EU-Ratspräsidentschaft – was kann Österreich zu Europa beitragen?
Veranstaltungsdaten
- Datum
- 26. 3. 2018
- Veranstalter
- Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM)
- Ort
- Haus der Europäischen Union, Wien
- Veranstaltungsart
- Podiumsdiskussion
- Teilnehmer
- Dr. Erhard Busek, Jurist, ehemaliger Bundesminister und Vizekanzler in Österreich (für die ÖVP), heute Präsident des IDM
- Dr. Elena Kirtcheva, Ehemalige Botschafterin Bulgariens in Österreich
- Mag. Regina Kothmayr, Leiterin Taskforce EU-Vorsitz, österr. Bundeskanzleramt
- Mag. Sebastian Schäffer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IDM, Moderation
Im Juli 2018 übernimmt Österreich – zum dritten Mal nach 1998 und 2006 – für sechs Monate den EU-Ratsvorsitz. Aus diesem Anlass lud das Institut für den Donauraum und Mitteleuropa am 26.3.2018 zu einer Podiumsdiskussion ins Haus der Europäischen Union in Wien unter dem Titel „Österreichs EU-Ratsvorsitz und die Herausforderungen für die Zukunft des geeinten Europas“.
Der Jurist und ehemalige Politiker Dr. Erhard Busek, mit seiner charmanten Eloquenz der „Stargast“ des Abends, eröffnete die Diskussion mit einer Einleitung, in der er darauf hinwies, dass die Bürger Europas rund sieben Prozent der Weltbevölkerung ausmachen. Europa habe alleine dadurch traditionell eine sehr große Bedeutung im weltweiten Vergleich, doch sei diese im Abnehmen begriffen.
Insbesondere der Südosten Europas sei von entscheidender Bedeutung, da diese Region eine Brücke zum Nahen Osten, eine der weltpolitisch problematischsten Regionen, bilde. Österreich könne hierbei eine wichtige Rolle einnehmen. Den heute weit verbreiteten „geistigen Provinzialismus“ bezeichnete Busek als „äußerst gefährlich“.
Dr. Elena Kirtcheva, ehemalige Botschafterin Bulgariens in Wien, nahm als Vertreterin des Landes, das die Ratspräsidentschaft an Österreich übergeben wird, an der Diskussion teil. Sie berichtete von der aktuellen Arbeit der bulgarischen Präsidentschaft, der ersten des erst 2007 der EU beigetretenen Landes. Sie wies vor allem darauf hin, dass Bulgarien sich stark für die Länder des Westbalkans eingesetzt habe, die noch nicht der EU beigetreten seien, denn „die Europäische Union braucht diese Länder.“ Dass es dort noch an Vernetzung mangele, werde alleine schon durch die Lücken der Verkehrsinfrastruktur deutlich:
So seien etwa Skopje und Sofia als einzige europäische Hauptstädte nicht durch Eisenbahnlinien miteinander verbunden. Doch auch die Türkei gehöre zur Balkanregion. Die bulgarische Diplomatin bezeichnete es als großen Fehler, Rumänien und Bulgarien erst in 2007 in die EU aufzunehmen und nicht zusammen mit den anderen osteuropäischen Ländern schon 2004, denn dadurch sei das Aufkommen autoritärer Strukturen in diesen Ländern begünstigt worden.
Regina Kothmayr, Leiterin der Taskforce EU-Beitritt im Bundeskanzleramt, wurde von Moderator Sebastian Schäffer auf die Problematik des britischen EU-Austrittes angesprochen. Dies sei besonders drängend, erwiderte sie, denn während der österreichischen Präsidentschaft müssen die Brexit-Verhandlungen unbedingt zu einem Abschluss gebracht werden. „Das Votum Großbritanniens war 2016 ein großer Schock“, sagte Kotmayr, es sei aber trotzdem recht gut gelungen, die Einigkeit der verbleibenden 27 EU-Staaten zu erhalten. „Die Verhandlungen müssen weitergehen, und wir hoffen, dass sich das alles ausgeht.“
Auch Erhard Busek wurde auf den Brexit angesprochen und wiederholte sein Plädoyer für „mehr Europa“: „Wenn jeder nur an sich denkt, bleibt nichts über“, weil die Problemstellungen langst überregional seien und nur durch internationale Kooperation gelöst werden könnten. Auch die derzeit gute Wirtschaftslage sei ein Ergebnis der Internationalität.
