Ein Traum wird wahr: Ich reise nach Palästina

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Lebenswelten

Manche Träume werden wahr. Andere nicht. Einige bleiben tief in unserem Herzen verwurzelt und werden zu einem Teil von uns, während andere verblassen, wenn unsere Hoffnungen mit der Zeit verwelken, und durch neue ersetzt werden.

Während ich aufwuchs, nährte ich in meinem Herzen eine Vielfalt von Träumen. Manche verschwanden über die Jahre mit meiner zunehmenden Lebenserfahrung, während andere miteinander um den Spitzenplatz konkurrierten und so schließlich wahr wurden.

Doch manche Träume sind einzigartig. Sie sind einzigartig, weil sie so unsicher mit sich selbst sind, auch wenn sie den tiefsten Teil unseres Herzens und unseres Verstandes belegen. Sie sind sich nicht sicher, ob sie wahr werden können, und schlagen daher Wurzeln in uns, um als ein Traum in unserem Inneren zu bleiben, ungewiss ihrer Wege und Chancen, sich zu realisieren.

Ich hatte einen solchen Traum. Palästina zu besuchen, das war mein besonderer, einzigartiger Traum.

Als ein Student der Nahoststudien kam ich mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt in Berührung und war davon fasziniert. Die unverdrossene Energie der Palästinenser, ihren Kampf entgegen aller Chancen fortzuführen, und ihre Fähigkeit, Demütigung, Folter und den Tod ihrer Liebsten für ein gemeinsames Ziel tagtäglich zu ertragen über die ganzen letzten sechs Jahrzehnte hinweg – all dies erstaunte mich so tief, dass der leidenschaftliche Wunsch, diesen Menschen zu begegnen, sie zu treffen und von ihnen zu lernen, langsam in meine Psyche einsickerte.

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Dieser Wunsch wandelte sich bald zu einem Traum, der begann, meine akademischen Arbeiten, meine Lebensperspektive und vieles mehr zu beeinflussen.

Tief in mir wusste ich, dass ich eines Tages Palästina besuchen würde, doch hatte ich niemals erwartet, dass mein Traum so bald und auf so unerwartete Weise Realität werden würde. Weder hatte ich irgendwelche Pläne dafür gemacht, noch gab mir das Leben irgendeine Andeutung, dass mein Traum innerhalb weniger Tage wahr werden würde.

In meinem Verstand war alles ruhig und still, wenn auch nicht gänzlich unerschüttert, und wie üblich war ich in Pläne für meine fernere Zukunft vertieft, als mich ein Anruf der palästinensischen Botschaft aus allem herausriss. Alles, was ich an Ruhe oder Gelassenheit über die Jahre aufgebaut hatte, begann zu zerbrechen, und tausende Gefühle und Fragen überschwemmten mich wie Sturmfluten ein Küstengebiet.

Ich wurde informiert, dass ich Teil der indischen Delegation für das Erste Internationale palästinensische Jugendcamp (First International Palestinian Youth Camp) sein solle. Das war DIE Gelegenheit, da das Camp von der palästinensischen Regierung organisiert wurde und meine Teilnahme bedeutete, dass ich Palästina durch die Augen der Palästinenser würde sehen können. Es bedeutete auch, dass ich die Chance bekäme, mit vielen Palästinensern ohne Überwachung zu interagieren und von ihnen selbst etwas über ihre Erfahrungen, ihr Leben zu lernen.

Mir war klar, dass es nicht besser werden könnte. Wir wissen alle, wie eingeschränkt die Möglichkeiten sind, ein besetztes Gebiet zu besuchen, und welche Hindernisse es gibt, weil damit eine unendliche Kette von Genehmigungen, Freigaben und was auch immer verbunden ist. Dieses Camp würde es definitiv sehr erleichtern, nach Palästina zu reisen und sich im Westjordanland zu bewegen.

Wenn ich zurückblicke – ja, ich hatte mich für das Jugendcamp beworben, aber es war nicht wirklich ein konkreter Plan für mich und ich machte mir keine Hoffnungen, damit Erfolg zu haben. Es war fast schon zur Routine für mich geworden, mich für Veranstaltungen oder Seminare im Nahen Osten und speziell in Palästina zu bewerben, doch war bisher nie etwas dabei herausgekommen. Diesmal aber schien es real zu sein. Eine Gelegenheit, meinen einzigartigen Traum in die Realität umzusetzen – und das schon in wenigen Tagen -, klopfte an meine Tür!

Ich wurde sofort von einer Welle des Glücks davongetragen, und meine Fantasie begann durchzudrehen. Doch gleichzeitig umklammerte ein schlechtes Gefühl meinen Verstand, und ich hatte genügend Gründe, mich niedergeschlagen zu fühlen.

Wir wurden über unsere Berufung zum Jugendcamp erst eine Woche vor unserem Aufbruch am 27. November 2016 informiert. Wir hatten also nicht viel Zeit vor unserer Abreise, und es war noch so viel zu arrangieren: Eine Genehmigung der israelischen Botschaft und ein Visum für Jordanien (weil wir über diesen Staat ins Westjordanland einreisen würden) mussten beschafft werden, außerdem Flugtickets, fremdes Geld und noch einige weitere Dokumente. Schließlich planten wir eine Reise in das umstrittenste und konfliktreichste Land der Welt.

