Die Zukunft von Frieden und Sicherheit – Die Rolle der OSZE
Veranstaltungsdaten
- Datum
- 14. 11. 2016
- Veranstalter
- Renner Institut
- Ort
- Landesverteidigungsakademie Wien, Sala Terrena, Stiftgasse 2a, 1070 Wien
- Veranstaltungsart
- Podiumsdiskussion
- Teilnehmer
- Christian Strohal, Sonderberater des österreichischen OSZE-Vorsitzes
- Xiaohui Du, Botschafter der Volksrepublik China
- Heidemaria Gürer, Leiterin der Abteilung für osteuropa, Südkaukasis, Zentralasien im BMEIA
- Gustav Gustenau, Direktion für Sicherheitspolitik im BMLVS, Verbindungsmann zum nat. Sicherheitsrat
- Sergey Makedonov, Experte des Russian International Affairs Council
- Florian Raunig, Leiter der Task Force für den österreichischen OSZE-Vorsitz 2017
- Hannes Swoboda, Präsident des international Institute for peace
Österreich übernimmt 2017 den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa – kurz OSZE. Sie hat ihren Sitz in Wien, 57 Staaten sind daran beteiligt. Damit ist sie die größte Sicherheitsorganisation der nördlichen Hemisphäre und unterhält aktuell 17 Feldmissionen (darunter auch die Ukraine).
Das OSZE-Krisenmanagement hat in der Krim-Krise gut funktioniert. Vierundzwanzig Stunden nach der Entscheidung der OSZE erschien bereits eine Beobachtungsmission vor Ort. Heute sind mehr als 1.000 Mitarbeiter in der Ukraine, die täglich Berichte erstellen und der Bevölkerung vor Ort helfen.
Die Annexion der Krim habe die Vorhersehbarkeit für und das Vertrauen in das Handeln von Staaten erschüttert. Diesen Vertrauensverlust im konkreten Fall zu Russland müsse man durch Dialog beseitigen, z.B. über Programme wie die Rüstungskontrollinitiative des deutschen Außenministers Steinmeyer, oder auch über Zusammenarbeit im Bereich Cyber-Security.
Die wirtschaftlichen Verbindungen müssen ebenso gestärkt werden wie die Einbindung nicht-diplomatischer Akteure (z.B. Jugendorganisationen oder NGOs). Das knappe Budget der OSZE (das in etwa den Kosten der Ukraine-Mission beträgt) läßt eine Vertiefung der Aktionen und Missionen kaum zu – eine Ausweitung des Budgets muß angestrebt werden.
Das Panel of Eminent Persons, dem der deutsche Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger angehört, arbeitet seit 2015 an Vorschlägen für Verbesserungen innerhalb der OSZE.
Berg-Karabach ist bis heute nicht gelöst und seit dem Ukraine-Konflikte wieder aufgeflammt. Bis 2008 wurde Südossetien von der OSZE betreut, Abchasien von der UNO. Seit dem Georgien-Krieg sind beide Organisationen nicht mehr vor Ort. Transnistrien sei laut Gürer nächstens zu lösen. Die sogenannten 5+2-Gespräche haben stattgefunden. Wie sich der in Moldau neu gewählte russlandfreundliche Präsident Igor Dondon auf diesen Prozeß auswirkt, bleibt abzuwarten.
Die OSZE und Österreichs Sicherheitsinteressen
Aus Sicht des österreichischen Verteidigungsministeriums hat die OSZE laut Brigardier Gustenau eine untergeordnete Rolle. Nach Prioritäten sortiert blickt das Ministerum zuerst auf die Europäische Union und dann auf das CEDC, mit dessen Hilfe vor allem die Stabilisierung des Westbalkan und die Lösung der Migrationskrise angestrebt werden. Es folgen die NATO und die UNO – letztere vor allem betreffend den afrikanischen Kontinent. Erst wird die OSZE in strategische Überlegungen einbezogen.
