Hauptsache Panik: Eine europäische Pandemiegeschichte

Gesellschaft

Der Arzt und Medizinhistoriker Dr. Gerd Reuther hat gemeinsam mit seiner Frau, der Historikerin Dr. Renate Reuther kürzlich das Buch „Hauptsache: Panik“ veröffentlicht, das sich mit einem neuen Blick auf die Pandemiegeschichte Europas beschäftigt.

Bei ihren Recherchen, die sich durchaus aufwendig gestalteten, da man zahlreiche Primärquellen durchforsten und im Internet tiefgreifender nachforschen musste, kamen sie zum Schluss, dass der Blick auf die Pandemien sowohl historisch als auch medizinisch umgeschrieben werden müsse. Die aktuell als gültig erachteten Grundlagentexte dazu scheinen bei genauerer Betrachtung und einem umfassenden Faktencheck wenig schlüssig zu sein.

Berichte von Pandemien wurden demnach immer dann in die Welt gesetzt, wenn es den Herrschenden wichtig war, mit Angst und Panik größere Macht über die Menschen zu erringen, ein Phänomen, das uns erst kürzlich im Zusammenhang mit dem Covid-19-Infektionsgeschehen wieder einmal drastisch vor Augen geführt worden ist. Ziel dieser Narrative ist es, Maßnahmen implementieren zu können, die die Freiheit und Unabhängigkeit des Menschen einschränken.

Epidemien müssten medizinisch gesehen, regelmäßig aufgetreten sein, so Dr. Reuther, und nicht gehäuft zu einer bestimmten Zeit und dann über Jahrhunderte nicht mehr. Wenn man der offiziellen Geschichtsschreibung folgt, dann kommt man allerdings genau zu diesem Schluss, der medizinisch aber nicht haltbar ist. Auch zwischen der spanischen Grippe vor mehr als einhundert Jahren und der kürzlich ausgerufenen „Corona-Pandemie“ gab es zahlreiche Epidemien, die entweder Erkältungsinfektionen, Infektionen des Magen-Darm-Traktes oder der Haut betrafen. Auch sie führten immer wieder zu einer gehäuften Sterblichkeit.

Die mit dem Begriff Pest bezeichneten Erkrankungen beziehen sich nicht bloß auf die so genannte Beulenpest, die mit Hautveränderungen und Lymphknotenschwellungen einherging, sondern auf alle später als Seuche bezeichneten Krankheitsbilder, die eine große Zahl von Menschen gleichzeitig heimsuchten. Darunter fielen also auch die Cholera als Magen-Darm-Infektion oder die Lepra als Hauterkrankung.

Relativieren müsse man jedenfalls auch die in übertriebener Drastik dargestellten Auswirkungen dieser Epidemien.

Eingegangen wird im weiteren Gespräch auch auf die Lepra als „Blaupause von Covid-19“, weil auch sie zu zahlreichen inhumanen Absonderungsmaßnahmen geführt habe, Polio als Erkrankung, die durch Umweltgifte ausgelöst worden sei und das Krankheitsbild „Pocken“, das durch eine diesbezügliche Impfung ausgerottet worden sein soll, was aus Reuthers Sicht unrealistisch ist.

Die Gesundheit des Menschen lasse sich in der Regel besser durch präventive Maßnahmen, vor allem gesunde Lebensbedingungen, also sauberes Wasser, saubere Luft und gesunde Nahrungsmittel aufrecht erhalten, denn durch pharmakologische Interventionen, wenn man krank ist.

Die Veröffentlichung von Gerd und Renate Reuther bietet eine alternative bzw. komplementäre Betrachtung der Pandemiegeschichte Europas, die im Widerspruch zur aktuellen medizinischen und historischen Betrachtung des Themas steht. Im Sinne der Wissenschaft, die sich ja nicht in der Verlautbarung der einen Wahrheit erschöpft, sondern vom diskursiven Blick auf eine Sache lebt, stellt sie einen wertvollen Beitrag zu eben jenem Diskurs und eine wichtige Erweiterung der oft recht einseitigen Perspektive dar.

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KG – Dr. Gerhard Reuther-YOUTUBE Wolfgang Müller CC BY-SA 4.0
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