Wie alles begann – Als Voluntär in Nepal

Die Umgebung von Chaurjahari
Soziales

Gleich nach Abschluss meines Medizinstudiums beschloss ich, mich als freiwillige Helferin in einem fremden Land für Menschen in Not nützlich zu machen. – In Nepal.

Nach meinen intensiven Internet-Recherchen sowie genauem Studieren vieler verschiedener Krankenhäuser und Organisationen, stieß ich auf das Chaurjahari-Krankenhaus – ein im Bezirk Rukum mitwestlich abgelegenes, christliches Missionskrankenhaus in Nepal. Ich holte umgehend alle Informationen ein, die man dazu im Internet finden konnte.

Das Krankenhaus befindet sich in einem weit abgelegenen Gebiet, dessen Population grundsätzlich verarmt ist (es ist keine Seltenheit, dass eine ganze Familie mit einem Dollar pro Tag das Auslangen finden muss). Und da es keine gut begehbaren und befahrbaren Straßen gibt und die Menschen von weit her kommen, benötigen sie manchmal Tage, bis sie das Krankenhaus erreichen.

All diese Fakten erweckten mein reges Interesse; somit kontaktierte ich sofort die Verwaltung, um mich als freiwillige Helferin vorzustellen. Kurz darauf erhielt ich eine Zusage und war sehr begeistert. Ich begann, mir auszumalen, wie es jetzt gerade dort sein würde; wie die Menschen dort sind, die Landschaft, das Team etc. Da ich ich mehrere Male aus unterschiedlichen Gründen meine Reise nach Nepal verschieben musste, machte es auch den Anschein, als würde ich niemals dorthin gelangen … Daheim noch stellte ich mir das Krankenhaus an einem hoch gelegenen, kühlen Ort in den Bergen vor, doch diese Vorstellung sollte sich bald als total verkehrt herausstellen.

Nach dem geglückten Marsch zum Everest Basislager (ich berichtete bereits darüber in mehreren Teilen) erreichte ich Kathmandu und bereitete sogleich mein Gepäck für die am Tag darauffolgende Reise nach Chaurjahari vor. Es gibt übrigens genau zwei Möglichkeiten, das Krankenhaus zu erreichen: entweder über eine 24-stündige Busfahrt mit anschließendem halbstündigen Fußmarsch oder per Flugzeug – Flugreisen sind jedoch streng limitiert. Ich entscheide mich für den Bus, da ein Doktor und ein weiterer freiwilliger Helfer am selben Tag dieselbe Entscheidung treffen. Doktor Nimrod und Kristal lesen mich beim Gästehaus in Kathmandu auf, und gemeinsam begeben wir uns zur örtlichen Busstation.

Bald beginnt die eigentliche Reise und ein Gefühl der Aufregung steigt in mir hoch.

Der Bus ist angenehmer als gedacht: Hindi oder nepalesische Musik spielt es im Hintergrund, jeder Fahrgast erhält seinen eigenen Sitzplatz (übrigens sehr komfortabel); es gibt sogar Fernsehen, jedoch keine Klimaanlage oder Toilette.

Die Stadt zu verlassen, ist eindeutig eine der größten Herausforderungen, da der Verkehrsstau in Kathmandu einfach verrückt ist. Die Sonne strahlt durch das Fenster, und der Schweiß fließt mir über das Gesicht; das versetzt mich alles in einen schläfrigen Zustand. Immer, wenn der Bus an den Haltestellen hält, drängen sich Menschen in den Bus oder sie rufen uns von draußen laut und verzweifelt zu, uns unsere Herzenswünsche erfüllen und andrehen zu wollen: kaltes Wasser, kohlensäurehaltige Getränke, Kokosnüsse, Chips, Kleidung etc.  Einige Stunden später haben wir es endlich aus der staubigen Stadt hinaus geschafft, und erfreuen uns an der frischen Landluft.

Wir machen Halt für unser Abendessen, und ich labe mich an einem Dal Bhat (Reis, Linsensuppe mit Gemüse; ein traditionelles, nepalesisches Gericht). Als es mit der Fahrt weitergeht, vertreibe ich mir die Zeit mit Musik und Lesen. Doch bald halten wir wieder an, da ein Erdrutsch unsere Straße blockiert und somit einen Verkehrsstau auslöst. Alle steigen aus und stehen ungeduldig herum. Die Kolonne ist so lang, dass ich nicht einmal das Ende des Staus erkennen kann. Nach ungefähr 1,5 Stunden macht uns der Fahrer lautstark darauf aufmerksam, wieder in den Bus einzusteigen, da die Reise weitergeht. Nun schlafe ich endlich wieder ein.

Unsere Busfahrt von Kathmandu nach Chaurjahari

Sowohl die vielen Polizeikontrollen als auch das in meinem Gesicht spürbar brennende Sonnenlicht sorgen dafür, dass ich zwischen 6 und 7 Uhr des frühen Morgens geweckt werde. Die Busfahrt setzt sich fort, und ich genieße es, das Leben in den Dörfern, in den Städten sowie die Landschaft durch das Fenster zu beobachten. Zu Mittag legen wir eine Essenspause ein und Dr. Nimod meint, dass wir unserem endgültigen Reiseziel schon sehr nahe sind: Jajarkot.

