Ein Kavaliersdelikt?

Blackstone 10 Täter Frei als 10 Unschuldige im Knast(Wordpress)
Soziales

„Es ist besser, daß zehn Schuldige entkommen, als daß ein Unschuldiger verfolgt wird!“
(Sir William Blackstone 1723 – 1780, englischer Jurist)

Es ist einer der wichtigsten Grundsätze unseres Rechtssystems, bekannt als Blackstone’s Ratio und schon sehr alt. Neben der gerade hochkochenden Diskussion um Falschbeschuldigungen (aufgrund des Urteils zu Gina Lisa Lohfink) gibt es auch andere Fälle, die dieses Prinzip und seine Wichtigkeit noch in weit stärkerer Form aufzeigen. Eine Tochter dachte, sie müsse ihrem Vater eine Lektion erteilen, weil er in ihren Augen zu streng gewesen sei. Dank der sorgfältigen Arbeit der Polizei wurde der perfide Racheakt, noch rechtzeitig aufgedeckt.

Es scheint nicht nur diesem, sondern auch vielen anderen jungen Menschen nicht klar zu sein, dass sie mit Verleumdungen keine „Lektion“ erteilen, sondern vielmehr soziale Existenzen ruinieren. Wenn der Vater vor dem Untersuchungsrichter steht und sie bei ihrer Geschichte bleiben müssen, weil sie immer stärkere Nachteile für sich befürchten, nicht mehr wissen, was sie tun sollen, dann ist es oft zu spät. Sie können oft nicht mehr zurück und reden sich ein: „Er hat es ja verdient“. Aber selbst wenn alles noch vor einem Urteil auffliegt, suchen sie für sich die Entschuldigung, man hätte eigentlich nichts Böses tun wollen. Es sei nur eine Notlüge gewesen oder eine blöde Racheaktion. Denn genauso wird Falschbeschuldigung dargestellt durch die Gesellschaft: Als ein kleines Vergehen, das allerhöchstens mit Bewährungsstrafen belegt werden sollte.

Man hört immer wieder die Forderung, dass man (besonders) Jungen lehren sollte, nicht sexuell zu nötigen. Kindern beizubringen, die sexuelle Selbstbestimmung des anderen zu respektieren, ist durchaus sinnvoll. Wäre es aber nicht auch hoch an der Zeit, (besonders) Mädchen zu lehren, dass Falschbeschuldigungen keine kleinen Lügen sind, sondern Existenzen zerstören und Unschuldige jahrelang in Haft schicken? Es scheint nur wenigen klar zu sein, wie schwerwiegend diese Tat ist, wenn fälschlich ein sexueller Übergriff bis hin zur Vergewaltigung behauptet wird. Man sieht es als geringe Unwahrheit an; man würde irgendwie dazu gedrängt worden sein.

Der Fall Gina Lisa Lohfink empfinde ich als besonders unerquicklich: Diese Frau wurde bereits verurteilt und wollte dieses Urteil aufgehoben sehen: Sie fand, sie sei das eigentliche Opfer. Es schien auch recht eindeutig. Ein zweiminütiges Video zeigte, wie sie öfters „Hör auf“ sagte und eigenartig apathisch wirkte. Aber das war nur ein Teil des Ganzen. Das gesamte Video ist 10 Minuten(!) lang und hat sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Richterin davon überzeugt, dass es sich hier eindeutig um Falschbeschuldigung handelt. Wird dieses Urteil nicht in der letzten Instanz aufgehoben (da sie in Berufung gehen will, gilt sie weiterhin nur als mutmaßliche Falschbeschuldigerin), auch wenn sie schuldig ist.

„Nun hat ein Amtsgericht festgestellt, dass sie nicht Opfer war, sondern Täterin. Ihr Nein, das so medienwirksam nutzbar gemacht wurde, galt der Handykamera, nicht dem Sexualpartner.“

„Dem Gericht lagen mehr als zehn Minuten Material vor, und diese dürften den Ausschlag dafür gegeben haben, dass der Fall überhaupt angeklagt wurde. Diese Szenen kennt die Öffentlichkeit nicht. Denn nach dem „Hör auf“ geht es weiter, Lohfink nimmt die Arme nach hinten, fasst sich in die Haare, entspannt. Nur mit dem Video sei sie nicht einverstanden gewesen, sagt die Richterin. „Mach das weg.“ – „Ich lösche das“, verspricht eine Stimme. Dann winkt Lohfink, lächelt und hat Sex mit dem Mann, der zuvor die Kamera hielt, die Hand auf seinem Po.“

Falschbeschuldigung ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verbrechen. Und ganz sicher ist sie keine dienliche Sache, um eine Ideologie wie den heutigen Feminismus, der teils extrem missbraucht wird, glaubwürdiger zu machen. Ein „Glaubt dem Opfer“ in der Öffentlichkeit ohne irgendeine Nachprüfung bei jeder Beschuldigung, ist der grundfalsche Weg, einem echten Vergewaltigungsopfer den Weg zur Polizei zu erleichtern. Oft wird davon gesprochen, dass NUR jede Achte von 100 angezeigten Vergewaltigungen verurteilt würde. Diese geringe Zahl würde aussagen, dass dieses Verbrechen fast ungeahndet bleibt. Aber auch NUR jede Dritte von 100 angezeigten Falschbeschuldigungen wird verurteilt. Was bedeutet das jetzt? Laufen massenhaft Vergewaltiger aber noch mehr Falschbeschuldigerinnen da draußen frei herum? Natürlich nicht. Eine Verurteilungszahl zeigt gar nichts. Weil niemand weiß, wieviele der Nichtverurteilten womöglich doch Menschen sind, die eine Tat begangen haben. Für das Gesetz sind sie freigesprochen und haben daher als unschuldig zu gelten. Auch Gina Lisa Lohfink, wenn die letzte Instanz dies tun sollte.

Dass aber die Vortäuschung von Vergewaltigung sehr viel häufiger passiert, als es allgemein dargestellt wird, hat die Staatsanwältin Corinna Gögge vor der Urteilsverkündung nochmal stark unterstrichen. Eine Staatsanwältin sowie eine Richterin, die bekannt dafür sind, bei Sexualdelikten sehr hart gegen die Täter vorzugehen. Aber eben nicht ideologisch geprägt wie das sogenannte #TeamGinaLisa, das auch noch zwischendurch Verstärkung von der deutschen Familenministerin erhielt.

Nach der Urteilsverkündung wird derzeit alles aufgeboten, was das Urteil relativiert. Es sei eine Schande, ein Skandal. Wer weniger parteiisch ist, findet, die beiden hätten nicht gegen ihren Willen das Video machen sollen, dann hätte Gina Lisa auch nicht aus Rache „Vergewaltigung“ geschrien. Sie sei zwar mitschuldig, aber die Männer hätten die Hauptlast zu tragen und man müsse erkennen, dass der Falschverdächtigung viel vorangegangen sei. Anders sieht man es, wenn ein Mann (selbst wenn er selbst betrunken war) mit einer betrunkenem Frau Sex hat. Auch diesem Akt geht viel voran und trotzdem herrscht darüber gesellschaftlich Konsens, das als eindeutige Vergewaltigung zu werten, sofern die Frau im Nachhinein aussagt, dass sie das nicht wollte. Da würde er gleich als Hauptverantwortlicher belangt. Sogar als Alleinverantwortlicher.

Und bei Falschbeschuldigung gilt das nicht mehr? Auf einmal soll nicht die Täterin dafür verantwortlich sein, sondern ist plötzlich ein Opfer der Umstände?

Was fehlt, ist das Bewusstsein über die schweren Auswirkungen dieser Taten. Dass sich nicht selten Männer schon das Leben genommen haben, weil sie nicht mehr weiter mit der sozialen Schande leben konnten. Solange Falschbeschuldigungen nicht härter bestraft werden, wird es dieses Leid immer öfter geben. Tatsache ist, dass eine fälschliche Anklage wegen eines Sexualdelikts, versuchten sozialen Mord (wenn mit Absicht) oder Totschlag (wenn in Notlage) darstellt. Es ist keine Kleinigkeit. Der Mann wird oft aus der Arbeitsstelle rausgeholt und von der Polizei abgeführt. Der Arbeitgebende trennt sich dann sehr schnell von dem „Sexmonster“ und auch, wenn vorhanden, zerbricht eine Beziehung meist daran. Irgendwann in ferner Zukunft würde er vielleicht freigesprochen. Wer glaubt, dass dieser noch ruhig in seinem sozialen Umfeld leben kann? Seine Existenz ist schwer beschädigt oder ruiniert. Solange er nicht irgendeine Öffentlichkeit bekommt und dadurch seine Unschuld breitenwirksam auch wieder hergestellt wird, ist er ein vermutlicher Sexualtäter, mit dem niemand mehr etwas zu tun haben will.

