Jordanien – Königreich des Friedens?

Jordanien Königreich
Politik

Veranstaltungsdaten

Datum
31. 5. 2016
Veranstalter
Diplomatische Akademie Wien
Ort
Diplomatische Akademie, Festsaal
Veranstaltungsart
Podiumsdiskussion
Teilnehmer
Bisher Al-Khasawneh, Botschafter Jordaniens in Ägypten
Werner Fasslabend, President, Austria Institute for European and Security Policy
Werner Schüssel, Bundeskanzler a.d.
Kurt Seinits, Moderator, Kronenzeitung

Am 25. Mai 2016 feierte Jordanien den 70. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Ebenfalls heuer jährt sich zum 100. Mal die Arabische Revolution – der Aufstand der Araber gegen das Osmanische Reich, auch Aufstand in der Wüste genannt.

Jordanien liegt zwischen dem Irak, Saudi-Arabien, Syrien und Israel – eine der instabilsten Regionen dieser Welt. Dennoch habe es das hiesige (im Gegensatz zu Saudi-Arabien beliebte) Königshaus der Haschimiten erreicht, das Land relativ erfolgreich zusammenzuhalten. König Abdullah II. trage wie seine Vorgänger „zwei Hüte“ – das Zeichen dafür, dass er die westjordanischen Völker, v.a. Palästinenser, und die ostjordanischen Völker regiere.

Jordanien sei das einzige arabische Land, das Palästinensern die Staatsbürgerschaft gewährte und die gleiche Regierungsform wie zum Zeitpunkt seiner Gründung habe, wenngleich es nach dem Verlust der Westbank im Sechstagekrieg von 1967 eine Anpassung der Verfassung geschehen sei. Die Institutionen des Landes seien demokratisch, es fänden regelmäßig Wahlen statt, Opposition (im Parlament befinden sich die Muslimbrüder) sei ebenso erlaubt wie auch Demonstrationen. Die unterschiedlichen Völker würden ihre Identität über den jordanischen Staat definieren, was an der sehr durchmischten jordanischen Armee zu erkennen sei. Das politische System sei inklusiv – die Meinungsfreiheit zwar nicht auf westlichem Standard, jedoch für ein arabisches Land relativ gut entwickelt,  so der Botschafter. Der aktuell regierende König investiere viel in Jugend und Ausbildung. An den Verhandlungen sei der neue Premierminister Hani Al-Mulki beteiligt gewesen, die 1994 in der Washingtoner Erklärung zu einem Friedenvertrag mit Israel geführt hätten. Dieser Vertrag sei nicht unumstritten, dennoch trage ihn die Mehrheit der Jordanier mit.

Das Königreich verfüge über eine sehr junge, rasant wachsende Bevölkerung, was v.a. auf den Zuzug von Flüchtlingen aus den angrenzenden Krisengebieten zurückzuführen sei. Allein 1,4 Millionen syrische Flüchtlinge – für die das Land freie Bildung und Gesundheitsversorgung zur Verfügung stelle – leben in Jordanien. 1987 zählte das Land 2,7 Millionen Einwohner, heute sind es 9,5 Millionen. Die Hauptstadt Amman hatte 1991 350.000 Bewohner, heute etwa 3,5 Millionen.

Das Land sei massiv auf ausländische Hilfe angewiesen. Nur 80% des Budgethaushalts werde selbst aufgebracht, etwa 10% würden aus internationalen Hilfszahlungen bestehen; der Rest finanziere sich durch Schulden. Ein Grund für diese Situation sei das Chaos, in dem die beiden wichtigsten Handelspartner Jordaniens, Syrien und Irak, versunken seien. Über Syrien laufe auch der Haupthandelsweg nach Europa.

Weiters müsse heute teures Öl zur Energieversorgung eingeführt werden. Früher sei das günstige Erdgas aus Ägypten der Hauptenergielieferant gewesen. Mithilfe von neuen gesetzlichen Regelungen wolle Jordanien Auslandsinvestitionen ins Land holen. Neben der prekären finanziellen Lage – sowohl in den Flüchtlingslagern (hier würden jährlich 10-15 Milliarden Euro benötigt, nur ein Teil davon komme über das UNHCR und andere Organisationen ins Land) als auch für die einheimische Bevölkerung – sei auch die Versorgung mit Wasser eines der großen aktuellen und künftigen Probleme.

Der Arabische Frühling sei an Jordanien relativ gewaltfrei vorübergegangen. Der Botschafter meint, die Dialogbereitschaft der Politik mit der Bevölkerung sei dafür der Hauptgrund. Vor zwei Jahren habe König Abdullah II. eine Veranstaltung zum Schutze von religiösen Minderheiten organisiert. Dies zeige die auch in der arabischen Welt anerkannte Position Jordaniens, als Vermittler in unterschiedlichen Konflikten aufzutreten. Mit Israel herrsche ein pragmatisches Verhältnis (der Botschafter sprach von „our Israeli friends“), in der Palästinenserfrage strebe Jordanien eine Zweistaatenlösung an. Der oft beschworene arabische Gemeinschaftsstaat sei zwar möglich, angesichts der aktuelle Situation aber eher ein zu Chaos führender Albtraum – siehe Syrien, Somalia oder den Jemen. Aktuell würden die Diskutanten keinen Integrationstrend orten.

Der jordanische Botschafter hält nichts von jenen Verschwörungstheorien, die besagen würden, dass die westliche Welt die arabischen Länder und den Nahen Osten zerstören wolle. Diese Aussage ist ob der engen Beziehungen Jordaniens zum Westen, spätestens seit 1996, nicht allzu überraschend. Er sieht die chaotische Entwicklung der letzten Jahrzehnte darin begründet, dass die Länder dieser Region nie die Chance gehabt hätten, Demokratie zu lernen und sich friedlich zu entwickeln. Der Nahe Osten würde eine Organisation wie die OSZE benötigen. Die arabische Liga scheint hierfür nicht geeignet zu sein. Auch wenn die Palästinenserfrage eine zentrale Bedeutung für viele Konflikte habe – für den IS sei sie das Feigenblatt/die Ausrede für ihre Handlungen -, gebe es auch viele Konflikte, die damit nichts zu tun hätten: siehe Algerien, Ägypten, oder auch das Verhältnis der Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien zueinander. Die Probleme mit Daesh/IS-Sympathisanten seien in Jordanien überschaubar, obwohl sich die jordanische Armee aktiv im Kampf gegen den Terrorstaat engagiere. Da es in Jordanien kein Machtvakuum wie im Irak und in Libye gebe, könne der IS nur im Untergrund agieren.

Mit dem Aufruf an die Welt „Don’t abandon our region“ – „gebt uns nicht auf„, beendete der Botschafter die Veranstaltung.

Fazit der Veranstaltung: Es war klar zu erkennen, dass die jordanischen Diplomaten ihr Land in einem wohl besseren Licht erscheinen lassen wollten, als tatsächlich der Realität entsprechend, vor allem in Bezug auf Menschenrechte und freie Meinungsäußerung. Man darf dabei allerdings nicht vergessen, in welcher regionalen und finanziellen Lage sich das Land befindet. Und welche Leistungen es unternimmt, um die Flüchtlingsströme zu bewältigen, die weitaus größer als in Europoa sind. Vom hohen Ross des sicheren Österreich aus lässt es sich recht einfach mit dem erhobenen Zeigefinger auf diese Region zeigen …

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