Ich gondele durch die Welt
Nach der Beendigung meines Studiums war es einfach noch zu früh für mich, um mit dem Arbeitsleben zu beginnen. Ich hatte das starke Gefühl, noch verschiedene Erfahrungen sammeln zu müssen, bevor ich einen Job von acht bis fünf (oder vielleicht von sieben bis sieben) übernehmen könnte. So wanderte ich auf dem Jakobsweg, arbeitete als Freiwillige mit syrischen, afghanischen, irakischen und pakistanischen Flüchtlingen in Griechenland und unternahm eine Trekkingtour beim „Dach der Welt“.
(aus: Gehe lieber, wo kein Weg ist)
Nach meiner Zeit in Griechenland ging ich nach Nepal. Die Trekkingtour zum Everest-Basislager war eine weitere große Herausforderung für mich und brachte mich aus vielerlei Gründen an mein Limit: das Gewicht meines Rucksacks, der Regen, die Sauerstoffknappheit in den höheren Lagen und die Lebensmittelvergiftung. Und doch war es einmalig.
Während meiner Zeit in einem nepalesischen Krankenhaus lernte ich, mich anzupassen – an die unglaubliche Hitze, an die Aufmerksamkeit der Einheimischen (weil sie nicht an den Anblick Fremder gewöhnt sind), an die Nagetiere in meinem Zimmer und das eintönige Essen (2x am Tag Reis mit Linsen). Menschen sind sehr anpassungsfähig, und ich kann mich buchstäblich an alles gewöhnen, was mir in die Quere kommt. Es ist der Verstand, der entscheidet, ob wir ein Hindernis überwinden können oder nicht. Also müssen wir ihn unter Kontrolle bringen – klingt einfach, oder?
Die Idee einer Reise durch Indien existierte schon länger in meinem Kopf. Allerdings wollte ich das nicht alleine machen. Während des Trekkings in Nepal lernte ich aber drei Inder kennen. Endlich hatte ich einen Grund, ihr Land zu besuchen, und die Bekanntschaft mit den Einheimischen machte dabei alles sehr viel einfacher für mich.
Manchmal blieb es auch nicht beim Anstarren, nein, die Leute machten Fotos von mir – gelegentlich auf sehr versteckte und hinterhältige Art. So taten sie manchmal, als ob sie ein Selfie machen, während sie mit dem Smartphone in der Hand vorbeigingen. Manchmal fragten sie auch, ob sie ein Foto machen können, akzeptierten dann aber mein Nein nicht so wirklich.
Sagte ich nein, wurden manche Leute wirklich grob und blieben so lange, bis sie ein Foto bekamen. Zunächst fand ich das irgendwie interessant und neu, aber bald begann es zu nerven, weil es ständig passierte (was für ein verrücktes Leben Prominente haben müssen!). Ich blieb dann einfach hart und sagte nein, auch wenn das eigentlich nicht meinem Charakter entspricht.
Fragten jedoch Kinder oder Frauen, sagte ich ja, weil sie sich sehr darüber freuten. All das werde ich wahrscheinlich niemals verstehen, weil es eine völlig andere Kultur ist, aber es ist wohl etwas Ähnliches, wie wenn ich gerne ein Bild von einer sehr traditionell erscheinenden indischen Person machen möchte. Die fragt sich dann vielleicht auch: „Warum will diese Frau unbedingt ein Foto von mir?“
Indien ist unglaublich, eine niemals endende spirituelle Reise der Selbstentdeckung und Selbsterschaffung und das intensivste und faszinierendste Land, das ich jemals besuchte.Es ist das Land von Yoga, Ayurveda und Kamasutra, das Land, in dem das Schachspiel und das Zahlensystem u.v.m. erfunden wurde …
Der Motorradtrip über die höchsten Straßen der Welt in Ladakh war ein Traum, der sich anfühlt, als sei er vor langer Zeit für mich geschrieben worden, und ich durfte ihn erleben. Es war das beste und aufregendste Abenteuer von allen, weil ich mich frei fühlte und mein natürliches Selbst ausleben durfte. Das Gefühl, die ganze Zeit mit der Natur verbunden zu sein, frei und vom Rest der Welt abgeschieden zu sein (wir begegneten nur ganz wenigen Menschen) – atemberaubend.
Auf einem Motorrad zu sitzen, nur ich, die Maschine und die Geräusche der Natur – unbezahlbar, und ich empfehle jedem Naturliebhaber, das auch zu versuchen. Ladakh ist die perfekte Mischung aus buddhistischer und tibetischer Kultur, atemberaubender Natur, freundlichen Menschen, großartigen Wandermöglichkeiten, frischer Luft sowie Geschichte und Vielfalt. Es machte mich sprachlos. Manchmal fuhren wir lange, ohne einen einzigen Menschen zu sehen, nur umgeben von den Bergen des Himalaya und den Geräuschen von Falken, Hirschen, Pferden und Yaks.
Meine Zeit mit Nomaden in der indischen Wüste gab mir einen interessanten Einblick in das Dorfleben, ihre Sitten und Gebräuche. Es zeigte mir, wie schwierig es ist, in der Wüste zu leben, mit weniger als 1 Dollar/Tag, ohne Toilette, fließendes Wasser oder irgendeine Tür.
Ein normaler Tag sieht dort so aus: Als Erstes am Morgen die Kuh oder die Ziege melken, dann aufräumen, Feuer anzünden, das eigene Brot backen, Tee kochen, Wasser aus dem Brunnen holen, Reis kochen, essen, aufräumen und abwaschen und dann dasselbe von vorne. Am Nachmittag gab es etwas Freizeit, die die Frauen für ein Schönheitsprogramm nutzten: Make-up und Nagellack auftragen, die Haare kämmen und ölen und dann vielleicht noch etwas tanzen. Die Männer erledigten Gelegenheitsjobs in den nahegelegenen Städten. Die Dorfbewohner und Kinder waren sehr nett. Doch gab es auch dort einige Schattenseiten, über die ihr in meinen kommenden Artikeln lesen werdet.
Und schließlich mein Studium der Alternativen Medizin, darunter Ayurveda, eine der ältesten Medizinlehren der Welt: Es ist großartig, weil es mir eine völlig neue Sicht auf die Allopathische Medizin erlaubt. Der Hauptunterschied zwischen Alternativer und Allopathischer Medizin ist, dass Letztere hauptsächlich darauf abzielt, körperliche Symptome zu lindern, während die Holistische Medizin sich auf die Harmonie zwischen Körper, Verstand und Seele konzentriert und so die Ursache für die Krankheit zu finden versucht. Es gibt noch viel mehr Unterschiede, die ich später erklären werde …
Und da bin ich nun, noch immer ein Nomadenleben führend und stets auf dem Weg von einem Ort zum anderen mit meinem Rucksack und meinen Büchern. Dieses Abenteuer, dieser rastlose Lebensstil ist wie eine Achterbahn und wirklich die aufregendste, lehrreichste und ereignisreichste Zeit, die ich jemals hatte. Ich hatte so oft davon geträumt und konnte diesen Traum tatsächlich wahr machen – und ich bin so dankbar allen gegenüber, die mir das ermöglicht und an mich geglaubt haben.
DANKE!!
Was denkt ihr – seid IHR bereit, eure Ketten zu sprengen und ebenfalls euren Traum zu leben?
P.S.: Bleibt dran – mein nächster Artikel enthüllt die Schattenseiten meines „Nomadenlebens“.
Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake