Fabian Scheidler präsentiert „Chaos: Das neue Zeitalter der Revolutionen“ mit Erwin Wagenhofer

Titelbild-Fabian Scheidler
Gesellschaft

Veranstaltungsdaten

Datum
22. 11. 2017
Veranstalter
Promedia Verlag
Ort
Hauptbücherei Wien, Urban-Loritz-Platz
Veranstaltungsart
Buchpräsentation
Teilnehmer
Fabian Scheidler, Autor, Journalist
Erwin Wagenhofer, Autor, Filmemacher
Stefan Kraft, Verleger, Publizist

Fabian Scheidler präsentierte am 22.11.2017 sein neues Buch „Chaos: Das neue Zeitalter der Revolutionen“ in der Wiener Hauptbibliothek. Seit seinem Bestseller Das Ende der Megamaschine ist der gebürtige Bochumer ein Star in der alternativen Szene, nicht zuletzt dank seiner Beiträge auf dem Internet-Sender kontext-tv.de, den er auch mitbegründete. Laut Scheidler hätten wir Menschen mit unseren Handlungen langfristig einen ähnlichen Effekt wie der Asteroid, der die Dinosaurier höchstwahrscheinlich ausgelöscht hat. Zudem seien wir extrem an dem Vorantreiben der Spaltung zwischen Arm und Reich beteiligt, wodurch auch politische Systeme ins Wanken geraten seien.

Während sein erstes Buch die Geschichte der Menschheit aufarbeitete, zeigt das neue Werk Gefahren auf – aber auch Chancen, die aus dem aktuellen Chaos erwachsen könnten. Scheidler erklärt Begriffe wie „globale Apartheid“ und „Tributökonomie“ (subventionsbasierte Wirtschaft) und beschreibt Möglichkeiten des Wandels (im Kleinen wie im Großen), die er auf seinen Reisen kennenlernte. Wichtig sei ihm hierbei die soziale Komponente, vor allem die Wiederentdeckung der Kommunikation in kleinen Strukturen.

Eine notwendige Änderung hin zu einer lebenswerteren Welt sei es, jene Institutionen „aufzubrechen“, die ausschließlich für den Zweck, aus Geld noch mehr Geld zu machen, geschaffen worden seien – denn dieses Prinzip der endlosen Geldvermehrung sprenge die Grenzen unserer Welt und hinterlasse eine Wüste. Die Staaten müssten Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung festlegen. Eigentumsverhältnisse, vor allem im Bereich der Immobilien in Städten, müssten verändert und Gatekeeper unterschiedlicher Art (vom inneren Widerstand bis zu politischen Systemen) überwunden werden. Das Bildungssystem solle sich neuen Wegen und Denkweisen öffnen. Am Beispiel Jugoslawiens und seiner partiellen Erfolge mit arbeitergeführten Unternehmen, aber auch am Beispiel seines ökonomischen Niederganges aufgrund von ausländischen Krediten, der dem Zerfall des funktionierenden Vielvölkerstaates vorangegangen sei, zeigt Scheidler mögliche Optionen für eine neue Form des Wirtschaftens auf.

Im letzten Teil des Buches wird auf den Sonderweg Chinas eingegangen, das trotz seiner kapitalistischen Öffnung aufgrund seiner Geschichte nicht dem „Ruf des Geldes“ (und der damit verbundenen massiven Aufrüstung) verfallen sei, wie es hingegen im Westen passiert sei. China habe sich nie verschuldet und habe ein Auge auf die Rolle der Händler und Bankiers gehabt, weshalb die Notwendigkeit der Expansion, um Kredite zurückzuzahlen, nie so stark gegeben gewesen sei wie im Westen. Dieses alte System sei Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge der Opiumkriege zerstört worden. Dennoch hätten sich seine Wurzeln bis heute gehalten, und das neoliberale Wirtschaftssystem habe sich bei Weitem nicht so uferlos durchsetzen können wie im Westen. Das größte Förderungsprogramm der Welt, die mit 100 Milliarden Dollar dotierte Förderung erneuerbarer Energien, sei vom chinesischen Staat aufgelegt worden. Die „neue Seidenstraße“ Chinas könnte – trotz aller ökologischen Probleme – eine Chance für ein langfristiges Friedensprojekt sein.

Als zweiter Podiumsgast wird der Dokumentarfilmer Erwin Wagenhofer begrüßt, bekannt für We feed the world und Let‘s make money, dessen neuer Film But Beautiful demnächst erscheinen wird. Dokumentarfilme wie diese würden vom etablierten Fernsehen nicht mehr produziert, zumal auch dort die Gatekeeper sitzen. Für Wagenhofer seien die größten Bremser im Bildungssystem weder die Politiker noch die Lehrer, sondern vielmehr die Eltern, da sie von ihren Kindern die gleichen Erfolgsabschlüsse verlangen würden, obwohl sie selbst das Bildungssystem als schlecht empfinden würden. Für Wagenhofer gilt die Faustformel: Je höher der Bildungsgrad und je höher der Verdienst, desto größer sei der Schaden, den genau diese Menschen anrichten. Pisa und Bologna würden eine Katastrophe für das Bildungssystem darstellen, weil sie die Zerstörung der Individualität der Schüler zum Ziel hätten.

Wo jeder anfangen könne, sich und seine Umwelt zu verändern, sei bei sich selbst. Dies sei auch der Ansatzpunkt von Wagenhofers neuem Film. Wir müssten die Lüge des Ich-Irrtums, den das kapitalistische System in unsere Köpfe gepflanzt habe, durchschauen. Alleine könne kein Mensch überleben. Menschlichkeit müsse im Zentrum unserer Handlungen und Überlegungen stehen, nicht Konkurrenz und Egoismus. Diese Hoffnung gelte es zu verbreiten.

Und hier nun das vollständige Video:

Videobild-Wagenhofer-Scheidler

Credits

Image Title Autor License
Titelbild-Fabian Scheidler Titelbild-Fabian Scheidler Idealism Prevails CC BY-SA 4.0
Videobild-Wagenhofer-Scheidler Videobild-Wagenhofer-Scheidler Idealism Prevails CC BY-SA 4.0