Nationale Egoismen würden heute einfach nicht mehr funktionieren, und ich würde mir wünschen, dass unsere Regierung die Courage hat, das auch zu sagen.
Die Probleme des Brexit werde Österreich alleine nicht lösen können, die Integration des Westbalkans müsse aber in jedem Fall vorangetrieben werden. Dies alleine schon aus politischen Motiven: Busek erinnerte daran, dass etwa die Aufnahme Spaniens und Portugals in die EU in den Achtzigerjahren zunächst keine wirtschaftlichen Vorteile gebracht habe, sehr wohl aber politische, weil dadurch die Stabilisierung dieser Länder, die immerhin kurz zuvor noch Diktaturen gewesen seien, wesentlich gefördert werden konnte. Busek sieht es daher als eine ganz wichtige Aufgabe Österreichs an, die Integration der Westbalkanländer voranzutreiben.
Auch Kirtcheva ist der Ansicht, dass Österreich eine besondere Nähe zum Westbalkan habe und diese nutzen könne: „Von hier aus kann man diese Länder besser verstehen als von Westeuropa aus.“ Österreich solle mehr und kräftigere Signale an diese Länder geben. So werde die Infrastruktur in Südosteuropa derzeit durch China aufgebaut, obwohl das eigentlich eine europäische Aufgabe wäre. Sie sah die Konkurrenz Europas zu China kritisch und sagte aus der Perspektive ihres Heimatlandes: „Wir wollen mehr EU!“
Eine Frage aus dem Publikum sprach ein derzeit heikles Thema an: „Auch Russland ist ein Teil Europas. Wie soll Österreich dazu stehen?“ Während Kotmayr einer Antwort zu diesem „extrem heiklen und herausfordernden Thema“ auswich, wurde Busek deutlicher: „Ich bin sicher kein Putin-Versteher, aber dennoch sehr dafür, dass man das Gespräch mit Russland sucht.“ Die am Tag der Diskussion bekannt gewordene Ausweisung russischer Diplomaten aus vielen westlichen Ländern habe „ein gewisses Ausmaß an Lächerlichkeit“, das werde in Russland niemanden beeindrucken, gab sich sich Busek sicher. Wirtschaftssanktionen seien ein viel wirksameres Druckmittel, denn was Russland zuletzt am stärksten getroffen habe, sei das Absinken des Ölpreises gewesen.
Die Aufrechterhaltung des Dialogs mit Russland sei aber unbedingt nötig, weil Russland eben auch ein Teil Europas sei und es viele Gemeinsamkeiten gebe, „und dafür hat Österreich gute Voraussetzungen“. Kulturelle Grundlagen, die noch aus der Monarchie stammen, könnten von Österreich genutzt werden, um den Dialog mit den osteuropäischen Ländern voranzutreiben. Derzeit würden die Relationen zu östlichen Nachbarstaaten in Österreich unterbewertet und zu oft nur in Bezug auf den Arbeitsmarkt diskutiert.
Zum Abschluss der Diskussion stellte Moderator Schäffer die Frage: „Welches Europa wünschen Sie sich?“
Ein Europa der Werte, ein Europa der Toleranz, ein Europa der gleichen Augenhöhe,
antwortete Kirtcheva. Kotmayr forderte: „Europa muss von der breiten Masse unterstützt werden und darf kein Elitenprojekt sein.“ Und Erhard Busek wünschte sich „ein Europa, das seinen immensen kulturellen Schatz besser nützt“.
Wie bei den Diskussionen im Haus der EU üblich, bestand bei den Diskussionteilnehmern Einigkeit darüber, dass „mehr Europa“ nötig sei. Ebenfalls Einigkeit bestand in der Frage, dass Österreich seine historisch gewachsenen guten Beziehungen nutzen solle, um den Dialog mit den Ländern des westlichen Balkans zu intensivieren. Für die Lösung der Brexit-Problematik sei das Land aber auf Kooperationen angewiesen.
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