Die Tempel von Delhi
Heute erwartet mich eine intensive Sightseeing-Tour. Sie beginnt mit einer Taxifahrt zum am östlichen Rand von Delhi gelegenen Lotustempel, zu einem der Bahá’í-Tempel. Dieser befindet sich weit entfernt vom städtischen Chaos, inmitten eines friedlichen Gartens. Das umliegende Gebiet ist wunderschön, und man hat ein bisschen das Gefühl, als wäre man in Sydney, Australien, da sich der Tempel und Sydneys Opernhaus stark ähneln.
Als wir den Tempel betreten, gilt es für uns, die friedvolle Atmosphäre (die Lotusblume symbolisiert den Inbegriff von Frieden) in absoluter Stille zu genießen. Beim Verlassen des Gebäudes reichen uns Anhänger der Bahá’í-Religion Flyer und erklären uns ihren Glauben. Da mir diese Religion bis dato gänzlich unbekannt war, hörte ich aufmerksam zu.
Bahá’í ist eine monotheistische Religion, welche einen besonderen Wert auf spirituelle Einigkeit aller Menschen legt. Sie basiert auf drei Grundprinzipien:
- die Einheit Gottes, es gibt nur einen Gott und dieser ist die Quelle der Schöpfung
- die Einheit der Religion und
- die Einheit der Menschheit
Gemäß dieser Lehre besteht der Sinn des Lebens somit darin, Gott durch Gebete, Reflexionen und durch das Dienen der Menschheit, zu lieben und kennen zu lernen.
Nun lassen wir den Lotustempel hinter uns und steuern gleich den nächsten an: den sogenannten ISKCON-Tempel. Genau genommen steht ISKCON für „International Society For Krishna Consciousness“. Krishna kennt man auch als „Gott der Liebe“ und ist die menschgewordene Form einer der Hauptgottheiten des Hinduismus – Vishnu.
Als wir den Tempel betreten, sehen wir viele Menschen in orangen Gewändern mit rasierten Köpfen, auf denen obenauf eine einzige Haarlocke thront (Shikha). Diese extravagante Frisur kennzeichnet einen Fokus auf ein spirituelles Ziel (Ekanta), ein Kennzeichen der Reinheit und der Hingabe zu Gott durch Ausübung eines persönlichen Opfers.
Traditionell gesehen sind eigentlich alle Hindus dazu verpflichtet, eine Shikha zu tragen. Heutzutage sieht man diese jedoch hauptsächlich nur noch bei Tempelpriestern und starkgläubigen Anhängern.
Sobald wir im Kern des Tempels angelangt sind, vernehmen wir laute Musik. Viele Menschen sitzen am Boden, spielen Instrumente, andere tanzen und singen „Hare Krishna“ (dies sind Gebete, die der Gottheit gewidmet sind – Anhänger verwenden diese aber auch als Gruß).
Ich bin absolut überrascht von all den Sinneseindrücken und muss mich, um das Treiben beobachten zu können, für einen Moment hinsetzen.
Da mir diese Bewegung gänzlich unbekannt ist, beschließe ich einen Glaubensanhänger zu bitten, mir näheres darüber zu erklären. Die religiöse Organisation wurde 1966 durch seine göttliche Gnade A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhtupada in New York gegründet, auch bekannt als Hare Krishna Bewegung. Sie entstammt der hinduistischen Kultur und gehört zur monotheistischen Tradition.
Sie ist auf ein 5000 Jahre altes Sanskrit-Schriftstück gestützt, und ihre Anhänger leben gemäß den „7 Zielen des ISKCON“. Neben der Huldigung Krishnas leisten die Anhänger viele Dienste zum Wohle der Gesellschaft. Sie riefen z.B. das größte Welternährungsprogramm ins Leben, bieten Gefängnisinsassen spirituelle Führung und Beratung an und leisten noch viel, viel mehr.
Sofern Du mehr über ISKCON wissen möchtest, klicke hier.
Als ich den Tempel verlasse, wird mir klar, dass es bestimmt noch viel mehr über die Anhängerschaft der ISKCON in Erfahrung zu bringen gibt. Fürs Erste kann ich aber jetzt schon sagen:
Auf dem Weg zum Hotel erblicke ich eine große Gruppe von Menschen, wo jeder Einzelne in orangenen Gewändern gekleidet und barfuß unterwegs ist. Manche von ihnen tragen einen bunt verzierten, hölzernen Stock mit sich, während andere mit leeren Händen unterwegs sind.
Es handelt sich hierbei um hinduistische Pilgerer, welche auf einer über 300 km weiten Wanderung entweder gerade auf der Rückreise vom oder auf dem Weg zum heiligen Fluss Ganges sind – dieser erstreckt sich vom Himalayagebiet bis in den indischen Ozean.
Für die Hindus ist das Wasser dieses Flusses absolut heilig: Darin zu baden oder davon zu trinken kommt einer Reinigung der Seele gleich und verhilft dazu, das Nirvana zu erreichen (der größtmögliche Zustand von Frieden und Glückseligkeit). Jene, die mit dem hölzernen Stock unterwegs sind, tragen das heilige Wasser des Ganges mit sich und befinden sich auf dem Weg nach Hause.
Um das zu verhindern, platzieren sie nachts ihre Stöcke auf unterschiedlichsten Metallgerüsten.
Die meisten Pilgerer beginnen ihre Reise vom nächstgelegensten Tempel ihres Heimatortes aus und sind dann über zwanzig Tage lang unterwegs. Entlang der Wanderrouten hat die Regierung mehrere Rastplätze installiert, wo Pilgerer gratis schlafen dürfen und mit gratis Speis und Trank versorgt werden. Darüber hinaus stehen ihnen auch medizinische Einrichtungen zur Verfügung, denn viele von ihnen erleiden Fußverletzungen, da sie barfuß auf dem Asphalt unterwegs sind.
Just in dem Moment, als wir unserem Hotel am nächsten sind, nämlich beim Hauptbasar, blockiert eine große Menschenmenge unseren Weg. Aus riesigen Lastwägen dröhnt laute Musik, welche sich durch die engen Gassen fortpflanzt. Plötzlich beginnen vereinzelt Menschen zu tanzen, zuerst nur wenige, dann immer mehr. Es sind Pilgerer, die uns schon zuvor begegnet sind.
Da sie noch viele Kilometer vor sich haben, mieten sich manche einen Lastwagen um zum heiligen Fluss zu gelangen. Zurück müssen sie jedoch zu Fuß. Es lässt einen schon staunen, wenn man Zeuge dieses Treibens sein darf, und ich weise nochmals darauf hin:
Glücklich kehre ich in mein Hotelzimmer zurück und bin jetzt schon ganz gespannt darauf, was ich morgen wieder alles erleben darf.
Gute Nacht