Herzlich willkommen in New Mexico
Es war ein Traumfänger, einer dieser „indianischen“ Gegenstände, die schlechte Träume abhalten und einen beschützen sollten. Ein Drahtkreis mit einem Netzgeflecht in der Mitte, dekoriert mit Perlen und behängt mit ein paar Federn.
Die Leute hängen diese Dinger an ihre Fenster, ins Schlafzimmer oder ins Auto. Ich habe diese Art von Gegenständen nie gemocht, aber dieser hier war schön gearbeitet und gar nicht kitschig. Ich drehte ihn um und bemerkte ein Etikett, auf dem stand: Handarbeit aus Taos, New Mexico.
Ich hatte mich gefragt, ob ich diesen Ort eines Tages besuchen sollte, und es dann wieder vergessen. Jetzt aber, ein paar Monate später, im Innenhof eines Wohngebäudes in West Hollywood sitzend, war das nächste Ziel damit klar.
(aus: Anruf aus Hollywood)
Der Bahnhof von L.A. beeindruckte mich mit seiner Schönheit, es war eine Kathedrale des Reisens aus einer Zeit vor der hegemonialen Herrschaft des Privatautos. Ich fand schnell einen Zug, der in meine Richtung fuhr: der „Southern Chief“ nach Chicago.
Ich wollte in Gallup in New Mexiko aussteigen und versuchen, von dort aus über Santa Fe nach Taos zu trampen. Ein paar Stunden später fuhr der Zug ab und rollte dann stundenlang durch trostloses vorstädtisches Ödland. Als ich im Mittelgang ein wenig herumging, stieß ich auf das „observation car“, einen Aussichtswaggon, über dessen gesamte Seite sich Fenster vom Boden bis zur Decke zogen.
Es war für mich der erste Anblick der Wüste, und es schien mir wie der allererste Anblick von Land am ersten Morgen, den es jemals irgendwo gab. Die Entwicklung dieses Morgens zu einem Tag hatte meinen Kopf vollständig entleert. Hinzu kam ein Gefühl des totalen Friedens, das so physisch durchdringend war, dass es mich bewegungslos machte. Mit dem Lächeln eines Idioten auf dem Gesicht blieb ich und beobachtete, wie sich alles entfaltete.
Auf einem meiner weiteren Streifzüge durch die Gänge des Zuges fiel mir ein japanisches Mädchen auf mit einer stacheligen Punkfrisur und einem Reiseführer über New Mexico in der Hand. Ich hatte keinerlei Ahnung von dem Reiseziel, das ich mir ausgesucht hatte, noch nicht einmal eine Landkarte hatte ich mir angesehen. Daher ging ich zu ihr und fragte sie, ob es in ihrem Buch ein Kapitel über Taos gebe und ob ich später vielleicht einen Blick hinein werfen könne, wenn sie es gerade nicht brauche.
Sie war zunächst ziemlich überrascht, von einem Fremden angesprochen zu werden, antwortete aber sehr höflich in gebrochenem Englisch, dass ihr Name Amita sei und sie in dieselbe Richtung wolle. Und natürlich könne ich mir das Buch ausborgen!
Wie sich herausstellte, hatte ihr Vater sie in die USA geschickt, um einen seiner ehemaligen Studenten an der Universität in Nordkalifornien zu treffen, und sie hatte vor dem Treffen ein paar Wochen zur freien Verfügung. Wir unterhielten uns weiter, und bald hatten wir entschieden, dass es Sinn machen würde, unsere Reise gemeinsam fortzusetzen, weil es sicherer und auch billiger sein würde.
Dann kam eine Frau zu uns, die unsere Unterhaltung mitbekommen haben musste. Sie sagte, dass sie als Einheimische sich verpflichtet fühle, uns ihre Unterstützung anzubieten, vor allem da sie in Gallup lebe, wo wir auf unserem Weg ins nördliche New Mexico ohnehin vorbeimüssten. Sie war sehr freundlich und schien völlig harmlos. So stiegen wir alle zusammen in Gallup aus dem Zug und verbrachten die Nacht im Haus dieser Frau, in dem ein Dutzend Kinder aller Altersstufen herumwuselte und Tag und Nacht ständig Leute ein und aus gingen.
So fuhren wir drei Richtung Taos, zunächst ostwärts auf der I-40, dann in nördlicher Richtung nach Albuquerque und weiter durch Santa Fe und Espanola, bis wir etwa fünf Stunden später in Taos ankamen. Während die Frau unaufhörlich über ihre Familie und was auch immer quasselte, starrten Amita und ich auf die vorüberziehende Landschaft.
Als wir nach Taos hineinfuhren, erinnerte ich mich, dass Amitas Reiseführer die Kleinstadt als eine Art exklusive Hippiekolonie beschrieben hatte und dass der einheimische Stamm noch immer das „Pueblo“ bewohnen solle, das ein paar Meilen nordöstlich lag. Ich hatte keine Vorstellung, was ein Pueblo war oder wer die Menschen waren, die dort lebten. Aber da musste ich wohl hin, wenn ich etwas über den Ursprung meines Traumfängers herausfinden wollte.
Ich bat die Amerikanerin, mich am Stadtrand abzusetzen. Da ich nicht wusste, was weiter geschehen würde, verabschiedete ich mich. Die beiden Frauen sagten mir, dass sie den Tag in der Nähe verbringen würden, um sich Taos anzusehen. Falls ich mich doch entscheiden sollte, mit ihnen zusammen zurückzufahren, könnten wir uns später auf der Plaza treffen.
Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake
Credits
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Neu Mexico | Ken Lund | CC BY-SA 2.0 |