In der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) spielt Österreich jedenfalls angesichts der Anforderungen der Migrationskrise eine untergeordnete Rolle. Die momentane Haltung des Verteidigungsministers Doskozil ist, daß Österreich bei nationalen Interessen mit anderen Staaten kooperiert und sich im Konflikt zwischen der NATO und Russland heraushält.
Eine Studie des Ministeriums, bei der die Österreicher zu ihrer Haltung bezüglich der NATO und Russland befragt wurden, zeigt, daß eine Mehrzahl der Interviewten ein Ungleichgewicht der Orientierung Europas hin zur NATO und weg von Russland feststellt. Europa möge sich mehr in Russland engagieren, die Außenpolitik gegenüber Russland solle freundlicher werden, die Sanktionen sollten aufgehoben werden.
Bei der Frage nach einer aktiven Rolle Österreichs in der Lösung des Konfliktes sind die Befragten gespalten. Im Nahen Osten stelle sich die Lage klar dar: Die USA seien die Hauptverursacher der Kriege – weit vor Russland und der Türkei.
Auch zu den USA sollte man die Kommunikationskanäle wieder aufbauen. Das CEDC sei momentan das wichtigste Abstimmungsgremium. Das dort gepflegte Abstimmungsformat sollte man sich auch für die OSZE überlegen, so Gustenau.
Die österreichische Neutralität sei möglicherweise auch eine Art Exportschlager: Moldawien hat bereits eine Anfrage gestellt, das Modell kennenzulernen. Auch Serbien, Bosnien-Herzegowina und sogar Weißrussland scheinen interessiert.
Die russische Sicht
In der Charta von Paris von 1990, die die Neuordnung Europas nach dem Zerfall der UDSSR zum Inhalt hat, wird die NATO als Bestandteil nicht genannt. Inoffiziell soll es Absprachen gegeben haben, daß die NATO sich nicht nach Osten ausbreitet. Wieviele Beitritte hat es seit damals gegeben? Heute steht die NATO im Baltikum an der Grenze zu Russland.
Die Verantwortung für die Kaukasuskonflikte ist geteilt, denn in den Auseinandersetzungen in Georgien und Berg-Karabach wurden von beiden Seiten gültige Verträge gebrochen. Die zwei großen Kollapse nach dem Zweiten Weltkrieg – Jugoslawien und die Sowjetunion – haben gezeigt, daß Stalins Grenzen nicht funktionieren.
Aus russischer Sicht ist das Ende der Sowjetunion keine Niederlage gewesen – wie es der Westen offensichtlich definiert –, sondern eine Veränderung.
Die Kritik der Ausbreitung der NATO begann nicht erst mit Putin. Schon Jelzin 1993 und Tschubais 1997 fanden wenig Gefallen an diesem Vorrücken gen Osten. Die Ansprachen Putins von 1999 in Istanbul und 2007 im deutschen Parlament seien nahezu identisch und als Zeichen der Zusammenarbeit klar erkennbar gewesen.
Die Wahl von Donald Trump sieht Makedonov als Chance auf einen Neuanfang in den Beziehungen zur USA. Er ist allerdings nicht so naiv zu glauben, daß plötzlich alles besser würde. Das Engagement Russland in Syrien erklärt er damit, daß im November 2014 die Ausbreitung des islamischen Staates auch zur Gefahr für Russland wurde und man auch vom regierenden Staatschef um Hilfe gerufen wurde.
China und die OSZE?
Der deutsche Außenminister Steinmeyer lud China zur OSZE-Wirtschaftskonferenz Connectivity nach Berlin ein, bei der auch über das Thema Neue Seidenstraße (ich durfte bereits über das Projekt berichten) diskutiert wurde. Weiters ist man mit vielen Partnerstaaten der OSZE in direktem Kontakt. Die chinesische Botschaft in Wien unterhält eine gute Verbindung zum Sekretariat der Organisation in Wien.
