Dr. Madeleine Petrovic – Ein menschlicherer Umgang miteinander und mit Tieren ist möglich
In unserer Küche nimmt dieses mal Frau MMag. Dr. Madeleine Petrovic, eine der bekanntesten Politikerinnen der österreichischen Grünen, Platz.
Frau Petrovic hat in Wien u.a. JUS studiert und sich im Rahmen ihres Studiums auf römisches Recht und Rechtsgeschichte spezialisiert. Sie erzählt, dass sie in den Pausen zwischen den Lehrveranstaltungen auf der Uni fast immer im Institut für römisches Recht gesessen ist und dort gelernt und gelesen hat bis sie eines Tages der Vorstand des Instituts für römisches Recht gefragt hat, ob sie denn nicht hier arbeiten will, da sie „eh immer da wäre.“ Petrovic nahm dieses Jobangebot an, begann 1976 für 20 Wochenstunden als Studienassistentin für 2760 Schilling brutto für netto zu arbeiten und sie erinnert sich noch sehr gut, dass sie damit ihre erste eigene Wohnung, die damals 1000 Schilling im Monat gekostet hat, finanzieren konnte. Sie ist skeptisch ob dies heute für junge Menschen in vergleichbarer Situation in dieser Form noch so möglich ist.
Auf die Frage, was ihr denn am römischen Recht gefällt, erklärt sie u.a., dass es klare Regeln und Vorschriften für den Umgang mit Eigentum festlegt, so habe es geheißen: „Kümmere Dich um Dein Eigentum oder es ist weg.“
In Anbetracht der zunehmenden Spekulation rund um Immobilien erinnert sie daran, dass Eigentum ein Recht, aber vor allem auch eine Verpflichtung ist. Die Topjuristin tritt daher entschieden gegen Immobilienspekulationen ein und plädiert für eine „soziale Verantwortung des Eigentums“.
In den 1980er Jahren tritt sie eine Stelle im Sozialministerium, das damals von Alfred Dallinger geführt wurde, an – und sie wäre dort auch geblieben, wenn Dallinger nicht 1989 tödlich verunglückt wäre. Ihr Job war es, die Sanierung von Krisenbetrieben und die Ansiedlung von neuen Betrieben zu managen, und so kam es im Zuge der Betriebsansiedlung von General Motors (GM) in Aspang zu einem Treffen mit zahlreichen amerikanischen Spitzenjuristen, die für GM arbeiteten, sowie Petrovic und einem ihrer Kollegen aus ihrem Ministerium. Es vergingen kaum 5 Minuten und schon waren sie auch in diesem Gespräch beim römischen Recht angekommen, denn „das römische Recht ist das kleine Einmal Eins der Juristinnen und Juristen.“
Dr. Petrovic hat zudem u.a. auch Dolmetsch Englisch & Französisch studiert, ist zweisprachige Übersetzerin und ausgebildete Gerichtsdolmetscherin in Englisch. Auf ihre internationalen Kompetenzen angesprochen erwähnt sie ihre Spezialstudienrichtung „Transportwirtschaft und Unternehmensführung“ an der WU Wien und, dass sie sich schon immer für internationale Themen interessiert hat.
Sich selbst sieht sie als „Mitwelt“-Politikerin und sie bekennt: „Was mich wirklich interessiert sind Lebewesen“, denn „alles was lebt ist mehr wert als alles was nicht lebt“ und wir sollten dies mehr Wert schätzen, denn grundsätzlich „hat das Leben ein Recht zu leben“ und das beinhaltet auch das Recht der Tiere auf Leben.
Für sie ist klar, dass Rohstoffe heute immer noch viel zu billig sind und immer noch verschwenderisch eingesetzt werden, weil sie so wenig kosten, und die Menschen, die in den Abbaugebieten leben, weiterhin ausgenutzt werden.
Zum dreißigjährigen Jubiläum des Mauerfalls 1989 und zur weiteren Entwicklung Europas befragt erinnert sie daran, dass mit Steuermitteln der EU eben auch jene Kräfte unterstützt werden, die auf eine Zerstörung der EU hinarbeiten. Ein verstärktes Mehrheitsprinzip innerhalb der EU wäre daher ein wichtiges Instrument, um rechtsextremen Kräften nicht noch mehr Blockademöglichkeiten zu geben.
