Inhaltliche und strategische Erneuerung der SPÖ (BSA)
In der BSA Online-Diskussionsrunde sprachen der Historiker und Kommunikationsberater Georg Brockmeyer, die Abgeordnete zum Nationalrat Julia Herr, der Ökonom und ehemaliger Leiter der Sektion 8 Nikolaus Kowall und der Gründer und Geschäftsführer des Innovation in Politics Institute Edward Strasser über die inhaltliche und strategische Erneuerung der SPÖ.
Julia Herr sieht die Ausrichtung der Sozialdemokratie darin, sich für jene einzusetzen, die ihre Arbeitskraft am Arbeitsmarkt anbieten müssen, um ihr Leben zu finanzieren. Die seit 2008 historisch offenen Fenster sind heute aktueller denn je, das zeigt sich auch in den momentanen Krisen. Für sie ist das sozialdemokratische Zeitalter angebrochen, es braucht einen Kandidaten, der das glaubwürdig nach außen verkörpert. Durch die derzeit laufende Mitgliederbefragung sind endlich wieder sozialdemokratische Inhalte in den Medien, etwa Mindestlohn oder Arbeitszeitverkürzung sowie Kindergrundsicherung. Diese Themen sprechen auch junge Menschen an und verbessern die Lebensrealität aller Menschen.
Nikolaus Kowall führt seinen Idee der Strategie eines sozialen Fortschritts, um dem Rechtspopulismus Einhalt zu gebieten, aus. Auf der einen Seite schweigt die SPÖ Wien das Thema Migration tot, andererseits steht die Doskozil-Strategie in der Tradition der ehemaligen Innenminister Schlögl und Löschnak und „haut auf das Ausländerthema drauf“. Dadurch hat sich die SPÖ halbiert, es braucht eine andere Strategie um diese Flanke abzudecken. Es gilt die Realität, die FPÖ und ÖVP in die Welt setzen, umzudeuten. Weder ist die Sicherheitslage noch die Zuwanderung ins Sozialsystem noch die Islamisierung ein tatsächliches Problem. Er plädiert dafür, bei diesem Thema die realen Probleme zu sehen und die „Paranoia-Blase“ sein zu lassen. Damit wird man aber erst mittelfristig erfolgreich sein, aber diese Strategie schärft das sozialdemokratische Profil.
Georg Brockmeyer als erfahrener Parteimanager meint, dass zwar auch die Kommunikation der SPÖ auf die Höhe der Zeit gebracht werden muss; wichtiger allerdings ist, dass die eigenen Leute wieder Mut zur eigenen Meinung bekommen: es braucht wieder mehr Haltung, auch gegenüber der herrschende Funktionärskaste in der Partei. Dieses nötige Herzblut sowie Motivation und Authentizität sieht er bei der aktuellen Kampagne von Andreas Babler, die ehrenamtlich und sehr professionell von Parteimitgliedern getragen wird. Dieses „Wissen der Vielen“ muss auch im Großen wieder angezapft werden.
Edward Strasser sieht eine gelingende Strategie darin, Partizipation zu ermöglichen, wie sich auch in der aktuellen Abstimmung über den Parteivorsitz zeigt. Dieser Ansatz ist in anderen Ländern sehr viel stärker verankert als in Österreich: Wahlprogramme und Koalitionsvereinbarungen sowie Inhalte können dort gemeinsam abgestimmt werden. Das führt zu einer Re-Politisierung und einem viel stärkeren Engagement. Je mehr Mitglieder Inhalte und Personen mitbestimmen können, desto erfolgreicher ist die Partei. Auch die Personalentwicklung ist ein wichtiges Thema: Volatilität spielt eine Rolle, es braucht ein ständiges Anpassen. In Berlin gibt es das „Progressive Zentrum“, um sozialdemokratische und grüne Ideen zusammen zu bringen. Dort werden nicht nur Inhalte geplant, sondern auch ein Personalpool geschaffen, um Menschen an Bord zu halten, auch wenn es Niederlagen gibt, auf die man jederzeit zurückgreifen kann. In diesem Bereich hat die SPÖ wenig getan.
In der weiteren Diskussion wird auf Vor- und Nachteile der aktuell laufenden Wahl des neuen Parteivorsitzenden eingegangen. Für Edward Strasser ist es nicht nachzuvollziehen, dass man Mitglieder für nicht intelligent genug hält, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Georg Brockmeyer hält die SPÖ-interne Kritik an der SPD-Abstimmung über den Vorsitzenden für ignorant. Dieser Prozess hat zu einer Einigung geführt, die dem dortigen Wahlerfolg zu Grunde liegt. In der SPÖ fehlt das organisatorische Zentrum, das einen solchen Prozess erfolgreich begleiten kann. Nikolaus Kowall sieht zwar die Bedeutung der Einigkeit nach außen, aber ebenso die Notwendigkeit einer zumindest innerparteilich öffentlichen Debatte, die die erstarrte Funktionärssicht aufbricht. Julia Herr sieht in der Beteiligung der Mitglieder eine wichtige Grundlage für den zukünftigen Erfolg der SPÖ: das Ergebnis sei jedenfalls zu respektieren – besser wäre es, wenn nach der Befragung ein klares Ergebnis da wäre. Eine nach der Abstimmung notwendige Einigung sollte sich an thematischen Schwerpunkten orientieren, mit denen man die nächste Wahl gewinnen kann.
Abschließend werden noch Publikumsfragen beantwortet.
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BSA – Erneuerung der SPO-YOUTUBE-IPHP | Wolfgang Müller | CC BY SA 4.0 |