Ist Vater-Mutter-Kind Schnee von gestern?

Lebenswelten

Muttertag und Vatertag haben sich in unserem Jahreskreis so etabliert, dass sie fixer Bestandteil der Feierlichkeiten im Frühling sind. Während die einen unbedingt an der Tradition festhalten wollen, stehen andere dem ablehnend gegenüber, weil sie fälschlicherweise den Ursprung des Muttertags im Nationalsozialismus vermuten. Oder weil sie meinen, dass in erster Linie kommerzielle Gründe dahinterstecken. Oder andere wiederum wollen Mutter- und Vatertag gänzlich abschaffen und die Bezeichnung Mutter und Vater gleich dazu, um die Gefühle von Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen, nicht zu verletzen.

Aus meiner Sicht geht es weder um das eine noch um das andere. Und es geht schon gar nicht um das, was Erwachsene hineininterpretieren. Viel zu oft müssen Kinder sich nach der Perspektive der Erwachsenen richten und viel zu selten werden die Kinder gehört. Auch wenn vermeintlich Mama oder Papa gefeiert werden, so sind es in Wirklichkeit Feiertage für die Kinder, denn sie sind diejenigen, die schon Tage oder Wochen vorher liebevoll basteln, zeichnen und malen, Pläne schmieden, um den Tag zu gestalten, eine Unmenge von Geschenken vorbereiten, Blumen pflücken und Frühstück kochen. Das Feiern der Mutter oder des Vaters sind der kindliche Ausdruck von Liebe und Wertschätzung. Obwohl viele Kinder heute nur bei einem Elternteil aufwachsen, so haben sie ein Urbild von Familie in sich angelegt, das sie romantisieren. Selbst wenn einer der beiden nicht oder nicht oft Teil ihres Lebens ist, so greifen Kinder die Triangulation von sich aus auf und verkörpern ihre Vorstellungen im beliebten Rollenspiel „Vater – Mutter – Kind“, durchaus auch als Ausdruck ihrer Sehnsucht und der Suche nach ihren Wurzeln.

Familien können in unserer Zeit die unterschiedlichsten Konstellationen haben. Abgesehen vom Konstrukt der ursprünglichen Kernfamilie, gibt es diverse Varianten, die es Kindern nach einer Trennung ermöglichen, beide Elternteile regelmäßig zu sehen. Und auch hier geht es nicht um die Sicht der Erwachsenen und es darf schon gar nicht darum gehen, den ehemaligen Partner mit Kontaktentzug zum Kind zu kränken oder zu bestrafen. Es geht um das Bedürfnis des Kindes, eine sichere und aufrechte Bindung zu Mama und Papa zu haben und um den nötigen Halt für eine optimale Entwicklung. Kinder haben ein Recht auf beide Elternteile.

Dabei mag es durchaus der Fall sein, dass Papa der Meinung ist, dass Mama dieses oder jenes nicht richtig macht. Oder umgekehrt. Sei es darum! Ja, Väter machen Dinge anders als Mütter bzw. machen Mütter Dinge anders als Väter. Nicht besser und nicht schlechter. Einfach anders. Kinder haben ein Recht auf Varianten, solange sie authentisch sind. Das ehrliche Bemühen zählt.

Und sie haben ein Recht darauf, dass das Ego ihrer Eltern nicht auf ihrem Rücken ausgetragen wird. Der Geschlechterkampf, ob er nun innerhalb der Familie oder in Form von Medienmanipulation stattfindet, ist kontraproduktiv. Ich plädiere dafür, dass wir für unsere Kinder, aber auch für uns selbst dem Mann-gegen-Frau-Kampf bewusst ein Ende setzen und uns am kindlichen Vater-Mutter-Kind-Spiel orientieren. Darin zeigen uns unsere Kinder ganz genau, wie sie sich ihre Familie wünschen, nämlich mit klar verteilten Rollen mit weiblichen und männlichen Aufgaben. Wir müssen nur hinsehen und zuschauen, um sie zu verstehen.

In kindlichen Rollenspielen gibt es kein Minder-werten von Weiblichkeit und im kindlichen Rollenspiel gibt es auch kein Männer-Bashing. Ein Frauenbild, das auf instinktiven, kindlichen Vorstellungen beruht, ist liebevoll, warm, fürsorglich und geduldig. Das korrespondierende männliche Vorbild ist beschützend, stark, aktiv und führend.

