Street Report zur Outdoortagung der „Initiative Demokratie & Grundrechte“ (Teil 1)
Anfang Juli 2021 lud die Plattform Demokratie und Grundrechte zu einem Outdoor-Symposium auf die Zirkuswiese im Wiener Prater. Der Verleger und Autor Dr. Hannes Hofbauer zieht in seinen einleitenden Worten Bilanz über die bisherigen Aktionen dieser Plattform. Dieses Mal soll es nach drei Impulsreferaten, die zentrale Inhalte abstecken, zu einer breiten Diskussion der Anwesenden kommen: über den Überwachungsstaat und den gläsernen Menschen, die Gesundheitspolitik und über die Frage, wie es zum heutigen Zustand, in dem viele in Angst leben, kam.
Die Historikerin Univ-Prof. Dr. Andrea Komlosy wirft zu Beginn einen historischen Blick auf den Begriff Polizei, die im 19. Jahrhundert auch für die Überwachung gesundheitlicher Standards zuständig war. Gesundheitspolitik ist heute nicht nur ein Staatsanliegen, sondern ein großes unternehmerisches Geschäftsfeld – und dabei geht es nicht mehr nur um Heilung, sondern in zunehmendem Maße um (Leistungs)Optimierung. Diese wiederum bedarf einer ständigen Überwachung von Körper und Geist. Während der Reisepass auf eine Egalisierung der Staatsbürger abzielt, setzt der neue grüne Gesundheitspass auf Ungleichbehandlung und eine Beweislastumkehr: der Bürger muss nachweisen, nicht krank zu sein. Das Recht auf Freizügigkeit wird an Voraussetzungen geknüpft, die willkürlich über Verordnungen verändert werden können. Die regelmäßigen Gesundheitschecks öffnen Datensammlern Tür und Tor, die Gesundheitsindustrie profitiert massiv davon.
Auch wenn der Lockdown vorerst beendet wurde, so gibt es mit dem Grünen Pass eine neue Ausweispflicht, meint Christoph Hammer, Mitglied der Gruppe Wandel. Jeder Mensch gilt nun grundsätzlich als gefährlich und muss das Gegenteil selbst beweisen. Über die Registrierung in Restaurants etc. werden Daten gesammelt, die man sowohl zur Überwachung von (Regierungs)Kritikern, als auch für wirtschaftliche Zwecke missbrauchen kann. Wie man am Polizeieinsatz gegen feiernde Jugendliche am Karlsplatz gesehen hat, können konstruierte Vorwürfe jederzeit zu Sperren des öffentlichen Raums – also zu lokalen Lockdowns – führen. Die Organisation informeller Strukturen – außerhalb von Vereinen und Parteien – wird erschwert, was wohl im Sinne der Regierenden ist vermutet Hammer. Es würde reichen, sich auf die bestehende Verfassung zu berufen, um diesem Treiben ein Ende zu setzen.
Dem kann die Verfassungsrechtlerin und Kommunikationstrainerin Mag. Martina Szüsz nur zustimmen und sie fragt sich ob wir schon in einer Dystopie des Überwachungsstaates leben? Grundsätzlich geht es bei Überwachung um Fehlervermeidung. Diese Überwachung muss aber Grenzen haben. Nach einer kurzen Definition des Staatsbegriffs greift auch Szüsz den Artikel 1 der Verfassung auf: Das Recht geht vom Volk aus (und kehrt nie mehr zurück?). Gewaltenteilung, das Rechtsstaatsprinzip und das Grundrechtsprinzip sind Grundpfeiler eines demokratischen Staates – und alle sind aktuell stark gefordert. Denn die Realverfassung hat mit Kelsens Vorstellung nur noch wenig zu tun: Politik wird über Parteitelefone entschieden; es wurden gesetzliche Grundlagen mit positiv geframten Namen geschaffen, die die Gewaltenteilung vor allem zu Gunsten der Exekutive geschwächt haben; Freiheiten wurden zu Gunsten von Sicherheiten eingeschränkt – deren Verhältnismäßigkeit wurde aber bis dato nicht überprüft; Gesetze und Sammelnovellen wurden ohne Begutachtungszeiten durchs Parlament geboxt – vor allem die Zivilgesellschaft blieb oft außen vor. Großes Lob äußert Szüsz für die österreichischen Gerichte, die zahlreiche Gesetze und Verordnungen wieder aufgehoben haben.
In der folgenden Diskussion werden obige Themen vertieft besprochen.
Teil 2 des Street Reports zur Outdoortagung der „Initiative Demokratie & Grundrechte“ erscheint in bälde.
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Outdoortagung der Initiative Demokratie und Grundrechte 1 | Wolfgang Müller | CC BY SA 4.0 |