zug in Gang zu setzen und andere zu motivieren, anstatt nur auf eine Förderung zu warten. Sein Engagement im Unterstützungskomitee von Sebastian Kurz begründete er damit, dass er aufgrund seiner Tätigkeit als Integrationsbotschafter Kurz bereits seit sieben Jahren kenne und mit ihm jederzeit einen offenen Diskurs führen könne, auch wenn man unterschiedlicher Meinung sei. Dies sei wichtig und auch richtig, solange man gemeinsam für die Sache kämpfe.

In Sachen Solidarität habe Diesenreiter ganz andere Erfahrungen als Maxi Blaha gemacht: Im Herbst 2017 rief er die Kampagne „Rettet das Kulturland Oberösterreich!“ ins Leben; und am Start der Kampagne hätten ihn zahlreiche Unterstützungsangebote erreicht. Zum Thema „Angst“: Speziell in Oberösterreich hätten Mitarbeiter*innen in Kulturbetrieben geheim für ihn und seine Kampagne Unterschriften gesammelt und Flyer verteilt, ohne sich öffentlich zu bekennen. Ein Klima, das gerade im Kulturbereich äußerst bedenklich sei.

Mag. Thomas Drozda vernehme vonseiten der FPÖ und ÖVP zum Thema Kultur aktuell relativ wenig, dafür umso mehr vom Sujet „Rauchen in Lokalen“ – und das sei problematisch. Am Ende gehe es in der Kulturdebatte nicht um die repräsentativen Kultureinrichtungen, wie z.B. Albertina oder Nationalbibliothek, die von den artikulationsfähigsten Akteuren vertreten seien, sondern um genau jene Bereiche, die sich weniger artikulieren könnten und wo prekäre Beschäftigungsverhältnisse vorherrschen würden. Hier gelte es, gemeinsam die Stimme zu erheben. Drozda stelle sich die Frage, wohin die Diskussion um die Einführung von Studiengebühren oder die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten das Land Österreich bringe.

Was heißt das jetzt, wenn im Wahlprogramm der ÖVP von einer Modernisierung der österreichischen Kulturnation die Rede ist? Was erwartet uns da?

Thomas Diesenreiter nennt an dieser Stelle die Entwicklung der offiziellen Budgetzahlen im Land Oberösterreich beginnend mit  2001. Im Förderbereich sei man jetzt bei einem Minus von 66% – ein markanter Einschnitt. Diesenreiter rechnet damit, dass unter diesen Voraussetzungen 2018 viele Kulturinitiativen aufgeben würden. Kulturpolitik habe eine unglaubliche Gestaltungskraft in der Gesellschaft, und diesen Aspekt solle die Sozialdemokratie erkennen. Künstlerinitiativen und Künstler*innen hätten den Wunsch, als Partner einen gesellschaftlichen Diskurs zu gestalten – und nicht nur als Almosenempfänger betrachtet zu werden. Serge Falck ergänzt Diesenreiters Sichtweise und spricht sich dagegen aus, Kunst und Kultur ausschließlich auf den wirtschaftlichen Nutzen zu reduzieren.

In der letzten halben Stunde der Veranstaltung widmeten sich die Diskussionsgäste den zahlreichen Publikumsfragen und -kommentaren. Hier nun das vollständige Video:
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