Daher sollten diese Taten m.E. auch in Gefängnisstrafen münden. Keine andere Strafe, als es die beschuldigen Personen, sofern die Anschuldigung richtig ist, auch erhalten hätten. Ansonsten fühlen sich möglicherweise viele verleitet, solche Taten nachzuahmen, da sie ja kaum mit Folgen rechnen müssen. Es fehlt die Balance zwischen dem Schutz der Opfer auf beiden Seiten. Es kann nicht sein, dass es fast ohne Strafe bleibt, wenn jemand beinahe seiner Freiheit und seiner sozialen Existenz beraubt wird.

Dass solche falschen Aussagen sowieso fast immer aufgedeckt würden, ist ebenfalls nur ein Mythos. Denn oft genug wird so eine Tat nicht aufgedeckt und Männer sitzen jahrelang im Gefängnis. Wieviele bereits, ist völlig unbekannt. Die Frau dagegen, die dies zugibt oder es nachträglich zugeben muss, wird bedauert und man erfindet für sie Entschuldigungsgründe.

Solange sie aber als „Opfer“ gilt, wird sie von Medien und von den „Glaubt doch dem Opfer“ Teams gepuscht. Würden diese Opferhilfsgruppen nur im Stillen wirken, wäre überhaupt nichts gegen diesen Grundsatz zu sagen. In der öffentlichen Diskussion hat aber „Schuldig bei Verdacht“ nichts zu suchen.

Durch die neuerliche Verschärfung des Sexualstrafrechts in Deutschland und Österreich liegt jetzt noch mehr Verantwortung bei den Richtenden und der Staatsanwaltschaft. Denn es muss eingeschätzt werden, ob die Geschichte der Frau glaubhaft ist. Für Männer wird es aber immer wichtiger, einen echten Beweis zur Hand zu haben, da oft eine gut einstudierte Geschichte, gespielte Verzweiflung und Opfergehabe reichen können, um Richtende zu überzeugen. Hätte dieser Mann in diesem Fall kein Video vorweisen können, säße er jetzt unschuldig im Gefängnis.

„Vor Gericht schwieg Abdallah F.. Die einzige die sprach, war Mara A.. Sie belastete den Angeklagten auch im Gerichtssaal weiter schwer. Nach den Aussagen der Klägerin präsentierte der Verteidiger von Abdullah F. ein Video, dass die vermeintliche Vergewaltigung als einvernehmlichen Sex entlarvt.“

Ohne Videobeweis also wird es nur mehr schwierig sein, einer Verurteilung wegen Vergewaltigung zu entgehen, wenn sonst keine anderen Widersprüche auftauchen. Gewaltspuren oder andere Sachbeweise, die eindeutig die Vergewaltigung beweisen, benötigt es dazu nicht mehr zwingend.

Es geht aber nicht um Aufrechnung oder „Frauen sind genauso schlecht“. Es geht ums faire Miteinander in der Gesellschaft. Opfer von Vergewaltigung brauchen Schutz und Hilfe, und Opfer von Falschbeschuldigung wegen Sexualverbrechen ebenfalls. Beide Arten von ausgeübter Ver-Gewalt-igung haben verheerende Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Menschen. Wir alle sind dazu aufgerufen, auch dieses Leid zu vermeiden. Rechtsprechung darf kein Geschlecht tragen. Weder war es früher richtig („Sie hatte einen zu kurzen Rock an“), noch ist es heute richtig („Ihren Tränen muss man doch glauben“).

