Die Suche des Individuums nach dem Sinn des Lebens

Enchanted Forest
Meinung

Im vorhergehenden Teil meiner Serie sprach ich vom Sinn des Lebens innerhalb des universellen Gefüges. In diesem Artikel besinne ich mich auf die Ursprungsidee eines Individuums vom Sinn des Lebens und einer damit einhergehenden sinnvolleren Existenz.

Es macht ganz den Anschein, dass vorherrschende Denkweisen unter dem sogenannten „Subjektivismus1 fallen sowie der „Bedeutung in Bezug auf das, was Menschen für sinnvoll halten oder was Menschen vom Leben wollen“ (Metz, 2011, frei übersetzt). Die meisten dieser Denkarten seien zweckbestimmt, wenn davon ausgegangen würde, dass „ein sinnvolles Leben jenes ist, das per Definition wählbare Ziele erreichte“ (Nielsen, 1964, frei übersetzt) oder „auf diesem Wege Zufriedenheit mit einhergeht“ (Hepburn 1965; Wohlgenannt 1981, frei übersetzt).

Reduziert man den zweckbestimmten Ansatz weiter, entsteht der Eindruck, dass der eigene Lebenssinn rein im Besitz jener Waren liege, die qualitativ erstklassig, liebens- und hingebungswürdig seien (Taylor, 1989). Die Schwachstelle in diesem Ansatz ist aber, dass alles Subtilere und weniger Materielle, wie z.B. Beziehungen, Erfahrungen, Geisteszustände und Emotionen, nicht darin inbegriffen sind, gleichsam aber das eigene Leben bedeutsam machen können – denn in gewisser Weise führen diese erfahrbaren Facetten zu jener Wahrnehmung, sich wieder seines Lebens zu besinnen. Zu einer Wahrnehmung, die bereits für den Großteil der Menschheit aufgrund ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Transzendenz verlorengegangen ist.

In Anlehnung an diesen Gedanken möchte ich mich auf einen Brief des berühmten amerikanischen Schriftstellers Hunter Thompson berufen, in dem er jemandem einen Ratschlag erteilt, wie ein sinnvolles Leben zu führen sei:

Ein Ziel zu verfolgen ist eine Vorstellung, die nicht stichhaltig ist: Unsere Perspektive ändert sich ständig, so dass wir selbst am Ziel des Erreichten noch lange nicht zufrieden sind. Ein Mensch sollte jenen Weg wählen, auf dem er seine Fähigkeiten mit maximaler Effizienz zur Erreichung seiner Wunschziele einsetzen kann. In kurzen Worten: Sein Leben sollte nicht dem Erreichen eines vordefinierten Ziels gewidmet sein, sondern vielmehr einer Lebensweise, von der er weiß, dass sie ihm gefällt. Entscheiden Sie, wie Sie leben wollen. Und dann erst sehen Sie zu, was Sie tun können, um mit dieser Lebensart auch Ihr Brot zu verdienen. Es geht um das ‚Wie‚ und nicht um das ‚Wofür‚.

Wäre es denn nicht tatsächlich vernünftig, uns darauf zu konzentrieren, wie wir unser Leben leben – Tag für Tag, Stunde für Stunde, mit dem Fokus auf das Jetzt und nicht auf ein Irgendwann in der Zukunft? Anstelle uns damit abzumühen herauszufinden, was genau der Zweck unseres Lebens ist?

Für Verfechter von Thomas Nagels Begründung des Nihilismus könnte obig Gedachtes um eines mehr Sinn machen: Nach deren Perspektive spiele der begrenzte Einfluss eines Menschenlebens auf diesem Planeten in Anbetracht der Dimension von Raum und Zeit keine Rolle. Was man also sein ganzes Leben lang auf Erden tue, mache keinen Unterschied und sei unwichtig. Warum also quält man sich damit, nach einer schwer fassbaren Bedeutung zu suchen, anstelle dafür zu sorgen, den Großteil seiner Tage auf Erden zu genießen?

Wenn wir uns für einen Moment von den subjektivistischen Ansichten und unserem „individualisierten Ich-Denken“ (Duhm, 2007) abwenden und uns jenen Paradigmen zuwenden, die auf den Erkenntnissen aus dem Osten basieren, ist uns die Befriedigung unserer Sehnsucht vielleicht mittels der verlorengegangenen spirituellen Transzendenz möglich.

In „The Sacred Matrix“ beschreibt Dieter Duhm umfassend das große Ganze und die Verbundenheit von allem sowie die Entelechie, die es definiert. Anschließend schildert er detailliert die Ereignisse, welche die menschliche Zivilisation dazu veranlasst hätten, von den Zielen der Schöpfung abzuweichen und ihre Verbindung zur göttlichen Quelle zu verlieren. Duhm setzt mit dem Statement fort, dass die Wiedereingliederung des Prinzips der universellen Verbundenheit „der ultimative Imperativ unserer Zeit“ sei.

Und so sollten wir als Individuen „unsere Funktionen als Organe im Ganzen erkennen“ – sowie alle unsere Handlungen, die „uns aktiv dazu verhelfen, uns wieder mit dem großen, göttlichen Fluss der Welt zu verbinden“ (Duhm, 2007). Zu erlernen, wie eine universelle Existenz zu führen sei, ist nach Duhms Ansicht der einzige Weg, wie man „die menschlichen, technischen, ökologischen und mental-spirituellen Aufgaben, vor denen wir stehen, lösen kann.2

Könnte es sein, dass das, was Duhm mit „göttlicher Quelle“ bezeichnet, Tsoknyi Rinpoche – einer der berühmtesten Meister des tibetischen Buddhismus – mit „Liebes-Essenz3 meint? Das menschliche Leben erhalte dann mehr Bedeutung, wenn es einmal in die Richtung gebracht würde, sich wieder mit unserer tiefsten Natur zu verbinden, diesen ersten Funken der Liebe zu finden und „es ihr zu gewähren, sich in allem, was wir tun, auf natürliche Weise zu zeigen“ (Rinpoche, 2012, frei übersetzt).

Ohne Zweifel stellt es eine unglaubliche Herausforderung dar, sich in diesem Bereich, der sich aus den gegebenen Standpunkten über den Sinn des Lebens ergibt, orientieren zu können. Da wir jede Stunde unseres Lebens bewusste Entscheidungen treffen, ist auch dies eine dieser Entscheidungen – für sein eigenes geistiges und spirituelles Wohlbefinden zu sorgen -, die jeder für sich selbst bewusst treffen muss. Denn nichts erschöpft unsere Energieressourcen mehr als die Unruhe eines unsteten Geistes. Was wiederum aber nicht bedeuten soll, dass wir unsere Entscheidungen nicht hinterfragen und potenziell nötige Änderungen vornehmen sollen, während wir auf der Welle des Lebens „surfen„.

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1 Eine umfassende Übersicht über aktuelle Analyseperspektiven zum Sinn des Lebens bietet die folgende
Website: www.iep.utm.edu/mean-ana/
2 Duhm D. (2007). The Sacred Matrix. Verlag Meiga
3 Rinpoche T. (2012). Open Heart, Open Mind. Harmony Books.

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Enchanted Forest Enchanted Forest Alejandro Rdguez CC BY 2.0