Kuba – Auf der Suche nach einer neuen Erzählung
Viva la revolucion! Patria o muerte! Die Schlachtrufe vom Ende der Fünfzigerjahre prangen an Häuserwänden und Plakaten, im Museum der Revolution im ehemaligen Präsidentenpalast sieht man Einschusslöcher und Militärgeräte von damals. Ebenso wie diese Warnungen aus alter Zeit scheinen auch die Schlachtrufe von damals nicht mehr so zugkräftig zu sein. Kein Wunder: Die proklamierte immerwährende Revolution ist schwer durchzuhalten.
Das Land, die Menschen sind zusammengeschweißt: durch die lange Blockade der USA, die damit verbundenen Entbehrungen und die andauernde Gefahr einer Invasion durch den übermächtigen Nachbarn, dessen Geheimdienste vor allem in den Sechzigerjahren zahllose Anschläge und Umsturzaktionen auf Kuba durchführten. Dies ist auch der Grund für das hohe Nationalbewusstsein der Kubaner.
Nicht selten führen die daraus entstehenden Engpässe zu (vom Blockadeland gewünschten) Aufständen und politischen Veränderungen. Dank der Unterstützung der Sowjetunion und – nach deren Zusammenbruch – der engen Zusammenarbeit mit lateinamerikanischen Staaten (vor allem Venezuela) konnte Kuba diese massiven Herausforderungen ziemlich gut meistern.
Dennoch: Die mit Obama begonnene Entspannung zur USA lässt – sofern sie weitergeführt wird (was unter der aktuellen Administration alles andere als sicher ist) – die Helden der Vergangenheit langsam verblassen. Als Letzter ist Fidel Castro vor wenigen Jahren verstorben, sein Bruder Raúl, der momentan die Staatsgeschäfte leitet, ist auch schon im Winter seines Lebens. Kuba wird eine neue Erzählung für seine Identität benötigen. Ob diese im Zuge der Entspannung zum Westen stattfindet, wird die Zukunft zeigen. Die Jugend wird sich mit den alten Geschichten wohl nicht mehr lange zufriedengeben.
Zeit im Überfluss
Man geht an einem Häuserblock vorbei, an dem gearbeitet wird. Zwei kubanische Bauarbeiter unterhalten sich angeregt. Fünfzehn Minuten später kommt man wieder am Gebäude vorbei, die beiden stehen immer noch da. Man steht in einem Schnellimbiss an der Theke: Minuten vergehen, bis der gelangweilte Angestellte die Bestellung entgegennimmt, stattdessen werden Listen geschrieben.
In allen Restaurants gibt es Bedienstete im Überfluss, in Museen sitzt in jedem Zimmer eine Aufpasserin. Die technische Ausstattung ist allgemein eher gering und auch nicht notwendig, da genügend menschliche Arbeitskraft vorhanden ist. Egal ob man ein Zimmer reserviert oder einen Transfer, oder ob man ein Auto mietet: Alles ist sehr zeitintensiv und mit einer Unmenge an Zettelwirtschaft verbunden – auch wenn das Papier manchmal (wie beim Zoll passiert) nur eingesammelt, aber nicht kontrolliert wird. Akten sortieren ist schließlich auch ein Job.
Gegen Müßiggang ist prinzipiell auch nichts einzuwenden, wenn er nicht dazu führt, dass das Land und seine Gesellschaft in seiner Entwicklung stillsteht. Überspitzt gesagt: Wenn man die Tage damit verbringt, Löcher in die Luft zu starren, dann wird das der persönlichen Entwicklung wenig zuträglich sein.
In den (vor allem im Tourismus) langsam mehr werdenden Privatunternehmen scheint die Sache etwas besser zu laufen. Auch wenn sie hohen Steuern unterworfen sind (private Gewinne müssen zu einem erheblichen Teil der Allgemeinheit zu Gute kommen – ein im Westen komplett vergessener, richtiger Ansatz), so scheint der Anreiz zu wachsen, sich selbst zu organisieren.
„Apartheid“ auf kubanisch
Auf Kuba gibt es zwei Währungen: eine für Kubaner (den CUP) und eine (viel teurere) für Touristen (den CUC). Ausländern ist es bei hohen Strafen verboten, CUP auszuführen oder mit diesen zu bezahlen. Von manchen Bussen und Taxis dürfen Ausländer nicht transportiert werden – tun sie es dennoch, winken saftige Strafen. Auch manche Shops (bei denen sich meist lange Schlangen bilden) sind den Inselbewohnern vorbehalten.
Dem System der zwei Währungen ist etwas abzugewinnen: Während man von Touristen aus den meist entwickelten/reicheren Ländern abkassiert, kann für die Einheimischen ein erträgliches Niveau der Lebenserhaltung gewährleistet werden. Ein kluger Weg für ein Schwellenland. Dennoch hat auch dieses System seine Schattenseite: Viele Kubaner – vor allem in den Touristenzentren – sehen den Ausländer als wandelnden Geldautomaten.
Alles in allem ist Kuba jedenfalls eine Reise wert. Einerseits ob der Natur und der Sehenswürdigkeiten, andererseits als „Zeitreise“ in die Welt des Realsozialismus. Es empfielt sich, des Spanischen mächtig zu sein, da fast alle Museen und Sehenswürdigkeiten ausschließlich spanisch betextet sind und nur sehr wenige Kubaner englisch sprechen.