Die Welt steht erstmals seit 1990 wieder am Beginn eines neuen Kapitels: Es gilt, hybriden Gefahren zu begegnen. Dazu müsse man die Entwicklung der Welt richtig erkennen. Die Welt werde multipolar, und die aktuelle Tendenz des Isolationsimus würde keine erfolgreichen Antworten auf die heutigen Krisen liefern. Deshalb sei es notwendig, eine neue Vision der Sicherheit zu entwickeln: umfassend, allgemein und kooperativ.
Ein Ausblick auf den Vorsitz
Der Leiter der Taskforce für den österreichischen Vorsitz Florian Raunig lobt zu Beginn den bestvorbereitetsten Vorsitz aller Zeiten, nämlich den der Schweiz im Jahr 2014 – und dann kam die Ukrainekrise, und ganz andere als die vorbereiteten Themen beherrschten plötzlich das Tagesgeschäft.
2015 gab es in Mazedonien innerhalb kurzer Zeit die reelle Gefahr von ethnischen Konflikten. Unter dem damals serbischen Vorsitz erfolgte ein rascher Eingriff der OSZE – und wenig später sah man erstmals mazedonische und albanische Flaggen gemeinsam bei Kundgebungen.
Was bedeutet es, den Vorsitz dieser Organisation innezuhaben?
Man ist für alle da, egal ob es sich um große oder kleine Probleme handelt.
Generalsekretär Zannier beschrieb die OSZE als „57 non-like-minded states“ – im Gegensatz z.B. zur NATO. Hier einen Konsens zu fördern, sei auch Aufgabe des Vorsitzes. Die Hauptaufgabe des Vorsitzes liegt nicht daran, Probleme zu lösen, aber er schafft das Ambiete, um Lösungen zu ermöglichen. Vorsitz bedeutet zu guter Letzt auch eine Verantwortung gegenüber der Organisation selbst, um ihr Ansehen nicht zu beschädigen.
Und was macht nun einen erfolgreichen Vorsitz aus?
Die drei Hauptaufgaben des österreichischen Vorsitzes sieht Rauning in
- der Schaffung von Rahmenbedingungen für erfolgreiche Verhandlungen,
- dem Kampf gegen Radikalisierung – mit dem Fokus auf die Jugendlichen; hier gibt es innerhalb der OSZE weitgehenden Konsens und somit gute Chancen auf zählbare Ergebnisse und
- der Stärkung des Vertrauens in die Organisation.
Warum hat sich Österreich überhaupt für den Vorsitz beworben?
Ein Grund dafür ist, daß sich in Wien der Hauptsitz befindet. Des Weiteren haben kleine Länder großes Interesse an starken Organisationen, da sie an diesen mitpartizipieren können. Und wenn man wo mitreden will, dann sollte man auch Verantwortung für das große Ganze übernehmen.
Für Raunig birgt der Konsens als Lösung zwischen widerstreitenden Interessen sowohl Stärken als auch Schwächen. Oft fallen die erhofften Fortschritte geringer aus als erhofft. Dafür halten sich die Mitglieder an einmal getroffene Vereinbarungen. Die OSZE ist mittlerweile auch die einzige Sicherheitsorganisation, in der alle wichtigen Kräfte noch mitmachen.
Ex-Außenminister Erwin Lanc mahnt in seiner Publikums-Wortmeldung dazu, die Erinnerungen an den Krieg immer wieder ins Blickfeld zu rücken. Der Großteil der heute Lebenden kennt die Schrecken meist nur aus Erzählungen. Europa müsse danach trachten, daß das auch so bleibt.
Credits
Image | Title | Autor | License |
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OSZE | Christian Janisch | CC BY-SA 4.0 | |
Der Sitz der OSZE in der Wiener Hofburg | Andrew Bossi | CC BY-SA 2.5 | |
OSCE members and partners | Sven | CC BY SA 4.0 |