Unmittelbar nach dem Start der Weiterreise schlief ich ein, und ehe ich mich versah, war es schon halb drei am Nachmittag. Wir mussten nun wieder aussteigen, denn wir waren bereits in Jajarkot angekommen. Ich war ziemlich erleichtert, dass unsere Busfahrt nicht länger als 24 Stunden dauerte, denn nicht selten kam es vor, dass eine Straße aufgrund eines Erdrutsches ganze zwei Tage lang gesperrt war. Fünf Personen standen vor dem Bus, um uns als Zeichen ihres Respekts mit hübschem Blumen-Halsschmuck willkommen zu heißen. Da ich aber gerade erst aufwachte und die enorme Hitze nicht gewohnt war, verhielt ich noch recht schläfrig und brauchte eine Weile, bis ich verstand, was um mich herum geschah.

Nun hörte die Straße auf, und ein halbstündiger Fußmarsch zum Krankenhaus stand uns bevor. Die fünf Männer halfen uns mit dem Gepäck. Wir kamen an mehreren Reisfeldern vorbei und überquerten eine Hängebrücke. Schließlich kamen wir auf einen steilen Hang bergaufwärts ins Dorf von Chaurjahari.

Die Umgebung von Chaurjahari

Als wir die Spitze erreichten, suchten wir schnurstracks unsere Unterkunft auf. Beim Durchqueren des Tores erblickte ich ein Fußballfeld und viele Mango- und Granatapfelbäume, doch unglücklicherweise hatten Affen alle Früchte bereits aufgegessen.

Im Areal begrüßen uns alle und offerieren uns Wasser und Kaffee. Wir lernen vier weitere freiwillige Helferinnen aus Japan, zwei Medizinstudenten und zwei Krankenschwestern, sowie den Hausvogel “Momo” kennen. Sie alle wirken sehr lustig und nett und erschaffen auf diese Art eine äußerst positive Atmosphäre. Da mich die Busfahrt doch sehr ausgelaugt hat, möchte ich mich kurz hinlegen – gesagt, getan. Das Haus besteht aus zwei Hälften und bietet neben zwei Küchen zwei Wohnzimmer sowie einen großartigen Blick auf den Fluss. Somit sind verschiedene, individuelle Schlafmöglichkeiten gegeben.

Einen Stock tiefer bekomme ich meine eigenen vier Wände bestehend aus einem Doppelbett, einem Tisch und einem Sessel. Leider stehen mir keine Klimaanlage und Ventilator zur Verfügung. Das Zimmer ist also sehr einfach ausgestattet. Ich beobachte zwei Geckos, während sie auf den Fenstern herumlaufen; obwohl sie ziemlich groß sind, kümmern sie mich nicht weiter, da sie sich harmlos verhalten.

Ich komme nicht einmal dazu, mein Gepäck auszupacken, auch die enorme Hitze kümmert mich wenig sowie die Tatsache, dass es mir durch die 37 Grad Celsius sehr schwer fällt zu atmen: Ich falle sofort in einen komaartigen Schlaf.

Als ich aufwachte, war es bereits dunkel. Nach einer erfrischend kalten Dusche machte ich mich auf den Weg zum Abendessen. Das gesamte Personal kommt zusammen. Wir lassen uns ein leckeres Dal Bhat (natürlich, was sonst?) schmecken und lernen einander kennen. Die Belegschaft warnt uns vor giftigen Schlangen und Skorpionen in der Nacht. Es kam nämlich schon vor, dass diese sich in diverse Räume verirrten. Da es sich um ein christliches Missionskrankenhaus handelte, lasen wir nach dem Abendessen eine Passage aus der Bibel und sprachen ein gemeinsames Gebet.

Um ca 9 Uhr am Abend kurz vor dem Schlafengehen machten wir eine Krankenhausbegehung. Das Krankenhaus befand sich genau gegenüber unserer Unterkünfte, dennoch benutzten wir Taschenlampen. Denn es gab keine Außenbeleuchtung.

Das Krankenblatt eines jeden Patienten wurde kontrolliert, der Patient selbst untersucht und abgehorcht. Die Ärzte mussten für mich auf Englisch übersetzen, da ich kein Nepalesisch verstehen geschweige denn sprechen kann. Als ich zurück in mein Quartier kehrte, packte ich mein Gepäck aus und bereute es gleich zutiefst, so viel Wintergewand an diesen heißen Ort mitgebracht zu haben. Das Erste, was ich machte, bevor ich zu Bett ging, war, dieses gründlich nach Insekten jeglicher Art zu durchsuchen und das Moskitonetz so zu platzieren, dass ich nicht von irgendwelchen garstigen Tieren mitten in der Nacht gebissen werde.

Ich bin glücklich darüber, dass es nunmehr keine Idee oder Traum mehr ist, sondern Realität geworden ist, endlich hier zu sein. Und ich bin schon sehr gespannt, was der nächste Tag für mich bereithält.

Gute Nacht

Übersetzung Englisch-Deutsch: Andreas Haslauer

Discussion (One Comment)

  1. Gut gemacht,solche Eindrücke wirst ein leben lang in Erinnerung behalten!Grüsse Papi