Ein weiterer nicht zu unterschätzender Akteur für die zukünftige Entwicklung der EU ist die Volksrepublik China, die in Europa Häfen und Eisenbahnlinien kauft, und mit Volldampf an der Implementierung der neuen Seidenstraße arbeitet. In der EU stelle man sich aber nicht ausreichend die Frage, wie man strategisch mit dem Verhalten der Chinesen umgehen soll und für Dr. Petrovic ist klar, dass derzeit keine Strategie der Europäer im Umgang mit China zu erkennen ist. Zu den Feinden Europas zählt sie auch Donald Trump, dessen Umgang mit Frauen sie scharf kritisiert.
Sie ortet immer brutaler werdende Nationalstaaten innerhalb der EU und erinnert daran, dass die europäische Wertegemeinschaft beschworen würde, während ungarische Obdachlose von den Städten in die Wälder zum Erfrieren vertrieben werden und an den Stränden des Mittelmeeres die toten Kinder liegen, ein unhaltbarer Zustand für sie.
Die europäische Wertegemeinschaft müsse daher auch real gelebt werden.
Wenn es der EU nicht gelingt, einen positiv definierten europäischen Patriotismus und eine europäische Identität zu schaffen, ist der Zusammenhalt der EU für sie in großer Gefahr, im Moment gibt es diese proeuropäische Identität aus ihrer Sicht leider kaum.
Alexander Stipsits erinnert Frau Dr. Petrovic an das Briefbombenattentat, das im Dezember 1993 auf sie verübt wurde, und möchte von ihr wissen wie diese Zeit für sie persönlich gewesen ist. Die ehemalige Bundessprecherin der Grünen erzählt, dass ihre Kinder damals noch klein waren, als die Briefbombe an Ihre Privatadresse gekommen ist und sie bekennt, dass dieser Anschlag ein gravierender Einschnitt für sie selbst und ihre Familie gewesen ist. Die These, dass der damalige Briefbombenattentäter Franz Fuchs ein Einzeltäter war, ist für sie nicht glaubwürdig. Aus ihrer Sicht hat sich 1993 ein Klima des Hasses in Österreich aufgebaut und sie erinnert, dass das Jahr 1993 mit dem Lichtermeer gegen das „Österreich zuerst“-Volksbegehren der FPÖ begann und mit den Briefbomben gegen sie und zahlreiche andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens geendet hat.
In dieser Zeit hat sie laufend Schmäh- und Drohbriefe bekommen und der Rassismus und der Fremdenhass, den sie und ihre Familie erlebt haben (ihr Mann stammt aus Bosnien), war extrem. Ausdrücke wie „Tschuschenhure“ gehörte noch zu den feineren Aussagen, die sie zu hören bekam.
Sie hatte damals leider nicht den Eindruck, dass die Polizei ernsthaft ermittelt hat, wer die Absender dieser unzähligen Drohbriefe waren. In all diesen Briefen habe es immer eine Verknüpfung von Frauenfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit und Abstiegsängsten gegeben. Der Tenor in diesen Schreiben war sehr oft „die nehmen uns was weg“, „wir haben da angestammte Rechte und warum kommen die?“
Leider gibt es aus ihrer Sicht zahlreiche Menschen, die einen Hass in sich haben, und die sich einer rationalen Debatte über die Vor- & Nachteile von Migration und Zuwanderung entziehen, merkt Frau Dr. Petrovic an.
Heute habe sich der Hass vor allem ins Internet verlagert, vor allem junge Leute sind im Netz verletzendem Mobbing ausgesetzt. Einen Menschen verbal fertig zu machen geht für Dr. Petrovic gar nicht, und sie plädiert dafür, dass es schnelle Sanktionen und eine Reaktion der Gesellschaft geben muss. Auf die Frage welche das sein sollten, schlägt sie Geldstrafen vor, und dass man anstatt eine Vorstrafe zu erteilen die Täter dazu verpflichten sollte, sich mit den Opfern zu befassen und diese in einem Frauenhaus oder in einem Flüchtlingsheim eine Diversion leisten sollten, damit man die jungen Leute davon abhält, noch weiter auf eine schiefe Bahn zu kommen.
