Europa muss sich endlich positionieren – Dr. Franz Fischler

Politik

In der heutigen Ausgabe von Reiner Wein begrüßt Michael Winkler den ehemaligen Land- und Forstwirtschaftsminister und EU-Kommissar Dr. Franz Fischler. Seine politische Karriere als Minister begann 1989, als er gemeinsam mit Erhard Busek und Wolfgang Schüssel angelobt wurde – zwei Monate, bevor das Beitrittsgesuch an die Europäische Union abgeschickt wurde.

Vor etwa 20 Jahren verließ Fischler die Politik. Seitdem verbringt der Pensionist Zeit mit seiner großen Familie, ist aber unter anderem auch Präsident des Instituts für Höhere Studien IHS und Berater verschiedener Forschungsprojekte an Universitäten.

Im Folgenden blickt Fischler auf das Annus Mirabilis 1989 zurück, welches durch Michael Gorbatschow eingeleitet wurde und Francis Fukuyama zu seinem berühmten Buch Das Ende der Geschichte inspirierte. Zum Glück hat die Politik schnell erkannt, dass dieser „Siegeszug des Westens“ von kurzer Dauer wäre, wenn man die vielen neu entstandenen Demokratien in Osteuropa sich selbst überlassen hätte. Der Modernisierungsschub, der Österreich nach seinem Beitritt 1995 erfasste, konnte auch nach der großen Erweiterung 2004 in den betroffenen Ländern festgestellt werden.

Heute befindet sich Europa in einer schwierigen Lage (die es so ähnlich schon zwei Mal seit dem Ende des 2. Weltkrieges erlebt hat, wie Fischler ausführt): Die Auseinandersetzung zwischen den USA und China wird Europa deshalb massiv treffen, weil einerseits China im Bereich Innovation immer stärker wird und die führende Rolle in Afrika, dem Kontinent der Zukunft mit sehr vielen Rohstoffen, übernommen hat; und andererseits, weil die USA Hegemon bleiben wollen und deshalb zwar an einem gefestigten Europa interessiert sind, aber nicht an einem (zu) starken Europa, das möglicherweise eigene Wege einschlagen könnte. Hier wäre es dringend notwendig, dass sich Europa endlich bei vielen Themen zu gemeinsamen Positionen durchringt, um weltpolitisch nicht (noch weiter) ins Hintertreffen zu geraten. Doch aktuell fehlt das politische Leadership, konstatiert Fischler.

Sowohl in der Güterproduktion als auch bei der Finanzierung hat sich Europa über lange Zeit von China abhängig gemacht. Deshalb wäre es zB wichtig, endlich die Bankenunion komplett umzusetzen – auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Güterproduktion im Vergleich zur Finanzwirtschaft einen immer kleineren Teil ausmacht.

Warum es wichtig ist, dass Politik vorausschauende und langfristig stabile Entscheidungen trifft, um Planbarkeit für die Wirtschaft zu schaffen, welche Hürden bei der E-Mobilität noch zu überwinden sind, wie der Marschallplan mit der historischen Praxis der Reparationszahlungen brach und wie eine sinnvolle Unterstützung für die Ukraine aussieht, sind weitere Themen dieses Gesprächs.

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