Wir besuchten also die palästinensische Botschaft in Indien ein erstes Mal, und für die nächsten Tage sollte dies einer unserer täglichen Wege werden. Man sagte uns, dass alles in Zusammenhang mit dieser Reise unvorhersehbar bleiben würde. Wir könnten nicht sicher sein, ob Israel uns eine Einreisegenehmigung erteilen würde, und selbst wenn wir diese erhielten, wüssten wir nicht, mit welchen Bedingungen sie verbunden wäre. Eine weitere Hürde war die Visaerteilung. Obwohl die palästinensische Botschaft sowohl für die Einreisegenehmigung als auch für das Visum verantwortlich war, waren Komplikationen für uns unvermeidbar.

Ich kann nicht sagen, wie es den anderen ging, aber mein Gemütszustand war nicht weniger als ein zwischen Hoffen und Bangen hin und her schwingendes Pendel. Man sagte uns, dass wir die Flugtickets erst ein paar Tage vor dem Beginn der Veranstaltung buchen sollten, weil bisher noch überhaupt nichts über das Visum und die Genehmigung klar war.

Die Leute in der palästinensischen Botschaft waren so außerordentlich freundlich, dass wir uns dort willkommen fühlten und gar nicht den Eindruck hatten, eine Botschaft zu besuchen. Ich war ganz verliebt in ihre Wärme und ihre Lebenseinstellung.

Abgesehen von den Schwierigkeiten mit dem Ansuchen um unsere Genehmigungen sahen wir uns mit einem weiteren massiven Problem konfrontiert: Die Einziehung der Banknoten über 500 und 1000 Rupien, die genau in diesem November in Indien umgesetzt wurde. Extreme Schwierigkeiten, an Bargeld zu gelangen, lange Schlangen in Banken und an Geldautomaten, Verknappung von US-Dollar und Euro am indischen Markt und andere Konsequenzen dieser Maßnahme machten alles so mühsam, dass die Hoffnung, mein Traum werde sich tatsächlich erfüllen, wieder und wieder schwand.

Solche Erfahrungen sind wahre Lehrer in deinem Leben. Tief in meinem Herzen befürchtete ich, die Reise würde niemals Wirklichkeit werden. Doch es war ein lang gehegter Traum – wie könnte ich ihn aufgeben und die Hoffnung verlieren, obwohl es gerade schien, als wirke alles dagegen?

Schließlich waren es nur noch drei Tage, bis ich abreisen sollte, und noch immer stand nichts fest. Kein Visum, keine Tickets, keine Dokumente. In dieser Zeit lernte ich, an der Hoffnung festzuhalten, selbst wenn mein Verstand der Logik schon nachgegeben hatte. Mein Koffer war gepackt. Sonst aber war nichts bereit. Ich wusste, dass es sehr schmerzhaft sein würde, den Koffer unverrichteter Dinge wieder auszupacken, und Aufgeben war einfach keine Option.

Endlich erhielt ich einen Anruf von der Botschaft, dass sowohl meine Genehmigung als auch mein Visum erteilt waren.

Endlich konnte ich sicher sein, dass ich tatsächlich nach Palästina reisen würde! Ich eilte zur Botschaft, um meine Dokumente abzuholen. Alle meine Mitreisenden taten dasselbe, und wir waren so glücklich, als ob wir eine Schlacht gewonnen hätten. Wir gratulierten uns gegenseitig, wieder und wieder. In diesem Moment war mein Herz überwältigt von Glück, und doch brachte mich ein Gedanke zurück auf den Boden.

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Mir wurde klar, dass alles, was ich in den letzten Tagen erlebt hatte, nur eine Ahnung von dem war, womit die Palästinenser in ihrem täglichen Leben umgehen mussten. Ein Leben voller Unsicherheit, voller Genehmigungen, Hindernissen, Absagen, Schwierigkeiten und Not, das gerade jenseits meiner Vorstellung ist. Mir wurde klar, dass das Leben in Palästina voller Hoffnung und Hoffnungslosigkeit ist, die nebeneinander existieren und auf seltsame Art ineinander verstrickt sind. Mir wurde klar, dass meine Reise nach Palästina schon längst begonnen hatte. Ich wusste, dass ich auf herzzerreißende Erlebnisse eingestellt sein und einen offenen Geist bewahren musste. Ich war glücklich, sehr glücklich, doch auch ein wenig ängstlich angesichts der kommenden, unbekannten Erfahrungen.

Endlich, am 26. November 2016, war ich am Flughafen. Mitarbeiter der palästinensischen Botschaft kamen, um uns zu verabschieden, gaben uns ein paar abschließende Tipps und boten uns jede notwendige Hilfe an. Das Flugzeug, das ich bestieg, nahm mich mit auf eine Reise, die meinen Traum wahr machen würde. Mein Herz pochte, und aus irgendeinem Grund war mein Verstand leer. Ich konnte nicht denken. Ich fühle nur noch. Fühlte, wie es ist, wenn du dich deinem meistumhegten Traum näherst. Nur ein Gedanke ging mir durch den Kopf:

Wenn wir einen Traum nur lange genug träumen, kann er Wirklichkeit werden.

 (Fennel Hudson)

Mein Traum hat es tatsächlich gemacht. Ich habe es tatsächlich gemacht.

Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake

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Diskussion (Ein Kommentar)

  1. Sehr interessanter Artikel und atemberaubende Bilder! Wenn man noch nicht selbst in Palästina war, ist es kaum vorstellbar, wie groß die Hürden sind, um in das Land zu kommen. Aber es lohnt sich definitiv diesen Stress aufsich zu nehmen, Palästina ist wirklich ein wunderschönes Land, in dem Gastfreundschaft großgeschrieben wird. Ich hoffe inständig, dass der Konflikt eines Tages beigelegt wird und man das Land leichter bereisen kann.