Das in Kindern angelegte Urbild der Frau ist nicht devot, verlangt kein Unterordnen wie es in früheren Familienformen der Fall war und strebt andererseits in seinem Tun nicht nach Gleichheit mit dem Mann, denn es ist schon allein deshalb gleichwertig, weil es sich der Stärke bewusst ist, die gelebte Weiblichkeit in sich trägt.

Das kindliche Männerbild ist weder patriarchalisch noch böse. Genauso wenig ist es verpflichtet, sich für alles Männliche zu rechtfertigen und zu entschuldigen, sondern darf mit Stolz den Schutz der Familie nach Außen übernehmen.

Die reine, kindliche Vorstellung der beiden Pole ist wie Yin und Yang. Es ist die Philosophie einer idealen Kombination zweier gegensätzlicher Kräfte auf Augenhöhe, die einander ergänzen. Jeder der beiden Teile für sich allein ist unvollständig, nur gemeinsam können sie zur optimalen Einheit „Eltern“ werden, bestehend aus einer Mutter, die ihre Mutterrolle liebt und sich im Familienverband wertgeschätzt fühlt und einem Vater, der dazu stehen darf, dass er seine Vaterrolle liebt und sich ebenso wertgeschätzt fühlt. Es ist eigentlich so einfach. Und gleichzeitig so schwierig.

Im Grunde fühlt es sich für die meisten Menschen richtig an, wenn sie authentisch sein und ihrem natürlichen Wesen folgen dürfen. Stattdessen spüren viele Eltern die Diskrepanz zwischen der veröffentlichten Meinung auf der einen Seite, die Frauen und Männern ein Leitfaden geworden ist, wie sie sich verhalten sollen und der öffentlichen Meinung auf der anderen, mit der viele Mütter und Väter hinter dem Berg halten, weil sie sich nicht zuzugeben trauen, dass sie sich von den Ansprüchen, die die moderne Gesellschaft an junge Eltern stellt, überfordert fühlen.

Geschlechterrollen sind etwas Wunderschönes, wenn sie nicht als richtig oder falsch oder als gut oder böse oder besser oder schlechter gewertet werden, sondern als das, was sie sind: Die Rahmenbedingungen, die Kindern jene Wurzeln geben, die sie brauchen, um sich beim Erwachsenwerden orientieren zu können.

Und bei dieser Gelegenheit möchte ich als Denkansatz in den Raum stellen, ob es nicht der ständige gesellschaftlich geforderte Wettkampf zwischen Männern und Frauen um Gleichheit ist – die wir ohnehin beiderseits nie erreichen werden – und der Mangel an gegenseitiger Wertschätzung, die für die vielen Trennungen und Scheidungen verantwortlich sind.

Ich möchte für meine Tochter kein Leben voller Überforderung zwischen Mutterrolle und Karriere, während sie ihre Weiblichkeit unterdrückt, um männer-gleicher zu werden.

Und ich möchte für meinen Sohn kein Leben voller Schuld, in dem er sich jeden Tag dafür rechtfertigen muss, dass er als weißer Mann auf die Welt gekommen ist, somit praktisch stellvertretend verantwortlich für alles, was in den vergangenen Zeiten des Patriarchats falsch gemacht wurde.

Ich schreibe nicht für Mütter und nicht für Väter, auch nicht für Frauen oder Männer. Ich schreibe schon gar nicht für politische Interessen, sondern einzig für das Wohl der Kinder. In ihrem Sinne muss die nächste gesellschaftliche Entwicklung die Ent-manzipation sein. Ent-manzipation als Befreiung von aufgezwungenen gesellschaftlichen Ansprüchen nach Gleichmacherei, die belastend, überfordernd und desorientierend wirken, die uns krank machen, unsere innere Natur unterdrücken anstatt Weiblichkeit und Männlichkeit als gleichwertig zu feiern und zu leben. Beides brauchen unsere Kinder, um sich gesund zu entwickeln und die in ihnen angelegte Persönlichkeit zu entfalten.

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PNG – 008-YOUTUBE Wolfgang Müller CC BY-SA 4.0