Sie erzählt von einem kleinen, aber sehr wirksamen Projekt im Jugoslawienkrieg bei dem serbische, kroatische und bosnische Kinder zusammen auf einem Schiff ein respektvolles Miteinander lernten. So habe man den Kindern bei Streitereien klar gemacht, dass das Schiff nicht fährt, wenn Sie nicht miteinander auskommen. Nach dem Ende des Jugoslawienkrieges wurde aus dieser Initiative ein Sozialprojekt für auf die schiefe Bahn gekommene Jugendliche.
Dr. Petrovic spricht sich dabei aber auch klar gegen eine falsch zu verstehende Toleranz gegenüber Gewalt aus und macht klar, dass man nicht hinnehmen kann, dass 12 oder 13-Jährige andere Jugendliche oder Erwachsene niederprügeln oder ausrauben.
Auf die Frage wie man eine liebevollere Gesellschaft realisieren kann, antwortet sie, dass das Schüren von Vorurteilen nicht statthaft ist und es sehr wichtig ist den Menschen die ärgsten existenziellen Ängste zu nehmen: das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen sei ein möglicher Weg. Ebenso bedeutend ist für sie die Unterstützung alleinerziehender Eltern, die sehr oft in einer schwierigen Lage sind und oft unter hohen Wohnkosten leiden würden. Für die Entwicklung der Kinder ist auch in sehr jungen Jahren eine qualitativ hochwertige und adäquate Kinderbetreuung enorm wichtig, die altersgerecht und kindgerecht sein muss, denn es gibt Nestflüchter und Nesthocker.
Dr. Petrovic sieht sich als eine Verfechterin einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft, die jedenfalls die Grundbedürfnisse der Menschen abdecken muss. In diesem Zusammenhang erinnert sie an die Schwächung des sozialen Auffangnetzes durch die letzte Bundesregierung. Die Politik müsse den Menschen aber die Existenzangst nehmen, denn Menschlichkeit ist finanzierbar. Das bedeutet für sie aber auch, dass man Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen im System abstellen muss.
Zum Klimawandel befragt erzählt sie von ihrer Arbeit im Tierschutzhaus, und dass aufgrund des Klimawandels längst vergessen geglaubte Krankheiten bei Tieren wieder zurückkommen bzw. neue Erkrankungen auftauchen würden. So gäbe es nun z.B. Hunde mit einem Herzwurm im Tierschutzhaus, eine Erkrankung, die mit der Temperatur zu tun hat. Sie erinnert auch daran, dass unter der zunehmenden Hitze vor allem alte Menschen leiden, die sich z.B. keine Klimaanlage leisten können.
Auf die Frage was die Politik gegen die Klimakrise konkret tun könne, erzählt sie, dass mehr als ein Drittel der produzierten Lebensmittel von den Supermärkten vernichtet wird und erklärt anhand der Haltbarkeitsdaten von Frischeiern, dass die diesbezüglichen Bestimmungen aufgrund der Lieferkette große Nachteile für die kleinen österreichischen Bauern mit Freilandhaltung gegenüber den Großbetrieben, die auf Legehennen Batterien setzen, bringen. Das seien konkrete Themen, bei denen die Politik aktiv werden müsste, um derartige „ganz blöde Regeln abzuschaffen.“
Auch in der Kommunalpolitik sei noch vieles an Verbesserungen möglich, denn der Klimawandel ist gerade auch lokal relevant, so ist etwa die Stilllegung von regionalen Verkehrsverbindungen wie zb. der Thayatalbahn überhaupt nicht sinnvoll gewesen.
Manche überregionalen Zugverbindungen, wie etwa jene von Wien nach Brüssel bzw. von Wien nach Triest, sind zu ihrer Studienzeit besser gewesen. So erinnert sie sich daran, dass das Reisen mit dem Nachtzug von Wien nach Brüssel früher sehr kommod war, auch die Geschwindigkeit der Züge der Franz-Josefs-Bahn habe sich nicht erhöht.