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Blackstone 10 Täter Frei als 10 Unschuldige im Knast
Blackstone 10 Täter Frei als 10 Unschuldige im Knast(Wordpress) Blackstone 10 Täter Frei als 10 Unschuldige im Knast(WordPress) Kazvorpal CC BY-SA 3.0

Diskussion (6 Kommentare)

  1. Vielen dank für die erste komplette darstellung zu dem aktuellen gerichtsfall – find ich schon org!

    prinzipiell bin ich aber anderer meinung was die schlussfolgerung nach gefängnis und noch mehr gefängnis betrifft.

    menschen die einen fehltritt begehen und sich (das erste mal) etwas strafrechtlich relevantes zu schulden kommen zu lassen gleich mit gefängnis und härte zu begegnen halte ich generell für einen falschen ansatz, da „klein“ verbrecherInnen dort erst, im umfeld von staatlicher und kollegialer gewalt, erst recht im verbrechensmilleu sozialisiert werden.

    die aktuellen rufe bei jeder einzelnen öffentlichen straftat nach „MEHR GEFÄNGNISSTRAFE DAFÜR“ und auch „MEHR ÜBERWACHUNG“ sind ein sehr erschreckendes signal wohin unsere gesellschaft abzudriften droht.

    wehe wehe, wenn ich auf das ende sehe.

  2. Sollten Vergewaltiger also auch nicht härter bestraft werden?

    1. meiner meinung nach führt das zu nichts – zehn oder hundert jahre strafe ändern nicht die tatsache, das schlimme verbrechen begangen werden in der hoffnung oder aussicht, gar nicht erst erwischt zu werden.

      daher sollte man in der schulbildung sowie auch der sozialisierung und integration der verschiedenen gesellschaftsschichten untereinander investieren.

      auch wenn das zum gegebenen zeitpunkt aus verschiedenen berechtigten gründen utopisch klingen mag und man ganz bestimmt niemals alles ausschließen wird können sehe ich das als langfristiges ziel, mit der aussicht auf bessere verhältnisse im allgemeinen und für den einzelnen.

  3. „Dass solche falschen Aussagen sowieso fast immer aufgedeckt würden, ist ebenfalls nur ein Mythos. Denn oft genug wird so eine Tat nicht aufgedeckt und Männer sitzen jahrelang im Gefängnis. Wieviele bereits, ist völlig unbekannt.“

    Gibt es dazu seriöse Zahlen aus einer seriösen Quelle ?

    1. Das sogenannte Dunkelfeld. Die Dunkelziffer. Dazu kann man gar nichts seriöses ohne genaue Forschungen sagen. Allerdings lässt sich aufgrund der immer öfters auftauchenden Fälle von Unschuldigen die einer Falschbeschuldigung zum Opfer gefallen sind, vermuten, dass es viele sind die hier unentdeckt bleiben.
      Meine Aussage bezog sich auch nur auf „sowieso fast immer aufgedeckt“.
      Im Verfahrensablauf gibt es mehrere Punkte an der eine Erkennung einer Falschbeschuldigung (dabei ist Absicht kein Kriterium) zum Abbruch des behördlichen Handlungen führt. Diese werden dann nicht in der Statistik als „falsche Verdächtigung“ oder „Verleumdung“ geführt, da nicht verurteilt.
      Genau das gleiche ist aber auch bei Anklagen wegen Sexualdelikten. Daher kann man nicht verantwortungsvoll eine Schätzung abgegeben wieviele Täterinnen und Täter unbestraft herumlaufen.

    2. Das problem ist vermutlich, dass die meisten hier Unschuldig veruteilten nur selten rehabilitiert werden. Horst arnold hätte seine Haftzeit verkürzen können, wenn er gestanden hätte, was er nie getan hat. und musste die ganzen 5 Jahre absieht, bevor weiter 5 Jahre Später die Lüge der Heidi Külzer aufgedeckt wurde. Immerhin war sie die erste Frau die 2013 in letzter Instanz wegen ihrer Falschbeschuldigung zu 5 Jahren Jahren Haft verurteilt wurde (wegen freiheitsberaubung).
      https://www.fischundfleisch.com/superlutz/falschbeschuldigung-ist-kein-kavalierinnendelikt-22540