Einen Schritt näher
Heute ist ein großer Tag für uns, denn das Everest-Basislager ist buchstäblich um die Ecke – wenn alles gutgeht, sind wir morgen da!
Ich bin sehr aufgeregt, aber auch ein bisschen nervös, denn heute werden wir Lobuche erreichen, das auf einer Höhe von 4940 Metern liegt. Nachdem ich mich fertiggemacht habe, gehe ich hinaus in den klaren und sonnigen Tag und bewundere die schönen Berge, die Dingboche umgeben.
Wir schnüren unsere Stiefel und gehen noch einmal den Pfad hinauf, auf dem wir gestern unsere kurze Wanderung zur Akklimatisierung gemacht haben. Dieses Mal jedoch haben wir einen fantastischen Blick über das Dorf und das Tal.
Vor uns liegt eine große, offene Ebene, und ich wüsste nicht, ob ich links oder rechts zu gehen hätte – wenn ich alleine wäre, würde ich mich wahrscheinlich verirren. Das einzige Wegzeichen sind kleine rote und gelbe Fähnchen, die im Wind flattern.
Wir setzen unseren Weg in Begleitung zweier Hunde fort, die uns seit Dingboche folgen. Ich freue mich über ihre Gesellschaft und frage mich, wie lange sie uns wohl noch bei uns bleiben möchten.
Nach einer Weile machen wir in einem Ort namens Thukla eine Pause, um etwas zu essen – es gibt hier eigentlich nichts außer zwei Restaurants, aber sie sind die einzige Versorgungsmöglichkeit auf dem Weg. Da das Wetter noch immer sehr schön ist, können wir draußen sitzen und die Sonne genießen, während wir unsere Batterien ein wenig aufladen.
Als wir weitergehen, liegt ein steil aufsteigender Wegabschnitt vor uns.
Fatima geht es genauso, aber wir können jetzt unmöglich aufgeben. Ein paar entgegenkommende Leute ermutigen uns: Es sei nicht mehr weit, sagen sie, wir seien schon fast da und hätten den steilen Wegabschnitt gleich geschafft. Danach würde es dann ganz flach werden.
Ihre aufmunternden Worte helfen uns, und wir gehen weiter. Plötzlich sehen wir eine Herde Yaks auf uns zukommen; wir bleiben stehen und erstarren, da wir aus früheren Erfahrungen wissen, dass man ihnen besser nicht zu nahe kommt.
Das Wetter ändert sich jetzt, es wird zunehmend wolkig, nebelig und kalt. Nach einer Weile erreichen wir endlich den Gipfel des Hügels, auf dem die anderen schon auf uns warten. Außerdem ist da noch eine größere Gruppe – Angehörige der indischen Armee, die gerade vom Gipfel zurückkehren. Guarav, der Inder aus unserer Gruppe, ist sehr glücklich sie zu treffen, er gratuliert ihnen und schüttelt jedem Einzelnen die Hand.
Da es sehr kalt ist, gehen wir bald weiter. Zum Glück ist der Pfad nun tatsächlich eben, wie es uns die Entgegenkommenden gesagt hatten. Es wird von Minute zu Minute dunkler – eine Atmosphäre wie in einem Horrorfilm entsteht, und ich kann es kaum erwarten, dass wir endlich ankommen.
Als wir ankommen, sehe ich Dhruv, einen unserer indischen Freunde, vor dem Teehaus stehen. Ich bin sehr überrascht, ihn hier zu treffen, weil ich dachte, dass er und seine Freunde das Basislager längst erreicht hätten und schon auf ihrem Weg zum See seien. Ich erfahre, dass Sourabh unglücklicherweise an akuter Höhenkrankheit leidet und einen Pausentag einlegen musste – hoffen wir, dass es ihm morgen wieder besser geht, sonst müsste er in tiefere Höhenlagen absteigen.
Durch die große Höhe ist niemand von uns wirklich hungrig. Dennoch zwingen wir uns dazu, etwas zu essen, weil es wichtig ist, das Energielevel zu halten. Später am Abend kommen auch unsere indischen Freunde Sourabh, Dhruv und Toni zu uns. Wir genießen zusammen noch einmal einen gemütlichen Abend am Feuer und quatschen über Gott und die Welt. Sogar Sourabh hat es irgendwie geschafft, aus dem Bett zu kriechen, um für eine Weile bei uns zu sein. Er sieht echt blass aus. Ich würde ihm gerne etwas Diamox geben (ein Diuretikum, das bei Höhenkrankheit hilfreich ist), damit er sich etwas besser fühlt, aber er lehnt es ab, irgendwelche Medikamente zu nehmen.
Bevor wir zu Bett gehen, beschließen wir, dass wir morgen aufeinander warten werden, damit wir – unsere Gruppe und die Inder – das Basislager gemeinsam erreichen und unseren Erfolg feiern können, nachdem wir uns auf dem Weg fast an jedem zweiten Tag immer wieder begegnet sind.
Während der Nacht haben fast alle in der Gruppe das eine oder andere Symptom der Höhenkrankheit, und die meisten können nicht schlafen. Da ich präventiv Diamox eingenommen habe, geht es mir gut, und auch unser Guide, der Sherpa, hat keine Probleme. Ich habe das Glück, die ganze Nacht gut zu schlafen, um mich auf den großen Tag morgen vorzubereiten…