Frau Dr. Petrovic berichtet von einer aktuellen Studie der ETH Zürich, die vorschlägt 1 Milliarde Hektar Wald weltweit aufzuforsten, damit wir die Erderwärmung unter 1,5 Grad halten können. Das ist ein Ansatz, den man global betreiben kann, und das wäre auch ein Projekt für Milliardäre, die sich umweltpolitisch engagieren wollen. Aus ihrer Sicht muss so eine Initiative kommen, denn so wie es jetzt läuft wird der Klimawandel nicht zu stoppen sein, Klimawälder zu pflanzen ist daher eine sehr sinnvolle Maßnahme.
Ein weiterer Faktor für den Klimawandel ist der Fleischkonsum, und sie empfiehlt daher, die Art wie man Fleisch konsumiert zu überdenken: „Runter mit der Menge, rauf mit der Qualität & schauen woher das Fleisch kommt.“ Sie selbst isst seit Jahrzehnten bereits kein Fleisch mehr, den Trend zur veganen Gesellschaft sieht sie positiv, man müsse dringend aufhören mit dem wegschmeißen von Lebensmitteln. Diesen Bewusstseinswandel will sie aber ohne den Menschen Vorschriften zu erteilen erreichen, denn das sei kontraproduktiv.
Dr. Petrovic engagiert sich seit vielen Jahren sehr für den Tierschutz und sie erzählt, dass sie die LKWs mit den brüllenden Kälbern, die Todesqualen erleiden, an den Grenzen gesehen hat und sie weiß wie viele Tiere bereits tot sind, wenn sie an ihrem Bestimmungsort ankommen. Dieser Umgang mit Tieren ist für sie ganz klar eine europäische Kulturschande.
Auf die Frage was sie als Person zum Tierschutz gebracht hat erzählt sie von einer langen zurück liegenden Begegnung mit einer Frau, die damals in einem Unternehmen gearbeitet hat, das Tierversuche durchgeführt hat. Diese Dame berichtete ihr, dass in ihrer Firma den Hunden bei den Tierversuchen die Stimmbänder durchgeschnitten wurden, damit die Nachbarn nicht durch das Geschrei der Hunde gestört werden würden. Eine Vorgehensweise, die der Frau schwere Gewissensbisse bereitete, gleichzeitig fürchtete sie, falls Sie den Job kündigt, keine geeignete andere Arbeitsstelle mehr zu finden. Dieses Erlebnis hat Dr. Madeleine Petrovic sehr berührt und mit dazu beigetragen, dass sie sich in der Folge intensiver mit Tierrechten beschäftigt hat.
Sie interessierte sich vermehrt für Tierversuche, saß in entsprechenden Kommissionen und erzählt wie anfangs Chemikalien an Tieren getestet wurden ohne ein tieferes Bewusstsein für das Leid der Tiere zu zeigen und das obwohl aus ihrer Sicht das isolierte Laborexperiment nicht zwingend ein Indiz dafür ist wie Menschen auf Chemikalien reagieren.
Sie plädiert für eine auf das Leben orientierte Forschung, die mit der isolierten Testung von Chemikalien und auch Arzneimitteln sehr wenig zu tun hätte. Tiere als Versuchskaninchen einzusetzen ist keine gute Idee, denn es gibt neue Erkenntniswege in der Wissenschaft, so wäre es österreichischen Forschern vor kurzem gelungen menschliche Zellen und Zellkulturen auf einem Chip anzulegen.
Zur Art und Weise wie der Mensch mit Tieren umgeht erklärt sie u.a., dass es einige wenige gewalttätige Jugendliche gibt, die grobe Tierquälereien begehen, und leider in weiterer Folge dann auch zu Gewalt gegenüber schwächeren Menschen neigen.
Die Obfrau des Tierschutzhauses sieht sich als eine Vertreterin der Tierrechtsbewegung und sie erklärt, dass die Bedeutung von Tieren für Menschen enorm ist, das erkenne man u.a. auch daran, dass sehr viele Obdachlose in Wien einen Hund als treuen Gefährten haben.
Ihr war es persönlich immer wichtig, dass ihre Kinder mit Tieren aufwachsen und dass sie Ihren Kindern ein soziales und menschliches Bewusstsein vermittelt, denn ganz wichtig ist das Menschliche und die Herzensbildung.
Sich sieht sich selbst als Optimistin und sie appelliert an die Politik zur richtigen Zeit das Richtige zu machen und die Gunst historischer Situationen zu nutzen.
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