Stefan Kraft: Herrschaft der Angst, Freie Publizistik und Klassengesellschaft
Bei ´Reiner Wein – Der politische Podcast aus Wien´ ist der Verleger, Autor und Publizist Stefan Kraft zu Gast.
Im Gespräch mit Gunther Sosna schildert er seine Beweggründe, beim im Promedia Verlag erschienenen Buch „Herrschaft der Angst“ mitzuwirken. Für Kraft ist es erschreckend, wie schnell sich bestimmte Entwicklungen (Einschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte) in Gesellschaft und Politik verfestigen und wie wenig Widerstand es dagegen gibt. Herrschaft habe immer eine ökonomische Basis, deshalb müsse man sich ansehen, zu wessen Vorteil politische Entscheidungen getroffen werden und wer diese beeinflusst. Auch in der bürgerlichen Demokratie gäbe es weiterhin die Marx’schen Klassen; die ehemals kapitalismuskritischen Parteien (z.B. Sozialdemokraten) haben sich über die Jahrzehnte mit dem ehemaligen Klassenfeind arrangiert.
Auch wenn der klassische Arbeiter heute schwer unterscheidbar geworden ist, so könne man die „Unterschicht“ immer noch soziologisch definieren. Früher war sich die Arbeiterklasse ihrem Streben nach sozialer Gerechtigkeit wesentlich stärker bewusst. Das friedliche Hinüberwachsen in den Sozialismus ohne Revolution gegen die Bourgeoisie, wie es manche Austromarxisten vertraten, sei nicht eingetreten. Der darauffolgende Faschismus habe in weiten Teilen Europas zu einer Atomisierung der Arbeiterklasse geführt. Im Kalten Krieg gab es für die revolutionären Strömungen der Zwischenkriegszeit keinen Platz, die 68er und die Umweltbewegung kommen schon nicht mehr aus der Arbeiterklasse, auch wenn sich deren Proponenten mit ihr verbrüdern.
In der Coronakrise wurde der Solidaritätsbegriff weitgehend missbräuchlich verwendet: denn nicht nur in der 3. Welt, sondern auch in unseren Breiten litten und leiden vor allem die Unterschichten unter dem Lockdown (vor allem was die Wohn- und die Berufssituation betrifft). Das Klatschen für Menschen in Gesundheitsberufen sei zwar eine nette Geste, mache die (teils massive) Unterbezahlung für eine anstrengende und lebensnotwendige Arbeit, die zu einem Großteil von Migranten geleistet wird, aber nicht besser. Weiters müsste man darauf hinweisen, wie viele Krankenhäuser 2020 geschlossen wurden, wodurch der Druck auf das Gesundheitspersonal noch stärker zunimmt. Hier gäbe es für die politische Linke genügend Ansätze, Solidarität zu zeigen/fordern – und nicht darin, noch härtere Lockdowns zu fordern. Viel schlimmer als Europa trifft es den Globalen Süden, wo es keine soziale Absicherung gibt und die Ausübung eines Jobs überlebenswichtig ist. Auch hier sieht man bisher keine Form der Solidarität.
In oben genanntem Buch wurde dargelegt, dass sich die Vermittlung von Zwangsmaßnahmen mit dem Mittel der Angst durchaus nicht nur auf Corona beschränkt: auch im Kampf gegen den Terrorismus wurde diese Strategie schon erfolgreich angewandt, um zahlreiche Bürgerrechte mittels Sondergesetzen einzuschränken – obwohl die Bedrohung für den Einzelnen verschwindend gering ist. Kraft bringt das Beispiel der Razzien nach dem Terroranschlag von Wien, wo willkürlich politisch motivierte Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden. Einer der damals Betroffenen steuerte auch einen Beitrag zum Buch bei.
Im weiteren Verlauf des Gespräches geht es um die Verbindung von Neoliberalismus und Angstherrschaft, die regelmäßige Verwendung von Krisen zur Umverteilung von unten nach oben (Finanzkrise, Corona etc.), Corona als Brandbeschleuniger für eine schnellere Neoliberalisierung der Welt inklusive staatlicher Überwachungsmaßnahmen, die zunehmende Behinderung/Verfolgung von Arbeiterbewegungen und Gewerkschaften und vieles mehr.
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RW – Stefan Kraft | Wolfgang Müller | CC BY SA 4.0 |